Straßenkinder – immer mehr. Und immer mehr Hilfe notwendig (26. Juli)
Das Schicksal von Straßenkindern – bei diesem Schlagwort denken die meisten Menschen sofort an Südamerika, vielleicht auch noch an die Philippinen oder an Osteuropa. Aber ganz sicher nicht an Zentraleuropa, ganz sicher nicht an Deutschland und seine Nachbarn. Aber trotzdem gibt es sie auch bei uns. Und das nicht zu knapp.

Alle ohne gültige Meldeadresse
Zwar fallen die Schätzungen schwer. Aber Experten sind sich sicher, dass allein bei uns in Deutschland etwa 40.000 Kinder dauerhaft auf der Straße leben. Was im Amtsdeutsch bedeutet: Sie leben ohne gültige Meldeadresse.
Wer andere Kriterien anlegt, um die Zahl der Straßenkinder zu bestimmen, kommt gegebenenfalls auch zu niedrigeren Schätzungen. Aber auch die liegen immer noch im fünfstelligen Bereich. Vor allem aber sind sich die Experten sicher: Die Kinder, die auf der Straße leben, werden immer jünger. Waren es vor zehn, zwanzig Jahren hauptsächlich 14, 15 und 16jährige, steigt längst die Zahl der zwölf und 13jährigen. Selbst die unter 10jährigen werden immer mehr.
Nicht zum Aushalten
Befragt man diese Kinder und Jugendlichen nach den Gründen, dann sind die Antworten erstaunlicherweise nahezu gleich. Denn in den meisten Fällen haben sie Gewalt erfahren, vielfach unter den Eltern, aber eben auch immer wieder gegen sie selbst. Viele Kinder geben an, dass sie dermaßen heftig und vor allem immer wieder verprügelt wurden, so dass sie es einfach zu Hause nicht mehr ausgehalten haben. Deshalb schlafen sie bei Freunden, an Bahnhöfen, im Wald, in aufgebrochenen Autos. Werden Kindern von den Behörden aufgegriffen, geht’s ab nach Hause. Höchststrafe! Denn damit geht das ganze Theater von vorn los, meistens noch heftiger. Man müsse nur die Daumenschrauben genug anziehen, dann würde sich der eigene Nachwuchs diese Respektlosigkeit nicht noch einmal erlauben. Also: noch mehr Dresche, noch mehr Gewalt. Kein Wunder, dass die meisten Kinder und Jugendlichen dann so schnell wie möglich wieder abhauen.
Kein Stück romantisch
Auf der Straße leben – irgendwie klingt das ja sogar ein Stück romantisch. Und Erinnerungen werden wach an schöne heile Welt-Filme aus den 1960er Jahren: Da wandern ein paar Burschen durch die schöne weite Welt, kehren mal hier, mal dort im Wirtshaus ein, verdienen sich ein Taschengeld, indem sie bei der Ernte helfen, und haben irgendwann gegen Ende des Films ein Techtelmechtel mit der Dorfschönheit. So mag sich das „auf der Straße leben“ für den darstellen, der aus seiner gutsituierten Komfortzone mal für ein paar Tage oder Wochen ausbricht. Wanderurlaub von Hütte zu Hütte, meinetwegen auch von Gasthof zu Gasthof. Dass, was die Kinder und Jugendlichen bei ihrem Leben auf der Straße antreffen, ist eine gänzlich andere Wirklichkeit. Allein das tägliche Essen zu ergattern, ist ein Kampf. Körperhygiene? Wo und womit denn? Schule und Ausbildung, um irgendwann einmal genug zu verdienen, um den Weg von der Straße zurück zu finden? Schon die Frage nach dem Übernachtungsplatz ist ein Riesenproblem, wenngleich auch im Sommer ein geringeres als bei klirrender Kälte. Was bleibt, ist betteln und stehlen. Schnell wird ein Leben auf der Straße auch ein Leben auf dem Strich. Gerade jüngere Mädchen, die oft genug einfach nur bei einem älteren Jugendlichen pennen wollten, erleben oftmals sexuelle Übergriffe. Und eben auch Gewalt. So, wie sie es vielfach von zu Hause kennen. Genauso eine Situation, der sie ursprünglich entfliehen wollten. Ganz nebenbei bemerkt: Nicht nur bei Straßenkindern, sondern auch bei Erwachsenen fällt immer wieder auf: Wo die Struktur im Tagesablauf fehlt, nehmen Gewalt, Alkohol und Drogen, vielfach aber auch Beschaffungskriminalität diese Leerstelle ein.
