Todesstrafe in den USA (13. März)
Heute vor zwei Monaten, am 13. Januar 2021, ließ die US-Bundesjustiz die Todesstrafe vollstrecken – zum ersten Mal nach rund 70 Jahren wieder an einer Frau. Die Art und Weise, mit der Donald Trump kurz vor Ende seiner Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika die Durchführung der Todesstrafe nach Bundesrecht forcierte, hat auch bei uns für Schlagzeilen gesorgt. Denn nichts ist so endgültig, so unumkehrbar wie der Verlust des Lebens. Ausgesprochen wird die Verurteilung zum Tod in den USA bei
Kapitalverbrechen. Dazu gehören Entführung und Geiselnahme mit Todesfolge, aber auch Hochverrat und Spionage. Dass so genannte radikale und totalitäre Regime die Todesstrafe vollstrecken, ist allseits bekannt. Dass sich aber ein demokratisches Land wie die USA mit diesen Ländern auf eine Stufe stellt, hat schon einen besonderen Beigeschmack.
Nun ist das Bild, das viele bei uns von den USA haben, eines, das durch das Fernsehen bestimmt ist. In Wild-West-Filmen, die Unterhaltung für eine ganze Generation lieferten, sitzen die Colts doch recht locker. Indianer werden von schießwütigen Weißen mal eben schnell abgeknallt. Ihre Lebensgrundlage, die Bisons, sowieso. Auf den Baumwollfeldern schuften sich schwarze Sklaven zu Tode, während die weißen Plantagenbesitzer ihre unfreiwilligen Arbeiter im Zweifelsfall mit der Peitsche antreiben. Und selbst wenn man zu moderneren Zeiten wechselt: Bei „Hawaii Five-0“ treten die Vertreter der Staatsmacht erst die Tür ein und stürmen ins Haus, danach begehren sie offiziell Einlass mit dem Running Gag „Five-O, wir kommen rein!“ Als ob das nicht schon längst bemerkt worden wäre.
Kurzum: Ein Amerikabild, immer synonym gedacht mit den USA, bei dem das Recht des Stärkeren regiert, hat sich bei uns in vielen Köpfen festgesetzt. Und ist in den letzten Jahren durch die Politik des Marktschreierischen, statt Diplomatischen, des Hau drauf, statt Denkens und Verhandelns auf dramatische Weise bestärkt worden. Dass dieses Bild von den USA nur eine Seite der Medaille ist, wird dabei kaum noch wahrgenommen.
Dabei ist die Problematik der Todesstrafe in den USA vielschichtig. So kann nach dem Bundesgesetz zum Tod verurteilt werden, aber auch nach dem Gesetz des jeweiligen US-amerikanischen Bundesstaates. Viele der US-Bundesstaaten aber haben mittlerweile die Todesstrafe aus ihrem Katalog der Strafmaßnahmen gestrichen, manche hingegen drängen darauf, die Delikte, auf die die Todesstrafe angewendet werden kann, auszuweiten. Gegner der Todesstrafe rief unlängst die Tatsache auf den Plan, dass gegen Ende der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump die Todesstrafe auf Bundesebene wieder verstärkt vollstreckt wurde.
Gut, kann man nüchtern sagen, wie anders als durch die Todesstrafe soll der Staat mit Verbrechern, die gefährlich sind wie tickende Zeitbomben, denn sonst umgehen? Hat der Staat nicht sogar die Verpflichtung, den friedlichen Teil der Bevölkerung zu schützen? Ultimativ?
Argumente für die Todesstrafe gibt es viele. Die Argumente, dass er Stärke zeigen muss, dass er abschrecken muss, gehören dazu. Aber
Hinzu kommt: Pannen gibt es immer wieder. Keine der praktizierten Hinrichtungsmethoden ist so sicher, dass ein Delinquent „kurz und schmerzlos“ aus dem Leben befördert wird. Manche sterben eines qualvollen Todes. Von der unmenschlichen Angst, die sich in den letzten Tagen, Stunden und Sekunden vor dem Ende meistens breitmacht, einmal ganz abgesehen. Wenn der Staat sich schon das Recht herausnimmt zu töten, hat er dann auch das Recht zu quälen? Manche meinen: ja. Einige berufen sich auf die Bibel: Auge um Auge, Zahn um Zahn, heißt es da.
