Verve – Bittersweet Symphony
Weil er während seiner Abschlussprüfung den Raum verlässt, um ein bisschen spazieren zu gehen, drückt man ihm gleich ein Date beim Schulpsychologen aufs Auge. Und den reißt es aus allen Wolken, als ihm der Schüler den Grund für sein Ausreißen nennt: Er werde eh in einer Band spielen, in d e r Band.
Spätestens, als Richard Ashcrofts Band Verve mit „Bittersweet Symphony“ einen Riesenhit landet, sieht es so aus, als hätten sich Ashcrofts Schülerträume verwirklicht. Und das, obwohl der Song einen eher wehmütigen Eindruck hinterlässt. Zitat:
„Das ganze Leben ist doch nur eine einzige bittersüße Symphonie. Du versuchst irgendwie über die Runden zu kommen und bist doch nur ein Sklave des Geldes und stirbst du dann eben irgendwann. …
Ich stecke in meiner Schablone fest und auch, wenn ich von einem Tag zum andern
eine Million verschiedene Persönlichkeiten annehme, komme ich nicht aus dieser Schablone heraus.“
In seinem Leben festgefahren zu sein, nicht zu wissen, wie und wohin es weitergehen soll – das sind Merkmale einer handfesten Sinnkrise. Einer Krise, die dauerhaft die gesamte Lebenseinstellung in Frage stellt. In den Tag hineinleben, sich treiben lassen – ein sinnvolles, erfülltes Leben sieht anders aus. Genau deshalb klammert man sich an einen Ersatz, oder wie Verve singen: Man wird zum Sklaven des Geldes. Und was bleibt einem dann? Man stirbt, und das war es.
Ganz vorsichtig deuten Verve an, dass es auch ganz anders gehen könnte: Im Text heißt es weiter:
„Ich habe zwar noch nie gebetet, aber heute Nacht bin ich hier auf den Knien.
Ich brauche jetzt unbedingt etwas Musik, die mich meinen Schmerz erkennen lässt.
Ich würde der Melodie lauschen, die die Seele reinigt, und mich wieder frei fühlen.“
Eine Melodie, die die Seele reinigt, und zu hören ist, nachdem man darum gebetet hat? Für Theologen kann das nur der „Geist Gottes“ sein. Wer auf ihn vertraut und aufrichtig sucht, der findet auch eine Richtung für sein Leben.
Doch soweit, dem Leben eine wirklich positive Seite abzugewinnen, geht „Bittersweet Symphony“ dann doch nicht. Und auch in der Realität hat der Song eine bittersüße, eine makabere Seite: Musik und Text stammen zwar von Verve. Aber weil die Jungs eine Streichsequenz aus „The Last Time“ von den Rolling Stones verwendeten, befand ein Gericht nach jahrelangem Rechtsstreit: Jeder Cent aus den Royalities geht an das Management der Rolling Stones. – Vielleicht macht der Song ja gerade deshalb seinem Namen alle Ehre als „Bittersweet Symphony“.
Kommentare
Hinterlassen Sie ein Kommentar