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Perry, Katy – Woman’s World

Dass hätte sich Katy Perry vermutlich auch niemals träumen lassen: dass sie nämlich aus denselben Gründen Prügel bezieht wie brandaktuell Papst Franziskus. Der hatte nämlich

Loblied auf Frau als Mutter

am letzten Wochenende im Rahmen einer universitären Veranstaltung gesagt: Eine Frau in der Kirche sei Tochter, Schwester und Mutter; es sei hässlich, wenn sich eine Frau zum Mann machen wolle; die Frau sei Frau und das sei wichtig!“

Bei Katy Perry hört sich das naturgemäß etwas anders an: Sie habe sich in den letzten Jahren bewusst mit ihrer Rolle als Frau auseinandergesetzt, erzählte sie im Interview mit Apple Music. Ihre neue Single „Woman’s World“ sei der erste Beitrag, den sie – Achtung, jetzt kommt’s – seit ihrer Mutterschaft und seit ihrer tiefen Verbindung mit ihrer weiblichen Göttlichkeit geleistet habe. „Mutterschaft“, „Fürsorge“ und „Hingabe“ waren die Worte des Papstes – und damit liegen die beiden tatsächlich auf einer Ebene.

christlich sozialisiert: Katy Hudson

Wenngleich das alles vielleicht gar nicht so verwunderlich ist: Denn ihr Vater war Pastor einer christlichen Kirche und irgendwie folgerichtig sang Katy schon als Kind in einem Gospelchor fromme Lieder. Vor allem aber veröffentlichte Katheryn Elizabeth Hudson, so Katys Geburtsname, ihren ersten Longplayer unter dem Namen Katy Hudson bei einem christlichen Plattenlabel. Dank der mehr oder weniger frommen Inhalte fand die gleichnamige CD ziemlichen Anklang in der US-amerikanischen christlichen Community, wenngleich allerdings die Verkaufserfolge überschaubar blieben.

Kurswechsel

Katy änderte ihren Künstlernamen, offiziell, um nicht mehr mit der Schauspielerin Kate Hudson verwechselt zu werden. Dem kritischen Betrachter bleibt jedoch nicht verborgen, dass Katy von da an in eine nahezu Rolle schlüpfte, die geradezu das Gegenteil der frommen und brav-biederen christlichen Sängerin ausmacht: Von nun an nämlich zeigte sich Katy vielfach eher spärlich bekleidet, veränderte aber vor allem die Inhalte ihrer Songs. Man denke nur an „I Kissed A Girl“.

Back to The Roots?

Wenn man der Sängerin Böses wollte, würde man behaupten: Mit „Woman’s World“ kehrt sie vier Jahre nach ihrem letzten Album „Smile“ ein Stückweit an die Wurzeln ihrer Sozialisation zurück. Und bezieht, wie gesagt, heftig Prügel dafür. Hauptkritik: Das Frauenbild, das Katy Perry zeichnet, sei vielleicht 2010 zeitgemäß gewesen. Für 2024 treffe das nicht mehr zu.

Kritik: Zusammenarbeit mit Dr. Luke

Heftige Kritik gibt es vor allem daran, dass Dr. Luke den Song mitgeschrieben und mitproduziert hat. Luke, bürgerlich Lukasz Gottwald, war 2014 von Kesha wegen sexueller Nötigung, Körperverletzung, sexueller Belästigung und emotionalen Missbrauchs verklagt worden. Als eine Art Kronzeugin führte Kesha zudem Katy Perry an: Auch die sei von Luke vergewaltigt worden.

Klage und Gegenklage – Kesha und Dr. Luke

Luke bestritt die Vorwürfe und reichte eine Gegenklage wegen Verleumdung ein. Kurzfassung: Alle Vorwürfe seien erfunden, damit ein Plattenvertrag, den Kesha kurz zuvor bei ihm unterschrieben habe, unwirksam würde. Als dann auch noch Katy Perry die Vergewaltigung bestritt, wies ein Richter Keshas Vorwürfe ab. 2016 war das. Vier Jahre später gab ein Gericht Luke bezüglich seiner Verleumdungsklage

Recht. Und erst im letzten Jahr einigten sich Luke und Kesha außergerichtlich.

Fazit: Keshas Vorwürfe gelten juristisch als Verleumdung, Luke wurde daher nicht verurteilt. Trotzdem erfährt er bei jeder seiner Produktionen aus einer bestimmten Ecke heftigen Gegenwind, so auch bei seiner Zusammenarbeit mit Kim Petras. Inwieweit das richtig und fair ist, muss wohl jeder für sich entscheiden.

