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Wer wird der nächste Fußballgott? Morgen Start der neuen Bundesligasaison (12. August)

Jetzt geht es wieder los! Morgen, endlich, startet die neue Saison der Ersten Fußballbundesliga. Wird es die zehnte Meisterschaft für die Bayern in Serie? So sehr ich es ihnen gönne: Spannender wäre es, wenn die Dominanz der Bayern gebrochen würde. Das könnte die Bundesliga wieder etwas spannender machen. Zumal die wahre Erste Liga nach Meinung einiger Experten mittlerweile ohnehin die Zweite Bundesliga ist:

Spannende zweite Liga

HSV, Nürnberg, Schalke, Bremen, Hannover, Düsseldorf, Dresden, Rostock, dazu Karlsruhe, St. Pauli, Paderborn, Ingolstadt und Darmstadt (Habe ich eine Mannschaft übersehen? Hoffentlich nicht!) – sie haben alle schon einmal erstklassig gespielt. Und sind seit zwei Wochen, etwas überdeckt von den Olympischen Spielen in Japan, schon wieder ganz gut unterwegs. Für viele konzentriert sich die entscheidende Frage weniger darauf, wer Deutscher Fußballmeister wird, sondern mehr darauf, wer mit wem in Liga eins und zwei am Ende die Plätze tauscht. Aufstieg und Abstieg – interessanter als die Meisterschaft? Wer weiß.

Wer wird der neue Fußballgott?

Spannend auch die Frage, wer wohl der nächste Superstar der Liga wird. Ein neuer Fußballgott. Einer, der die würdige Nachfolge unserer größten Fußballhelden antreten könnte. Zum ersten Fußballgott der Geschichte wurde 1954 Torhüter Toni Turek. Der hielt den Ball gegen die sieggewohnten Ungarn so oft fest, dass der völlig ausflippende Radioreporter Herbert Antoine Arthur Zimmermann – so viel Zeit muss sein – „den Toni“ zum ersten Fußballgott der Geschichte ernannte. Schließlich war „Toni, der Teufelskerl“ unmittelbar am Wunder von Bern beteiligt. Der nächste Fußballgott war Jürgen Kohler. Und auch Mario Götze kann durch sein Siegtor bei der Fußball-WM in Brasilien als Fußballgott durchgehen. In Frankfurt wurde dann Alex Meier der nächste. Alles lange her. Aber nach wie vor gilt: Wann immer Fußballer etwas Sensationelles leisten, und sei es nur für einen Moment, werden sie schnell zum Fußballgott. Irgendwie schade, dass ein Fritz Walter oder Uwe Seeler nie diesen Ehrentitel erhielten.

Rudi Assauer 2001: Kein Glaube mehr an den Fußballgott

Fußballgott – gelegentlich erhält das Wort eine völlig andere Bedeutung: Der längst verstorbene frühere Schalker Manager Rudi Assauer hatte mit diesem Wort weniger einen überragenden Spieler im Sinn. Er assoziierte tatsächlich einen allmächtigen Fußballgott irgendwo im Himmel: Er glaube nicht mehr an den Fußballgott, sagte Assauer 2001. Soeben hatten die Schalker in letzter Sekunde, ach was, in einer unendlich langen Nachspielzeit und nach einer umstrittenen Freistoßentscheidung die Deutsche Meisterschaft doch noch an die Bayern verloren. Da kann man schon mal mit dem Schicksal, mit dem Fußballgott hadern. Mit Markus Merk, der seinerzeit den umstrittenen Freistoß pfiff, sowieso. Erst recht mit Patrick Anderson, der den Ball irgendwie im Netz des HSV unterbrachte in der gefühlt 220. Spielminute – zu einem Zeitpunkt, als sich auf dem Rasen des Schalker Parkstadions schon tumultartige Freudenfeiern abspielten. Irgendwie kann man den Eindruck gewinnen, als habe sich Schalke von dieser Verschwörung höherer Mächte bis heute nicht erholt.

Stoßgebete

Aber abgesehen davon: Der Fußball hat längst die Sprache der Religion übernommen – und für viele auch deren Funktion. Das Bekreuzigen der Spieler beim Betreten des Platzes und ihr flehentlicher oder dankbarer Blick zum Himmel – das sind echte Frömmigkeitsformeln, in vielen Fällen Stoßgebete. Frei nach dem Motto: „Du da oben, pass bitte auf mich auf, sodass ich mir keine schlimme Verletzung zuziehe!“ Oder: „Mensch, Chef,

danke für die Fähigkeiten, die du mir geschenkt hast und durch die ich gerade ein Tor geschossen habe.“ Oder verhindert, je nach dem.

