Razorlight – Wire To Wire
Ob es ratsam ist, auf Kleinanzeigen zu reagieren? Der Schwede Björn Agren würde seine eigene Antwort geben. Denn eigentlich will der vor sieben Jahren nach Australien auswandert, macht aber Zwischenstation bei einer Schweden-WG in London. In der Einsamkeit Schwedens, so die Legende, hatte Björn das Gitarrespielen von der Pike auf gelernt, sein Instrument aber seit Jahren nicht mehr in der Hand gehabt. Und nun liest er diese Kleinanzeige: „Gitarrist gesucht.“ In einem Pub trifft er sich mit Johnny Borrell – aus purer Neugier. Fünf Minuten Small Talk, dann geben die zwei in Johnnys Wohnung und spielen sich die Seele aus dem Leib. Der Rest ist Geschich-te… und diese Geschichte trägt den Namen „Razorlight“. Eine Band, die aus jedem Anlass einen Song machen kann: Ein paar Gläsern vom Lieblingswein des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein reichten aus für den Tophit „America“. – Auch „Wire To Wire“ ist wieder ein Hit – einer, mit einem so richtig guten Text:
„Was ist Liebe, wenn nicht das seltsamste aller Gefühle?
Eine Sünde, die du für den Rest deines Lebens mit dir herumträgst
Du hast nach einem Menschen gesucht, dem du vertrauen kannst.
Jemanden, der dich liebt, bis deine Tränen irgendwann getrocknet sind.
Liebe fährt die Straße der Ernüchterung, wir aber gehen dahin, wo das Leben tobt.
Auf unseren Körpern tragen wir die gleichen Narben. Liebe mich, wo du auch bist.
Wie kannst du lieben, wenn dein Vertrauen voller Rostflecken steckt?
Wie kannst du etwas verändern, was das Wilde gezähmt hat?“
Auf eine einsame Hebrideninsel hatte sich Johnny Borrell angeblich zurückgezogen, um an den Songs für das Album „Slipway Fires“ zu schreiben. Dort, in der Einsamkeit, ist er wohl auch der Frage nachgegangen, was denn Liebe wirklich ist. Neu sind seine Erkenntnisse nicht: Vertrauen, Zuneigung, Geborgenheit, füreinander Dasein, die Kraft, Vergangenes zu bewältigen und gemeinsam die Zukunft zu wagen – in guten wie in schlechten Zeiten, könnte man sinngemäß ergänzen. Für Johnny Borrell und Co ist Liebe, wenn sie gelingen soll, immer ohne Netz und doppelten Boden, ohne Absicherung, ohne Versicherung. Im Song t e x t selbst findet sich diese Erkenntnis nicht. Aber im Song t i t e l: Denn „Wire To Wire“ ist genau genommen ein Wort aus der Sprache des Zirkus und bedeutet nichts anderes als „Drahtseilakt“. Vom „Drahtseilakt Liebe“, davon handlet also Razorlights „Wire To Wire“.
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