Und, wenn man dem einen oder anderen Spielfilm Glauben schenken darf, pilgern Angehörige von Ermordeten gern zur Hinrichtung des Mörders. Ihnen wird Genugtuung verschafft, dabei zu sein, wenn der Mörder stirbt, heißt es. Mich würde einmal interessieren, wie diese Menschen die Live-Bilder von zuckenden Gliedmaßen, herausquellenden Augen, dampfenden Körpern und austretenden Körperflüssigkeiten verarbeiten. Ich wäre vermutlich geschädigt für mein restliches Leben. Da würde auch ein Psychiater nicht mehr helfen. Hauptsache Genugtuung? Nein, danke, ich muss mir nicht alles antun.
In ihrer Haltung zur Todesstrafe sind sich selbst Christen nicht einig. Diejenigen, die die Todesstrafe ablehnen, berufen sich auf Gott: Gott schenkt das Leben. Das Leben ist also heilig. Kein Mensch hat das Recht, einem anderen das Leben zu nehmen. Das darf nur der, der es geschenkt hat. Vor allem aber: Das alttestamentarische „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ fordert nicht Vergeltung, sondern es begrenzt sie sogar. Um es plastisch zu formulieren: Wenn dir jemand einen Finger abtrennt, darfst du ihm nicht sein Leben nehmen oder gar seine ganze Familie auslöschen – bei Völkern rund ums alte Israel war genau das aber durchaus üblich und ist über das vermeintliche „Gesetz der Blutrache“ in manchen Gegenden der Welt bis heute Tradition, selbst wenn auch dieses vielfach Grenzen des Strafmaßes vorsieht. Der Spruch vom „Auge um Auge“ formuliert also lediglich eine Obergrenze der Vergeltung. Das wäre in obigem Beispiel ein Finger.
Wer an dieser Stelle „na also“ sagt und damit meint, die Todesstrafe sei für einen Mörder die biblisch geforderte Gegenmaßnahme, lässt das Neue Testament außer Acht. „Liebe deinen Nächsten“, heißt es da. Und: „Wer dir auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die linke hin.“ Das ist die Form der „Vergeltung“, die die Bibel von Christen verlangt. Statt zurückzuschlagen fordert die Bibel dazu auf, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Und deshalb gewaltfrei zu reagieren. Ein Beispiel: Zur Zeit Jesu war es geltendes, von der römischen Besatzungsmacht gesetztes Recht, dass ein Zivilist auf Verlangen das Gepäck eines römischen Soldaten eine Meile tragen musste. Der Rat der Bibel: „Wenn jemand dich zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh mit ihm zwei.“ Wieder ein Vorschlag, die Gewalt eben zu durchbrechen, sie nicht in eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt münden zu lassen und so das menschliche Miteinander zu befrieden.
2018 zeigten die Wahlberechtigten im Bundesland Hessen eine klare Haltung: Bis dahin war in der hessischen Landesverfassung als einzigem Bundesland die Todesstrafe noch fest verankert. Vollstreckt werden allerdings konnte sie nicht. Denn im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Abschaffung der Todesstrafe eindeutig festgelegt. Hier gilt der Grundsatz: Bundesrecht bricht Landesrecht. Punkt. Statt nun am Bundesrecht zu drehen, änderten die Hessen mit einer Volksabstimmung ihre Verfassung und strichen die Todesstrafe. Übrigens 20 Jahre, nachdem der Freistaat Bayern die Todesstrafe aus seiner Verfassung gestrichen hatte.
Leben ist unwiederbringlich. Leben ist ein universelles Gut, das geschützt werden muss. Das gilt auch für das Leben der Menschen, die sich durch ihr verbrecherisches Tun außerhalb der Gesellschaft stellen, auch für die, die sich durch ihr Handeln quasi als unmenschlich zeigen. Egal, was sie tun, bleiben sie dennoch Menschen. Was also die USA als vorbildliches, modernes und aufgeklärtes Land anbelangt, ist jede Vollstreckung der Todesstrafe – wie in jedem anderen Land auch – ein Trauertag für das Menschsein. Und alles andere als ein gutes Vorbild.
NACHTRAG:
Eine gute Übersicht, die auch die Wiedereinführung der Todesstrafe in einzelnen US-amerikanischen Bundesstaaten enthält, liefert Amnesty International. Ein Bericht des Death Penalty Information Center (DCIP) zeigt auf, wie das eigentliche zweitweise Verbot der Todesstrafe durch einzelne Bundesstaaten und deren Interpretation des Verbots ausgehebelt und die Todesstrafe dennoch verhängt wurde.
Grundsätzlich ist das DPIC als unabhängige Organisation eine gute Quelle für weiterführende Informationen zum Thema Todesstrafe in den USA.
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