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Linkin Park – The Emptiness Machine

2017 verstarb Linkin Parks unvergessener Leadsänger und Frontmann Chester Bennington. Zwar gab es danach noch ein paar unveröffentlichte Songs. Als dann aber auch noch Gründungsmitglied

Neu mit Frontfrau Emily Armstrong

Rob Bourdon seine Schlagzeugstöcke in die Ecke warf, schien das Ende von Linkin Park besiegelt. Zum Glück gilt auch im Fall der Alternative Rocker aus Kalifornien: Totgesagte leben länger. Und so meldeten sich Linkin Park im letzten Monat zurück. Mit Colin Brittain am Schlagzeug und – welch faustdicke Überraschung – mit einer Frau als Nachfolgerin am Mikrofon: Emily Armstrong, Frontfrau der Hardrock-Band Dead Sara, soll Chester Bennington ersetzen. Kann das gutgehen?

In einem Interview gegenüber Billboard gab sich Gitarrist Brad Delson überzeugt: Emily verleihe dem Sound der Band eine neue Dynamik. Sie sei rau, düster und habe diese Punkrock-Kante, die glauben ließe, Emily könne entweder eine Band anführen oder aber eine Schlägerei anzetteln.

Transponieren notwendig

Multiinstrumentalist Mike Shinoda wird konkreter: Wegen der anderen Stimmlage der neuen Sängerin musste die Band bei etlichen alten Songs die Tonart ändern, manche Stücke auch neu interpretieren, damit sie auch in Zukunft live funktionieren. Songs, die man seit 20 Jahren immer wieder live gespielt hat, waren quasi neu zu lernen – gegen sein Gedächtnis anzuspielen habe bei ein paar Songs erhebliche Probleme verursacht. Immerhin: Obwohl es einen Wechsel von einem Frontmann zu einer Frontfrau gab, war bei keinem der alten Songs eine Änderung des Textes notwendig. Sie funktionieren auch so prächtig, freut sich Mike Shinoda. Und verpasst es, den Songtexten der Band mit zwinkerndem Auge und Blick auf die Genderdebatte das Prädikat „universell“ zu verleihen. Macht nichts. Das übernehmen wir an dieser Stelle für ihn.

Brückenschlag von frühen bis späten Jahren

Jetzt aber der Blick nach vorn: Denn glücklicherweise gibt es auch neues Material: Mitte November soll mit „From Zero“ das erste mit Frontfrau Emily Armstrong und das mittlerweile achte Album der Band erscheinen. „From Zero“ – ein guter Titel für einen Neustart quasi von Null an. Zusätzlich ist der Albumtitel eine Anspielung auf den Gründungsnamen der späteren Linkin Park, die 1996 als „Xero“ firmierten – übrigens auch damals (noch) ohne Chester Bennington. Eine Hommage an die frühen Jahre der Band soll das neue Album sein, so etwas wie ein Brückenschlag zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gruppe. Was im Klartext bedeutet: Der Sound, der Linkin Park zu Linkin Park macht, bleibt weitgehend erhalten. Dank neuer Stimme und verändertem Schlagzeuger aber sind neue Einflüsse nicht nur unvermeidlich, sondern auch gewollt. Eine Art Frischzellenkur also. Folglich darf man auf die runderneuerten Linkin Park gespannt sein.

Keine billige Kopie

Einen ersten Vorgeschmack, was da auf die Fans zukommt, präsentierten Linkin Park Anfang September mit einer Vorab-Single: „The Emptiness Machine“ heißt die. Erster Eindruck: Frontfrau Emily Armstrong ist alles andere als eine Kopie von Chester Bennington, verliert sich nicht in seinen Fußstapfen, sondern hinterlässt eigene – und das ist gut so. Zweiter Eindruck: Auch die neuen Linkin Park singen über existentielle Fragen, über Hoffnungen und Sehnsüchte, gebrochene Versprechen und Enttäuschungen. Dritter Eindruck: Wie früher evozieren die Lyrics viel Raum, um sich seine eigenen Gedanken zu machen.