Gemeinschaftserlebnisse

Vor allem Fans erleben im Fußball das, was früher die Kirchen transportierten: ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl. Ich fühle: Hier bin ich richtig, hier kann ich sein, wie ich bin und wie ich mich fühle. Hier sprechen alle dieselbe Sprache, auch, wenn sie zum Beispiel denselben Spieler „ihres Vereins“ als Fußballgott bezeichnen. Die Fanchoreographien und das Zelebrieren der Hymnen, dieselben Lieder, dieselben Schlachtrufe gemeinsam mit den anderen Fans, auch dieselben Schmähgesänge gegen den Gegner, aber immer mit der eigenen Mannschaft auf Tuchfühlung. Das enge Beieinander von Freud und Leid, Trauer und Triumph – für Fans ist das der Höhepunkt, auf den sie Woche für Woche hinfiebern. Das alles verbindet. Kein Wunder, dass sich beim alles entscheidenden Tor wildfremde Menschen in die Arme fallen. Durch dasselbe Trikot, dieselbe Liebe, auch durch dieselbe Trauer werden alle Schranken der Fremdheit überwunden.

Fußball ist unser Leben = WIR sind Weltmeister

Kein Wunder auch, dass Experten schon lange vom Fußball als Religionsersatz sprechen. Im Fußball finden heutige Menschen das, was Menschen vergangener Zeiten in den Gottesdiensten, im Gemeindeleben, in der Religion suchten und fanden. So etwas wie Halt? Ganz sicher! Und ein sinnerfülltes Leben? Ja, auch. „Fußball ist unser Leben“ – vor fast 50 Jahren sangen das die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft. Und zeigten, dass der Glaube tatsächlich Berge versetzen kann. Denn mit diesem Lied im Rücken wurden „WIR“ ein Jahr später Weltmeister.

Wo dein Schatz ist, …

Die Kirchen mögen es beklagen, aber letztlich ist das alles sogar sehr, sehr biblisch: Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz, heißt es im Matthäus-Evangelium. Und der Schatz von Fans ist nun einmal ihr Verein. Je mehr sich in den nächsten Monaten die Stadien hoffentlich wieder füllen dürfen, umso stärker wird man merken: Fußball vor dem Fernseher ist nur ein unzureichender Ersatz für das, was „wahre Fans“ in den Stadien erleben. Die Fans wissen das jetzt schon. Und fiebern der neuen Saison dementsprechend entgegen. Fußball ist ihr Leben. Ja, was denn sonst?

Kuhhandel: Gebete gegen Tore?

Um noch einen Moment bei der Bibel zu bleiben: Zu einem Fußballgott im Sinne Rudi Assauers zu beten, ist unsinnig. Der käme ganz schön ins Schleudern, wenn in zwei aufeinandertreffenden Mannschaften Spieler um seine Unterstützung bitten würden. Wen soll er denn nun unterstützen? Der, der mit der größten Hingabe betet? Als ob der liebe Gott nichts anderes zu tun hätte, als tagaus, tagein Hunderte, wenn nicht Tausende von Fußballspielen auf der Welt zu unterstützen. Von Handball, Eishockey und vielen anderen Sportarten ganz zu schweigen. Nee, hier den lieben Gott buchstäblich ins Spiel zu bringen, ist dann doch vielleicht etwas viel verlangt.
Abgesehen davon: Das Ganze hätte etwas von einem Kuhhandel, wie ihn die Pharisäer betrieben, die – zumindest dem Evangelisten Matthäus zufolge – von Jesus dafür heftig attackiert wurden: Ich bete – und du sorgst dafür, dass ich Tore schieße? So funktioniert das nicht. Für den Ausgang eines Spiels ist nicht der liebe Gott zuständig. Da gilt die alte Fußballweisheit: Entscheidend ist auf dem Platz! Und eben nicht im Himmel!

Kluger Rummenigge

Karl-Heinz Rummenigge hat diese Problematik einmal sehr schön beschrieben: Wer als Christ um die Liebe Gottes wisse, wer auf sie vertraue und an sie glaube, binde sich an keine Götter. Womit der Kalle indirekt auch angesprochen hat, von welchem Punkt an die Rede von einem Fußballgott sogar gefährlich wird: wenn nämlich alles andere als der Fußball auf der Welt nichts mehr bedeutet. Dann gleitet das Fan-Sein in eine Art Weltverlust ab, in eine Abhängigkeit. Und dann wird auch die spaßige Formulierung vom Fußballgott plötzlich etwas sehr Ernstes, ja sogar etwas Gefährliches. Etwas, was noch nicht einmal bei Rudi Assauer vorhanden war.

Mögen die Spiele beginnen

Selbst wenn Fußballgötter kommen und gehen, selbst wenn jeder weiß, dass ein begnadeter Fußballer alles andere ist als ein Gott – morgen geht es wieder los. Endlich! Morgen eröffnen die Bayern die neue Saison. Ausgerechnet in Mönchengladbach. Zumindest gefühlt gelang es gerade immer mal den Gladbachern, den einstigen Rivalen und mittlerweile enteilten Giganten aus München ein Bein zu stellen. Mit Blick auf eine spannende Saison wäre das gar nicht so übel. Aber um den alten Herberger-Spruch einmal umzutexten: Eine Saison dauert 34 Spieltage! Spätestens dann werden wir wissen, ob die Bayern zum zehnten Mal hintereinander die Deutsche Meisterschaft gewonnen haben. Bis dahin hoffe ich auf spannende, verbindende und vor allem friedliche Spiele. Und wenn wir alle zwischendrin die Geburt eines neuen Fußballgottes erleben sollten – ich hätte nichts dagegen. In diesem Sinne: Mögen die Spiele beginnen. Morgen!

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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