Woman’s World

Viel Aufsehen also über einen Song. Dabei besticht der vor allem durch einen eingängigen Sound und verfügt über die Tanz-Pop-Energie, für die Katy Perrys Songs im Allgemeinen bekannt sind. Man könnte sogar sagen: „Woman’s World“ knüpft musikalisch an die großen Hits der Sängerin aus den 2000ern an. Was die Inhalte anbelangt, hilft eine Textprobe:

„Sexy, selbstbewusst, so intelligent.
Sie ist vom Himmel geschickt.
So weich, so stark,
sie ist ein Gewinner, ein Champion.
Übermenschlich, die Nummer eins,
sie ist eine Schwester, sie ist eine Mutter
Öffne deine Augen, sieh dich um und du wirst entdecken:
Du weißt, es ist die Welt einer Frau und du hast Glück, darin zu leben.“

Außerdem singt Katy Perry:

„Feuer in ihren Augen, göttlich weiblich.
Sie wurde geboren um zu glänzen.
Sie ist eine Blume, sie ist ein Dorn.“

Weiblichkeit

Mit „Woman’s World“ möchte Katy Perry nach eigenem Bekunden Themen wie Weiblichkeit, Mutterschaft und Schwesternschaft feiern. Daher ist der Song ihrer Ansicht nach ermutigend und kann dazu dienen, Menschen zu helfen, mit ihrem Leben besser zurechtzukommen.

Videoclip: Rosie The Riveter

Viel Kritik heimste der zum Song gehörende Videoclip ein. Der zeige Katy Perry übersexualisiert und damit eher aus Sicht des Patriarchats, zumindest aber aus Sicht eines überkommenden Frauenbildes. Dass Katy Perry im Clip zudem in Anlehnung an Rosie The Riveter zu sehen ist, ist – gelinde formuliert – zumindest überraschend. Denn diese Rosie ist eine Kunstfigur, die während des Zweiten Weltkriegs in einem US-amerikanischen Propagandafilm zu sehen war. Mit dem Leitspruch „We Can Do It“ symbolisierte Rosie Tausende von Frauen, die in der Rüstungsindustrie arbeiteten. Gleichzeitig sollte diese Kunstfigur dazu beitragen, den Rückhalt in der US-amerikanischen für den Krieg stärken.

Symbol werktätiger Frauen

Zur eigentlichen Kultfigur wurde Rosie allerdings erst in den 1980er Jahren: Damals erschien sie als Merchandiseartikel in Millionenauflage auf Kaffeetassen, Streichholzschachteln und in unterschiedlichsten Druckwerken und wurde zum Symbol für Frauen, die sich gegen das bis dahin vorherrschende Bild der Frau als Mutter, Haus- und Ehefrau für eine Berufstätigkeit entschieden. Wenn man so will, wurde Rosie somit zu einem feministischen Symbol werktätiger Frauen.

Schuss in den Ofen oder Satire?

Der heftigen Kritik am Video setzt Perry entgegen, dass der Clip satirisch gemeint sei. Was aber ihre Kontrahenten nicht gelten ließen: Satire wende sich gegen die gesellschaftlichen Ursachen, die für bestimmte Umstände erst schufen und dafür zu kritisieren seien. Eine Darstellung dieser Ursachen ohne Kritik sei keine Satire.

Pariser Modewoche

Überhaupt nicht satirisch, sondern sehr monetär orientiert, dürfte Katys Auftreten bei der Pariser Modewoche gedacht gewesen sein. Laut der in diesen Dingen üblicherweise gut unterrichteten Vogue trug Katy dort ein Kleid mit zwei Schleppen, deren zweite Schleppe rund 100 Meter (kein Tippfehler) lang gewesen sei. Auf ihm war der Songtext von „Woman’s World“ zu lesen.

Die mysteriöse „143“

Dass Katy Perry Album ausgerechnet den Titel „143“ trägt, reicht ebenfalls zurück in die 2000er: Die Zahlenkombination entspricht der Anzahl der Buchstaben der drei englischen Wörter „I“ (1), „love“ (4) und „you“ (3). In einer Zeit, als es in Katys Familie schwerwiegende medizinische Probleme gab, fiel ihr plötzlich die Ziffernfolge immer wieder ins Auge, nicht nur am Telefon. Wohl weil sich die Problematik positiv auflöste, ist die Ziffernfolge 143 für die Musikerin ihre persönliche Engelszahl. Allerdings spricht man vermehrt dann vom „Code 143“, wenn man in einer neuen Beziehung zu schnell seine Liebe erklärt hat.

Eigene Meinung bilden

Ob also überkommener Feminismus, veralteter Versuch eine feministische Hymne zu schreiben oder aber ermutigend – letztlich wird jede Hörerin und jeder Hörer hier seine eigene Meinung finden müssen. Ein starkes Stück Electro-Pop ist „Woman’s World“ in jedem Fall.

Katy Perry – „Woman’s World“

Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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