Offiziell keine Straßenkinder in Deutschland
Da ist es doch schön, dass es in Deutschland offiziell gar keine Straßenkinder geben kann. Wie bereits erwähnt: Wer auf der Straße lebt und unter 18 Jahre alt ist, wird zurück zu seinen Eltern gebracht. Er oder sie gilt als obhutlos. Verweigern die Eltern, dass ihr Nachwuchs wieder bei ihnen wohnt, weil sie es einfach nicht wollen, sich überfordert fühlen oder tatsächlich auch überfordert sind, weil Gewalt im Elternhaus offensichtlich ist oder weil die Eltern alkohol- oder drogenabhängig sind, ist die Überführung in ein Heim die offizielle Lösung. Ein Leben auf der Straße ist also nicht vorgesehen. Und da es in einem bürokratischen Staat, der für alles und jedes
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Tag der Straßenkinder – in Österreich
Unser Nachbarland Österreich zeigt übrigens, wie man es auch anders machen kann. Dort ist man sich bewusst, dass der Staat weitaus mehr als bisher für Straßenkinder tun muss. Deshalb haben es die Kirchen durchgesetzt, dass in Österreich einmal im Jahr ein Tag der Straßenkinder begangen wird. Das Ziel: daran zu erinnern, dass Kinder, die auf der Straße leben, Hilfe benötigen. Viel mehr Hilfe als bisher. Ein erster Schritt sind Notunterkünfte für die Nacht. Hier helfen Städte und Gemeinden, kirchliche Träger wie Diakonie und Caritas, übrigens auch bei uns. Aber es geht nicht nur darum, Symptome zu bekämpfen, sondern darum, die Probleme am Punkt ihrer Entstehung anzugehen. Dementsprechend richten unsere österreichischen Nachbarn ihr Hauptaugenmerk auf eine umfangreiche Betreuung, auf eine Unterstützung ohne Voraussetzungen. Ziel dabei ist es, verlorenes Vertrauen in Autoritäten, in Erwachsene wiederherzustellen. Natürlich geht dies über Verlässlichkeit, über regelmäßiges Essen, einen festen Schlafplatz, auch über Unterricht. Vor allem geht es darüber, für das Kind bzw. den Jugendlichen da zu sein. Quasi zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Don Bosco Jugendhilfe
Wer dabei an das altbiblische Versprechen Gottes denkt, der sich dem Moses mit „Jahwe“ vorstellt, was so viel bedeutet wie „Ich bin für dich da“, liegt richtig. Einer von denjenigen, die diesen Namen und das dahinterstehende Lebensprinzip lebte wie kaum ein anderer, war der heilige Don Bosco. Aus gutem Grund gilt er als Patron der Jugend. Die nach ihm benannte Jugendhilfe gilt als größte im 19. und 20. Jahrhundert geschaffene Jugendhilfeorganisation der Welt, ist mittlerweile in 132 Ländern der Welt vertreten und hilft in über 1800 Einrichtungen. In Österreich übrigens so einflussreich, dass der dortige Tag der Straßenkinder selbstverständlich am Namenstag Don Boscos begangen wird. Das ist, wie ja meistens in der Katholischen Kirche, gleichzeitig auch sein Todestag und… nicht der heutige 24. Juli, sondern der 31. Jänner, wie unsere Nachbarn sagen. Also: der 31. Januar.
Hilfe notwendig – immer und jederzeit
Warum ich Ihnen das trotzdem heute erzähle? Weil in fünf Monaten Weihnachten ist? Natürlich nicht. Weil den Straßenkindern, die Hilfe dringend nötig haben, ziemlich egal ist, wann unsere österreichischen Nachbarn den Tag der Straßenkinder begehen. Hauptsache es gibt Hilfe. Schnellstmöglich! Und falls Sie helfen wollen: Auch Sie müssen damit weder bis Weihnachten, noch bis zum Namenstag des Heiligen warten.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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