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Reinhold Wissel – Helfen macht Schule e.V.: Schulprojekte in Tansania

Kameras sind unerbittlich. Aber sie zeigen nur das, was „vor den Kulissen“ passiert. Was er mit seinen Gästen „hinter den Kulissen“ und „abseits der Kameras“ erlebt hat, erzählt Moderator Klaus Depta hier. Zum Beispiel mit

Reinhold Wissel – Helfen macht Schule e.V.: Schulprojekte in Tansania

Irgendeine Tagung, irgendein Thema, an das ich mich längst nicht mehr erinnere. Was ich noch weiß: ein langweiliger Referent, der so krude erzählt, dass ich ihm kaum folgen kann. Und längst bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das Vorgetragene für bare Münze nehmen kann. Mich trifft ein Rippenstoß, mein Nachbar deutet mit dem Kopf auf einen anderen Teilnehmer. Ein Mann, der mir schon vorher kurz aufgefallen war: auf den ersten Blick eine Mischung aus dem genialen Heinz Erhardt und dem großartigen Alexander Held (München Mord / Soko Stralsund). Unser Mann sitzt ganz starr, hat seine Stirn in Falten gelegt und blickt unverwandt auf den Referenten.

Reinhold Wissel live

„Jetzt geht es los“, flüstert mein Sitznachbar, der den Mann schon länger kennt, als dieser langsam seinen Arm hebt. Der Referent unterbricht, nickt aufmunternd. „Ich bin ja dumm“, beginnt der Teilnehmer. „Vielleicht könnten Sie noch einmal erklären…“ Und dann wischt der Teilnehmer mit drei, vier exzellenten Sätzen alles das, was sich der Referent zuletzt zusammenfabuliert hat, vom Tisch. Scharfsinnig beobachtet, exakt formuliert, bis ins Letzte auf den Punkt gebracht. Wohlgemerkt: vom Teilnehmer, nicht vom Referenten. Der stottert, stammelt und merkt dann an, ob der komplexen Rückfrage wolle er erst einmal eine Pause vorschlagen. Danach würde er dann eine dezidierte Antwort geben. Der Name des Teilnehmers: Reinhold Wissel. Ihm bin ich danach noch sehr häufig begegnet, habe als Einleitung dieses „Ich bin ja dumm“ in dieser oder ähnlicher Weise noch öfter gehört. Und den scharfen Geist dieses Mannes dann oft genug bewundert. Einer, der wahnsinnig belesen ist. Und der tatsächlich einen ganz eigenen Typus verkörpert, unkonventionell,

manchmal unorthodox und manchmal ein bisschen eigenbrötlerisch. Ja, die unfreiwillig ausschauende, aber bestens platzierte Komik von Heinz Erhardt und das Durchdringende, gelegentlich liebenswürdig-Kauzige von Alexander Held gehen mit Reinhold Wissel eine extrem spannende Symbiose ein.

Helfen macht Schule e.V.

Wissel ist die treibende Kraft hinter dem bereits 1982 gegründeten Verein „Helfen macht Schule“. Als ich später einen Radiobeitrag über den Verein mache, erfahre ich erstaunliche Dinge: Mit dem Lehrerkollegen Werner Kessler hat Wissel den Verein an der Kopernikusschule im hessischen Freigericht ins Leben gerufen. Ich erfahre, dass die Schüler- und Lehrerschaft in Tansania Schulen gegründet hat und diese finanziert – Bildung als der beste Weg, um aus der Spirale von Abhängigkeit und Armut herauszukommen. Immer größer wurde das Projekt, so dass es schließlich in einen eigens gegründeten Verein mündete. Überschüsse aus dem Abiball, Erlöse von Objekten, die Schülerinnen und Schüler im Kunstunterricht erstellen und für den Verein verkaufen, Sammel- und Spendenaktionen an der Schule und mittlerweile weit darüber hinaus bilden das finanzielle Rückgrat für die Vereinsaktivitäten. Keine Frage: Reinhold Wissel ist hier auf einer Mission: auf der Mission, dass die, die viel haben, denen helfen, die viel nötig haben.

Besuche und Gegenbesuche

Zwei Dinge ragen bei den Vereinsaktivitäten aus meiner Sicht weit über „das Übliche“ hinaus: zum einen die regelmäßigen Fahrten, die die Lehrer mit interessierten Schülerinnen und Schülern nach Tansania unternehmen. „Wir leben hier wie die Made im Speck und in Afrika müssen Gleichaltrige kilometerweit zur Schule laufen. Wenn sie überhaupt zur Schule können. Denn viele müssen arbeiten, um der Familie das Überleben zu sichern“, sagt mir eine Schülerin nach ihrem Aufenthalt in Tansania ins Mikrophon. Also nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe in Afrika, sondern auch eine Menge Input, damit Schülerinnen und Schüler hier bei uns ihren Platz in der Welt richtig einschätzen können.

Dazu tragen auch die Begegnungen mit Afrikanern in Deutschland bei. Die kommen auf Einladung und über Privatspenden von Einzelpersonen des Vereins immer wieder ins Freigericht, sind dann natürlich auch an der Kopernikusschule und haben viel Zeit für die Schülerinnen und Schüler. Die Afrikaner nehmen aber selbst Eindrücke aus Deutschland mit nach Afrika. Manche davon mögen dazu beitragen, genau zu überlegen, was für die Menschen in Tansania sinnvoll ist und was besser nicht adaptiert werden sollte.

Must have: Kalender

Was mich besonders fasziniert, ist der Kalender, den Wissel und Co. immer wieder herausgeben. Großartige Fotos bei Besuchen in Tansania geschossen, Bilder von – natürlich – Tieren, aber auch von Land und Leuten. Afrika ganz nah, Afrika zum Anfassen. Afrika für die Wohnstube. Dass die Erlöse aus dem Kalender in die Schulprojekte in Tansania fließen, versteht sich von selbst.

Von Haus aus ist Reinhold Wissel Lehrer für die Fächer Latein und Katholische Religion. Dass er Begriffe wie Nächstenliebe und gesellschaftliche Verantwortung mit den Zielen und selbstgewählten Aufgaben von „Helfen macht Schule“ verknüpft, gehört zu seinen unkonventionellen Zugängen im Religionsunterricht. Die gibt es wohl auch, was das Lateinische anbelangt. Es gibt wohl kaum etwas, was Reinhold Wissel mehr hasst als egoistische, ausschließlich am Eigennutz interessierte Menschen. Für Menschen, die ihm furchtbar auf den Zeiger gehen, hat Wissel den Begriff des „anus apertus-Syndroms“ kreiert. Zu sagen, dass da jemand einfach „den A…. auf hat“, würde ihm nicht im Traum einfallen. Ob er seinen Schülerinnen und Schülern diesen Begriff genannt hat? Vermutlich nicht. Aber eine andere seiner Wortschöpfungen dürften sie kennen: Cui flagella flagellat. Frei übersetzt: Wer die Peitsche hat, der knallt. Und das ist nicht nur im Lateinunterricht zweifellos Reinhold Wissel.

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