Dylan, Bob – Forever Young
Die Beatles waren die ersten – das war 1966. Danach folgten (in freier Reihung) Acts wie Deep Purple, Eric Clapton, Ozzy Osbourne, Judas Priest, Kiss, Bryan Adams und viele mehr, darunter sogar ABBA. Sie alle und viele andere waren stolz darauf,
Nippon Budokan
in einer Halle auftreten zu dürfen, die ursprünglich für die Olympischen Sommerspiele 1964 für die Austragung der Judowettbewerbe erbaut worden war: Mitten im Zentrum von Tokio, im Kitanomaru Park, ganz in der Nähe des Kaiserpalastes und einer wichtigen Totengedenkstätte, dem Yakusuni Schrein, liegt das Nippon Budokan. Fast 15.000 Zuschauer fasst diese Indoor-Arena. Hier spielte Bob Dylan 1978 zum Auftakt seiner einjährigen Welttournee acht seiner insgesamt elf Japan-Konzerte.
zögerliche Veröffentlichung
Das Album „Bob Dylan Live At Budokan“ erschien noch im selben Jahr, allerdings nur in Japan. Etwas zögerlich erfolgte auch eine Veröffentlichung in Neuseeland und Australien. Dann war erst einmal Schluss. Denn das Album fing sich böse Kritiken ein: glatt und steril sei es und eine Anbiederung an den Zeitgeist. Für den US-amerikanischen Autor Jimmy Guterman war der Budokan-Mitschnitt sogar „eines der schlimmsten Alben in der Geschichte der Rockmusik“. Und das alles nur, weil Dylan sich von den Originalversionen befreite, wie Rolling Stone-Autorin Janet Maslin seinerzeit urteilte.
Den Fans in Europa und den USA waren die schlechten Kritiken ziemlich schnuppe. Sie liebten das Album und importierten die Pressungen aus Japan, Neuseeland und Australien. Und das so häufig, dass sich Columbia Records genötigt sah, Dylans Budokan-Album mit einem Jahr Verspätung auch im Rest der Welt zu veröffentlichen.
Endlich: The Complete Budokan 1978
Jetzt, sagenhafte 45 Jahre nach den Aufnahmen, ist das erneut geschehen. Frei nach dem Motto „aus 22 mach 58“ gibt es jetzt die kompletten Fassungen der damals mitgeschnittenen zwei Konzerte in der Nippon Budokan Hall: „The Complete Budokan 1978“ ist mit allen zur Verfügung stehenden modernen Mitteln technisch brillant bearbeitet und von den 24 Kanalbändern komplett neu abgemischt, so dass sich ein fantastischer Höreindruck einstellt.
Ziemlich viel Kohle für ziemlich beste Mucke
Der eine oder andere mag monieren, dass das Album letztlich nichts anderes ist, als ein in Tokio mitgeschnittenes „Best Of“-Album von Dylan-Klassikern ist, das Columbia nun passend zur Weihnachtszeit – ein Schwein, wer Böses dabei denkt – auf den Markt wirft. Und in der Tat: Wer vier CDs und ein Buch sein Eigen nennen will, muss mit über 150 € schon ziemlich tief in die Tasche greifen. Diejenigen, bei denen Geld eh keine Rolle spielt, können aber gleich den passenden Japan-Import erwerben. Dafür werden dann mehr als 450 Euronen fällig!
Wie auch immer: Dylan Fans jubeln, dass mit „The Complete Budokan 1978“ „der Meister“, endlich zu den Ehren kommt, die er verdient. Und dass vor allem sie nun endlich in den Genuss der gesamten Konzertmitschnitte aus jener legendären Halle kommen. Und damit in den Genuss aller im Vergleich zu den Originalen teilweise wirklich radikal veränderter Songs.
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Jedes Konzert anders
Worüber sich heute allerdings kein Mensch mehr den Kopf zerbricht. Denn seit Jahrzehnten sind Dylan-Konzerte immer mal wieder so etwas wie eine Wundertüte: Man weiß nie, was man bekommt. Mal spielt „der Meister“ seine Songs hart an den Originalen, manchmal rätseln sogar eingefleischte Dylaniasten, welchen Song denn „His Bobness“ da gerade zum Besten gibt. Fast scheint es so, als sei Dylan nie ganz mit dem jeweiligen Status Quo eines Songs zufrieden und müsse noch einmal Hand anlegen und „nachschärfen“.