The Emptiness Machine

Bei „The Emptiness Machine“ machen Emily Armstrong und Mike Shinoda am Mikrofon gemeinsame Sache. Sie singen:

„Ihre Klingen sind mit Präzision geschliffen.
Dein Lieblingsblickwinkel blinkt.
Ich weiß, dass du in der Ferne wartest,
so wie du es immer tust.
Du ziehst mich schon an, schon unter meiner Haut.
Und ich weiß genau, wie das endet:
Ich ließ dich mich aufschneiden, nur um mich bluten zu sehen,
gab auf, wer ich bin, für das, was du von mir wolltest.
Ich weiß nicht, warum ich auf etwas hoffe, was ich nicht bekommen werde.
Ich falle auf das Versprechen der Nichtigkeiten-Maschine herein.“

Ungeheure Intensität

Den Beginn des Songs trägt Mike Shinoda in der für ihn typischen Mischung aus Rap und Gesang vor. Dann steigt Emily Armstrong ein, krächzt, schreit und verhilft dem Song spätestens ab dem Refrain zu einer ungeheuren

Intensität. Die wird nur noch dadurch gesteigert, dass bis zum Ende des Songs beide Sänger ihre Verletzlichkeit mit tiefer Inbrunst „hinausbrüllen“ – ganz passend zum fast schon martialischen Text.

Enttäuschungen wegen leerer Versprechen

Wieder einmal holen Linkin Park viele ihrer Hörerinnen und Hörer bei deren eigenen Erfahrungen ab: dass manche Menschen leichtfertig Versprechungen machen, diese dann aber nicht einhalten, hat wahrscheinlich jeder schon einmal erfahren. Bei Betroffenen löst so etwas Enttäuschungen und Verletzungen aus. Schrittweise wächst die Angst, bei neuen Versprechungen wieder enttäuscht zu werden. Wer sich davor schützen will, wird zwangsläufig immer vorsichtiger und verschließt sich immer mehr, vertraut immer weniger. Leere, gebrochene Versprechungen führen zur Leere der Betroffenen – ein Kreislauf, aus dem es schwerfällt, wieder auszubrechen.

Reinfallen leicht gemacht

Die Gründe für die Leichtgläubigkeit sind vielfältig. Eine Möglichkeit: Von klein auf sind viele Menschen auf ein Größer, Höher, Weiter und Besser konditioniert. Der Drang aber, nach oben, an die Spitze zu gelangen, zu den Großen und Wichtigen der Welt zu gehören, vielleicht auch nur der eigenen kleinen Welt, macht oft blind für die Realität und lässt leichtfertig zum Opfer von leeren Versprechungen werden. Fast schon entschuldigend heißt es in „The Emptiness Machine“:

„Ich wollte nur Teil von etwas sein, Teil von etwas.“

Dilemma

Für Linkin Park führt dieses blinde Vorwärtsstreben aber in eine aussichtslose Situation:

„Ich gehe herum wie ein Revolver.
Es ist entschieden worden, wie wir verlieren.“

Eine unglaublich starke Metapher: Denn egal in welche Richtung man die gefüllte Trommel eines Revolvers dreht, bevor man abdrückt – das Ergebnis ist dasselbe.

Gebrochene Versprechen lassen Beziehungen toxisch werden und Freundschaften zerbrechen, enttäuschte berechtigte Hoffnungen am Arbeitsplatz führen oftmals zu Leere und Desinteresse. Endstation ist oft genug eine beeinträchtigte psychische Gesundheit, ein schleichender Identitätsverlust.

Wortschöpfung

Mit „The Emptiness Machine“ schaffen Linkin Park einen neuen, ungewöhnlichen Begriff, für den es auch im Deutschen keine direkte Entsprechung gibt: Maschine der Leere, sich wiederholende Leerformeln, hohle Phrasen, Nichtigkeiten, Leerformeln, schnell Dahingesagtes ohne Bedeutung – es gibt viele Möglichkeiten, diesen Begriff zu füllen. Genau hier liegt die Chance, die der Song eröffnet: darüber nachzudenken, wo jemand selbst Opfer einer „Emptiness Machine“ wird.

Fortsetzung von „Numb“?

Dabei kann man entdecken: Die Hoffnung auf andere Menschen oder ihre Versprechungen führen meistens nicht zu einem glücklichen, sinnvollen Leben. Viel hilfreicher ist es, nach der eigenen Identität zu suchen und sich auf das zu konzentrieren, was tatsächlich Freude, Weiterentwicklung und damit Zufriedenheit bringt. Und hier schließt sich der Kreis: Denn diese Erkenntnis haben Linkin Park schon 2003 in ihrer Single „Numb“ formuliert. Da singt Chester Bennington:

„Ich bin es leid, das zu sein,
was du willst, dass ich bin.
Ich fühle mich so treulos,
verloren unter der Oberfläche.“

Vor über 20 Jahren sangen Linkin Park gegen falsche Rollenerwartungen und Identitätsverlust. Auch die neuformierte Band beschwört die Suche nach dem wahren Ich, Sinn im Leben und damit verbunden Zufriedenheit und Glück.

Linkin Park – „The Emptiness Machine“

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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