Tagebuch der Anne Frank (14. Juni)
Normalerweise beginnen Tagebucheinträge etwa so: „Liebes Tagebuch, dir vertraue ich an, was ich sonst niemandem anvertraue.“ Und dann folgen in loser Folge Erlebnisse aus der Schule, aus dem Elternhaus. Junge Mädchen notieren, was sie mit ihren Freundinnen erleben. Vielleicht auch das Kribbeln im Bauch, wenn sie ihrer ersten großen Liebe begegnen. Mit dem Schreiben eines Tagebuchs
verarbeitet man den Alltag, kompensiert sein Innenleben… und wächst und reift dadurch.
Klar, dass alles, was in ein Tagebuch hineingeschrieben wird, streng geheim ist. Als Fremder ein Tagebuch zu lesen, ist ein No Go, ein absoluter Tabubruch.
Das Tagebuch der Anne Frank haben Millionen von Menschen gelesen. Anne Frank, ein jüdisches Mädchen aus Frankfurt, emigriert 1933 nach Amsterdam. Zusammen mit sieben weiteren Menschen versteckt sie sich, muss auf engstem Raum mit ihnen leben. Immer in der Angst, von der Gestapo entdeckt zu werden. In der Angst, dass man sie verhaftet, deportiert und in einem Konzentrationslager umbringt. Dass sie dennoch nicht verzweifelte, erklärt Anne Franks Tagebuch: „Ohne Gott wäre ich schon längst zusammengebrochen“, schreibt sie. Und: „Ich fühle, dass ich mutiger geworden bin und in Gottes Armen liege.“
Zwei Jahre Tagebuch
Vorgestern, am 12. Juni, in diesem Fall im Jahr 1942, beginnt Anne Frank ihr Tagebuch. Ihre Eintragungen reichen bis zum 1. August 1944. Dazwischen schreibt sie auf, wie der Alltag der Juden im niederländischen Versteck immer unerträglicher wird. Ein Hinterhaus in der Prinsengracht in Amsterdam, das man als Tourist gar nicht verfehlen kann. Denn die Schlangen derjenigen, die dieses Haus besichtigen wollen, um dieser jungen Frau und ihrem schrecklichen Schicksal nachzuspüren, sind unübersehbar. So war es vor Corona, so wird es in Zukunft wieder sein. Wohl also dem, der vor einem Besuch sein Ticket online gebucht hat!
Vor der Gestapo versteckt
Das Tagebuch der Anne Frank wäre wahrscheinlich verschollen, hätte es nicht Miep Gies gegeben. Diese Frau ist eine der vier Helfer, die die Familie Frank und andere Menschen vor der Gestapo versteckte. Sie versteckte auch Anne Franks Tagebuch und übergab es nach dem Krieg Otto Heinrich Frank, dem Vater von Anne – dem einzigen der Familie Frank, der die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und den Krieg überlebte. Der gab das Tagebuch
seiner Tochter zur Veröffentlichung frei. Und schon in den 1950er Jahren wird dieses Buch zu einem der meistaufgeführten Bühnenstücke, zu einem der meistverkauften Bücher, mehrfach zum Filmthema und zu einem Klassiker, übersetzt in über 70 Sprachen. Ein Buch, das die UNESCO im Jahr 2009 in das sogenannte Weltdokumentenerbe aufnimmt.Weltdokumentenerbe der UNESCO
In der Begründung sind sich alle einig: Anne Frank schuf mit ihrem Tagebuch ein Mahnmal gegen Diskriminierung, Rassismus und Vorurteile. Weil ein Mensch auf seine ihm eigene Weise an seinen Gott glaubt, soll er weniger wert sein als andere? Deshalb verfolgt ihn der Staat? Deshalb bringt ihn der Staat um sein Leben? Damit dies in unserem Land nicht wieder möglich wird, sagt unser Grundgesetz in aller Deutlichkeit: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Erstaunlich, dass ausgerechnet das, was Anne Frank zum Verhängnis wird, sie stark macht: ihr Glaube. Denn ihr Tagebuch macht klar: Für Anne Frank wird durch den Glauben an Gott Unerträgliches ertragbar.
Geplantes Buch voller Kraft
Am 11. Mai 1944 schreibt Anne Frank in ihr Tagebuch, sie wolle nach dem Krieg Schriftstellerin werden und ein Buch veröffentlichen. Der geplante Titel solle mit Anspielung auf ihren Zufluchtsort in der Prinsengracht „Das Hinterhaus“ heißen. Drei Monate nach diesem Eintrag verhaftet man sie und verschleppt sie ins Konzentrationslager nach Ausschwitz. Im Frühjahr 1945 stirbt sie im Konzentrationslager Bergen-Belsen in der Nähe von Hannover ermordet. Ein genaues Todesdatum ist nicht bekannt.
Was bleibt, ist ihr Tagebuch voller Kraft, voller Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft, voller Gewissheit darauf, dass am Ende mit der Hilfe Gottes alles gut wird. Auch dann, wenn dieses Ende erst nach einem grausigen Tod, in einem anderen Leben folgt. Und noch etwas bleibt: Anne Franks Vorbild und ihre Aufforderung an uns Nachgeborene, gegen Unerträgliches vorzugehen. Immer und überall.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
Kommentare
Hinterlassen Sie ein Kommentar