Kinks, The – Lola
Manche Musikkritiker halten das Jahr 1970 für das aufregendste der Musikgeschichte. Und zwar wegen seiner LP-Cover: Durch die Luft schwebte damals ein brennender „Led“ Zeppelin, eine dunkle, nackte Schönheit räkelte sich von Flickenteppichen auf Santanas „Abraxas“, Uriah Heep spielten mit Mumiengesicht und Spinnweben auf ihrer Debüt-LP den Kinderschreck. Black Sabbath ließen eine schwindsüchtige Schönheit durch einen verwilderten Garten tapsen und Deep Purple versetzten statt amerikanischer Präsidenten die Köpfe der Bandmitglieder in Stein gemeißelt in den Mount Rushmore. Und zu alledem drehte die Kuh auf dem Cover von Pink Floyds „Atom Heart Mother“ nur müde den Kopf. Großartig!
Ach ja, die britischen Kinks sorgten für einen kleinen, aber feinen Skandal: „Lola“ schilderte die Beziehung eines Transvestiten zu einem Hetero-Mann und landete prompt auf dem Index. Der Inhalt galt damals als anstößig. Nur war der Grund für das Sendeverbot bei BBC ein anderer. Im Song heißt es nämlich: „…where you drink champagne and it tastes just like C o c a -Cola—„. „Schleichwerbung“, schimpften die BBC-Oberen. Und deshalb änderte die Band für die Singleversion den Text: Aus „Coca-Cola“ wurde „Cherry-Cola“ – denn die gab´s damals noch nicht.
Dabei war „Lola“ nur einer von vielen verschrobenen Gestalten in den Texten der Band. Viele drehten sich um skurile Menschen, über die man auf den ersten Blick lächeln möchte, die aber nur Abbilder der Gesellschaft sind: Opfer von Kriminellen, streitende Eheleute, hoffnungslose Träumer. Ein kaum bekannter Glanzpunkt dieser Zeit ist der Song „Babies“: Aus dem Bauch einer werdenden Mutter schildert Sänger Ray Davis als ungeborenes Menschlein seine Sorgen über das Leben in dieser Welt.
Voller Gesellschaftskritik sind die Songs der Kinks – und obwohl sie nie wirklich religiöse Songs schrieben, agierten sie ihn ihren Songs ähnlich wie Jesus von Nazareth: Der kümmerte sich nämlich auch um die Randgruppen der Gesellschaft, um diejenigen, die durch das soziale Netz gefallen waren: die Ausgestoßenen, die Prostituierten, die Underdogs der Gesellschaft. Und wer weiß, vielleicht würde dieser Jesus heute mit der Titelfigur des Kinks-Songs „Gastmahl halten“, wie die Bibel so schön schreibt. Ein reizvoller Gedanke? Zumindest einer, der von Respekt spricht, auch davon, dass Jesus sich allen Menschen zuwandte – erst Recht denen, die von ihren Zeitgenossen verachtet wurden.
Ach ja, fast hätte ich das vergessen: Vor zwei Jahren kam der Kinks-Klassiker „Lola“ zu neuen Ehren: als Werbespot nämlich für … Coca-Cola.
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