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Green, Peter – Slabo Day

Seit rund 50 Jahren präsentieren Fleetwood Mac eingängige, geschmackvoll arrangierte Pop und Poprock-Titel. Doch das war nicht immer so. Denn ursprünglich war die Band eine reine Bluesband. Was nun nicht weiter verwundert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass 1967 zwei der Gründungsmitglieder von den Bluesbreakers stammten – jener legendären Band also, in der Eric Clapton den Grundstein für den späteren Titel „Gitarrengott“ legte und in der John Mayall so etwas wie der „Godfather des Blues“ die Zügel in der Hand hielt.

Namensänderung

Hier spielten also auch Mick Fleetwood und ein gewisser Peter Allen Greenbaum. Letzter wurde schon in Kindertagen wegen seiner jüdischen Herkunft gehänselt und änderte bereits als Fünfjähriger seinen Namen zu Peter Green. Die gemeinsame Band der beiden nahm die Namen der beiden Gründungsmitglieder auf: Peter Green’s Fleetwood Mac.

Hits durch andere Interpreten

Man Of The World“, später gecovert von Eric Clapton und Midge Ure, und „Oh Well“, übernommen von Deep Purple, Tom Petty, den Eels, John Parr, Big Country, sowie Ex-Led Zeppelin Jimmy Page gemeinsam mit den Black Crowes und vielen anderen Musikern dürfte der meistgecoverte Song der jungen Band sein. Mit dem Titel „Black Magic Woman“ waren zwar auch Peter Green’s Fleetwood Mac“ erfolgreich. Aber erst Santana brachten den Song als Singleauskoppelung von ihrem 1970er Album „Abraxas“ auf Platz vier der US-Charts. Dass Peter Green und Co ausgerechnet mit dem verspielten Instrumental „Albatross“ 1968 ihren ersten Nummer-Eins-Hit landeten, steht auf einem anderen Blatt.

Symbolträchtig: The Green Manalishi (With the Two Prong Crown)

Genauso wie 1970 der wohl letzte Song, den Peter Green mit der von ihm gegründeten Band aufnahm: „The Green Manalishi (With the Two Prong Crown)“: Green stand immer stärker unter dem Einfluss von Drogen, vornehmlich LSD, was zu einer schrittweisen Entfremdung zu seine Bandkollegen führte. „The Green Manalishi“ basiert auf einem Traum, in dem Green von einem grünen Hund aus dem Jenseits aufgesucht und angebellt wird. Im Traum ist sich Green bewusst, dass der Hund lange tot ist, er sich aber um ihn kümmern musste… bis er schließlich erkannte, dass der Hund ein Symbol für Geld war. Geld, das Green später nahezu verteufelte und für alles Negative in der Welt verantwortlich machte. „The Green Manalishi (With the Two Prong Crown)“ ist in der Singleversion rund 4 1/2 Minuten lang – spätestens eine etwa 16 Minuten lange Live-Version lässt die Einordnung in die Kategorie „Psychedlic“ als nachvollziehbar erscheinen. Eine weitere Version, in der Green am Ende durch ein unheimliches Heulen den Höllenhund nachzuahmen versucht, tut ihr übriges, um dem Song sowie seinem Schöpfer Kultstatus zu verleihen.

Rausch und Religion

Das Jahr 1970 ist der erste Wendepunkt in der Karriere von Peter Green: Immer weniger kam er mit seiner Berühmtheit zurecht. Immer mehr machte er sich auf die Suche nach einem tieferen Sinn in seinem Leben. So trat er 1970 mit einem riesigen Kruzifix und in weißen Kutten auf und suchte mit LSD und Meskalin nach Erleuchtung. Als die Band, mittlerweile unter dem eingekürzten Namen Fleetwood Mac, im März 1970 in München auftrat, machte Green die Bekanntschaft mit den „1968er Kommunarden“ Uschi Obermaier und Rainer Langhans. Hartnäckig hält sich die Legende, dass sich Green im Schloss der Kommune in der Nähe von Landshut auf einen LSD-Trip begab, der seine Psyche bleibend veränderte, ihn zu einem anderen Menschen machte. Überliefert ist das Green-Zitat „I went on a trip, and never came back.“

Wegen Greens massiven Drogenkonsums hatte es schon seit längerer Zeit Spannungen mit den Restmitgliedern der Band gegeben. Hinzu kam, dass Green – s.o. „The Green Manilishi“ – sämtliche Bandgewinne an Wohltätigkeitsorganisationen spenden wollte. Außerdem forderte er eine neue Ausrichtung der Band: Schwerpunkt sollten lange Jam-Sessions und Improvisationen sein – ein zweites Mal als s.o. „The Green Manilishi“.

Kein Schmusebäckchenpop

Dass dies weder dem „gedeihlichen Miteinander“, noch der künstlerischen Weiterentwicklung förderlich war, versteht sich nahezu von selbst. Also war Schluss mit lustig: Green verließ Fleetwood Mac, nahm mit dem fast schon programmatisch wirkenden Titel „The End Of The Game“ im von ihm angestrebten Stil auf und war damit weitaus weniger erfolgreich als erhofft. Währenddessen startete Mick Fleetwood mit John und Christine McVie, Lindsay Buckingham und Stevie Nicks durch, landete dank dauernder Zwistigkeiten immer wieder in den Schlagzeilen der Regenbogenpresse, weitaus wichtiger aber mit „Schmusebäckchenpop“ (Rolling Stone) immer wieder in den Hitlisten.