Planet Waves: gleich zweimal Forever Young
Dass dies nicht nur bei Live-Interpretationen gilt, sondern auch bei Studio-Aufnahmen, zeigt Dylans 14. Album „Planet Waves“. Auf dem 1974 erschienenen Album beendete er die A-Seite mit demselben Song, mit dem er die B-Seite begann. Und doch waren es zwei völlig unterschiedliche Fassungen. Denn „Forever Young“, ursprünglich eingespielt wie ein Schlaflied für einen seiner Söhne, kam zuerst aufs Album; danach spielte Dylan eine rockigere Version ein, die die B-Seite von „Planet Waves“ eröffnet.
Unzufriedener Dylan
Ganz nebenbei bemerkt: Die Erstfassung wurde von allen Beteiligten als ungemein kraftvoll und überwältigend empfunden. Regelrecht erschrocken war die Crew, als Dylan mitteilte, dass er dieses Stück nicht für das Album verwenden werde. Er trage dieses Lied fünf Jahre in seinem Kopf herum, habe es nie aufgeschrieben und könne sich jetzt, wo er es aufnehmen solle, einfach nicht entscheiden, wie er es machen wolle, so Dylan sinngemäß zu diesem Song. Glücklicherweise kam man auf die Idee, dann eben beide sehr unterschiedlichen Fassungen für dasselbe Album zu verwenden.
Und auch das nebenbei: Als Columbia sich 1979 entschloss, das ursprüngliche „Live At Budokan“ dann doch weltweit zu vertreiben, war es ausgerechnet „Forever Young“, das als Budokan-Mitschnitt und damit als Appetithappen als Single ausgekoppelt wurde – wieder eine ziemlich andere Version.
Forever Young
Was bei allen genannten Versionen gleich bleibt, ist der Text:
„Möge Gott dich immer segnen und behüten.
Mögen alle deine Wünsche in Erfüllung gehen.
Mögen du jederzeit alles für andere tun
und mögen sie alles für dich tun.
Mögest du eine Leiter zu den Sternen bauen
und Sprosse um Sprosse emporklettern.
Mögest du erwachsen werden, um gerecht zu sein.
Mögest du erwachsen werden, um aufrichtig zu sein.
Mögest du immer die Wahrheit kennen
und die Lichter sehen, die dich umgeben!“
Segensgebet aus der Bibel
Vielleicht etwas sentimental, so dass nachvollziehbar ist, warum Dylan als Ausgleich unbedingt auch eine rockigere Version aufnehmen wollte. Aber großartige Worte, wie sie eben nur von einem Literaturnobelpreisträger stammen können. Ja, aber… Ganz einfach erfunden hat Dylan den Text nicht. Er lehnt sich an einen uralten Text aus der Bibel an, genauer: aus dem vierten Buch (Numeri) in der Bibel, in dem es heißt:
„Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.
Der Herr wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Heil.“ (Num 6,24ff)
Segenswünsche für das Kind
Was in der Bibel ein Segensgebet für ein ganzes Volk ist, wird bei Bob Dylan zum Segenswunsch eines Vaters für sein Kind. Theologisch betrachtet ist das allerdings so ziemlich dasselbe: Denn nach Vorstellungen des Glaubens sind alle Menschen Kinder Gottes.
Auch wenn Dylan noch ein paar weitere Eigenschaften aufzählt – mehr kann man als Vater seinem Kind kaum wünschen: dass es Erfolg im Leben, Glück und Mut habe, dass es ehrlich, großzügig und freundlich sei, für andere Menschen da sei und sich auf andere verlassen könne; kurz: ein anständiger Mensch werde. Oder wie Dylan formuliert:
Forever Young
„Mögest du für immer jung bleiben.“
Dabei geht es Dylan kaum um das Alter im rein biologischen Sinn. Dylans Intention käme durch eine freiere Übersetzung besser zum Ausdruck:
„Mögest du dir immer einen jugendlichen Geist bewahren.“
Denn das zunehmende Alter verändert viele Menschen, macht sie hart und hartherzig, egoistisch und oft genug auch unmenschlich. Und genau davor möchte Dylan seine Kinder bewahren.
Sogar als Kinderbuch
Und am besten nicht nur die, sondern alle Kinder dieser Welt. Das ist wohl einer der Gründe, warum es „Forever Young“ auch als Kinderbuch gibt: Mit kindgerechten Illustrationen versehen enthält es Verweise auf Bob Dylans Leben, die immer wieder sozialen und politischen Gegebenheiten gegenübergestellt werden.
„Mögen deine Hände immer beschäftigt sein.
Mögen deine Füße immer schnell sein.
Mögest du ein starkes Fundament haben,
wenn sich der Wind der Veränderungen dreht.
Möge dein Herz immer fröhlich sein.
Möge dein Lied immer gesungen werden
und mögest du dir deine jugendliche Lebenseinstellung bewahren.“
Nicht nur Segenswünsche für Kinder, sondern auch ein paar schöne Wünsche für die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit.
Bob Dylan – Forever Young
Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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