Einsamkeit, War On Want, Klinik

Peter Green zog sich komplett aus dem Musikbusiness zurück. Ob Green tatsächlich zu Beginn der 1970er Jahre zeitweilig in einem israelischen Kibbuz gelebt hat, ist nicht wirklich belegt. Allerdings versackte er mehr und mehr im Drogensumpf, pflegte nach eigenen Angaben einen bescheidenen Lebensstil. Tatsächlich arbeitete er sogar zeitweilig als Totengräber, um sich über Wasser zu halten. Denn Green hatte den größten Teil seiner Tantiemen an Wohltätigkeitsorganisationen gespendet, vor allem an „War On Want“. Deren Bekenntnis, sinngemäß „Armut hat, wo immer auf der Welt, politische Ursachen“, traf die Einschätzung des Musikers, der Geld schlichtweg für schlecht hielt – und damit ein drittes Mal s.o. „The Green Manilishi“. Überliefert ist, dass Green angeblich einen Manager mit einer Schusswaffe bedroht (oder zumindest telefonisch mit dem Gebrauch der Waffe gedroht) hatte, weil der ausstehende Tantiemen an Green anstatt an „War On Want“ überwiesen haben soll. Als Folge dieses „Ausrasters“ wurde Green, mittlerweile psychisch ein Wrack, für mehrere Monate in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Das Comeback: In The Skies

Langjährige Freunde konnten Peter Green zu einem musikalischen Comeback überreden. Nur hier sahen sie eine Chance, dass sich Green „von den Geistern lösen“, „seine Seele reinigen“ und „die Kleider seiner alten Garderobe wechseln“ könnte, weil sie ihm „nicht mehr passen“, wie Green selbst 20 Jahre später im „Downsize Blues“ seiner Peter Green Splinter Group bekannte. 1979 aber erschien nahezu das Album „In The Skies“ und wurde wie aus dem Nichts 1979 zu einem großen Erfolg.

Slabo Day: Was nur bedeutet Slabo?

Der vielleicht eindrucksvollste Song: das Instrumental „Slabo Day“. Weil Peter Green bei den Aufnahmen immer noch ziemlich angeschlagen war, sprang Freund und Kollege Snowy White ein und spielte die ins Ohr gehenden Lead-Phrasen des Songs. Durch sie wird der Song so etwas wie das Kernthema des gesamten Albums. Allein der Songtitel gibt Rätsel auf: Als in den 1980er Jahren in deutschen Verwaltungen die Öffnungszeiten zumindest am Donnerstag verlängert wurden, bekam der bei den dort Arbeitenden schnell den Spitznamen „SchlaDo“: Scheiß langer Donnerstag. Auch „Slabo“ könnte solch ein Kunstwort sein, das sich aus den Wörtern „So“ und „laboured“ zusammensetzt. Im Englischen wird der Landarbeiter, der als Tagelöhner ohne feste Anstellung in der Regel als Erntearbeiter tätig ist, als „day labourer“ bezeichnet. Dieser Teilzeit- oder Gelegenheitsarbeiter weiß in der Regel nicht, wo und womit er in den nächsten Tagen sein Geld für den Lebensunterhalt verdienen wird. „So laboured day“ lässt sich folglich als „beschwerlicher Tag“, vielleicht sogar als „schwieriges Leben“ deuten. Was immerhin mit mehreren osteuropäischen Sprachen korrespondiert, in denen „slabo“ so viel wie „schlecht“ bedeutet.

Immer wieder Religion

Am besten verständlich wird „Slabo Day“ jedoch im Kontext weiterer Songs des Albums: „Seven Stars“ lässt Greens jüdisch-christliche Wurzeln aufschimmern: Die Zahl Sieben spielt mit alt-israelitischer Zahlensymbolik, nach der die Vier für die Welt, die Drei für Gott steht, die Sieben also für „Gott und die Welt“ (vgl. Sieben-Tage-Schema der Woche). Das „Buch mit den sieben Siegeln“, „sieben Leuchter“, „sieben Lampen“ und vieles mehr korrespondieren mit dem biblischen Buch der Offenbarung des Johannes. Kurzfassung: Nach einem schrecklichen Untergangsszenario wird Gott ein 1000jähriges Reich (ja, genau hier haben die Nationalsozialisten diesen Gedanken entlehnt) des Friedens und der Glückseligkeit erreichten. Oder anders formuliert: Hoffnung für alle! Auch für die, die bisher in ihrem Leben gescheitert sind.

Nie wieder ein Narr!

In „A Fool No More“ schließt Green mit seinem bisherigen Leben ab: Er hat das Ausprobieren und Herumirren satt, scheint endlich das gefunden zu haben, was er sucht. Was das ist, verdeutlicht der letzte Song des Albums. Der heißt schlicht „Apostle“. Und ein Apostel ist bekanntlich derjenige, der sich von Jesus Christus mit der Verkündigung der frohmachenden Botschaft beauftragt sieht.
Schon zu Lebzeiten veröffentlichte niemand anderes als Gary Moore seinen Longplayer „Blues For Greeny“. Damit verbeugte sich damit fast schon ehrfürchtig vor Peter Green. Der starb vor knapp drei Jahren. Und hinterlässt einen umfangreichen Songkatalog, darunter eben sein Comeback-Album „In The Skies“. Von diesem Album: Peter Green und „Slabo Days“.

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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