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Stick verloren, Daten weg – und Glück gehabt (17. Dezember)

Wer dienstlich viel mit dem Zug unterwegs ist, weiß die moderne Technik zu schätzen. Übers Handy bin ich auch im Zug bei Tempo 250 erreichbar – nicht immer gut, aber immer öfter und immer besser. Und mit dem Dienst-Laptop auf den Knien oder gar einem Tisch kann ich die Reisezeit zur Arbeitszeit umfunktionieren, wenn es denn sein muss. Meistens
muss es sein. Oder ist es zumindest sinnvoll. Denn was ich während einer entspannten Zugfahrt erledigen kann, muss ich nicht mehr in der Redaktion tun.

Entspanntes Arbeiten in der Bahn

Nein, Sie lesen gerade keinen Werbespot der Bahn AG. Dass ich hier trotzdem eine Lobeshymne anstimme, hat mit einem Mitreisenden zu tun, von dem ich noch nicht einmal wusste, dass es ihn überhaupt gibt. Dem ich aber sehr dankbar bin. Mein „kleiner Held des Alltags“, sozusagen. Das alles hat etwas mit dem Arbeiten am Computer während der Bahnfahrt zu tun.

Einfach clever

Um es kurz zu machen: Nach ein paar Stunden am Laptop während einer Bahnfahrt nähere ich mich meinem Zielort. Weil das mit dem Speichern in die Cloud aus dem fahrenden Zug nicht immer funktioniert, speichere ich die bearbeiteten Dateien auf einem Data-Stick zwischen. Ja, ich weiß, das wirkt ein wenig antiquiert. Aber so stehen mir die Daten jederzeit auch auf einem anderen Gerät zur Verfügung. Manchmal sind die veraltet wirkenden Techniken eben doch nicht so schlecht.

Nicht clever genug

Wie immer kommt mein Endbahnhof „plötzlich und unerwartet“. Okay, ich hätte auch schreiben können: Da ich die Strecke ganz gut kenne, hätte ich eigentlich wissen müssen, ab wann ich meine Arbeit beende. Eigentlich! Ein schreckliches Wort. Weil es besagt, dass das, was man mit ihm kombiniert, eben nicht passiert. Folglich habe ich viel zu lange weitergearbeitet. Nur noch schnell diesen Satz. Und dann noch diesen. Und schon merke ich den Ruck, der immer dann entsteht, wenn der Zug endgültig zum Stillstand gekommen ist. Jetzt aber nichts wie los: Stick raus, Laptop in die Laptoptasche, Jacke, Mütze, Schal. Und schon hetze ich Richtung Waggontür, quetsche mich an Reisenden, die bereits einsteigen vorbei und.

Gerade noch rechtzeitig

Schon höre ich das obligatorische Piepen, das beim Schließen der Türen als Warnsignal ertönt, und springe noch schnell aus dem Zug. Geschafft! Gerade noch rechtzeitig. Das hätte mir noch gefehlt, wegen eigener Dusseligkeit bis zur nächsten Station weiterfahren zu müssen. Unfreiwillig. Und natürlich

ohne gültigen Fahrschein.
Eine verständige Zugbegleiterin oder natürlich einen verständigen Zugbegleiter vorausgesetzt wäre ich vielleicht um die Kosten fürs Schwarzfahren herumgekommen. Aber die Beförderungskosten zur nächsten Station und wieder zurück hätte ich zahlen müssen. Da kennt die Bahn kein Pardon. (Zu Recht, will ich gleich anmerken.)
Als Mensch guten Willens nehme ich mir vor: Beim nächsten Mal hörst du aber zwei Minuten eher auf zu arbeiten.

Nie wieder – dank Vorsatzverstärker

Ob Sie es glauben oder nicht: Das Ganze ist jetzt drei Wochen her. Aber seitdem habe ich mich tatsächlich daran gehalten. Allerdings half mir dabei unfreiwillig ein so genannter Vorsatzverstärker: Um mir nämlich in höchster Eile Jacke, Mütze und Schal – Sie wissen schon – überziehen zu können, hatte ich meinen Data-Stick aus dem Laptop gerupft und schnell auf den Sitz geworfen. Den wollte ich dann in die Jackentasche schieben. Und Sie ahnen es schon: Es ist beim guten Vorsatz geblieben. Das allerdings merkte ich erst später. Als ich nämlich die Früchte meiner Arbeit ernten und die Daten vom Stick auslesen wollte. Weg! Gibt’s doch gar nicht. Der Stick kann doch nicht einfach weg sein! Wo hatte ich das verflixte Ding in der Eile hingelegt? Es dauerte eine Weile, bis ich gedanklich ankam, wo Sie bereits sind: auf dem Sitz in der Bahn. Herzlichen Glückwunsch! Die Kandidatin hat 100 Punkte!

Datenverlust – wie dämlich kann man sein?

Finanziell betrachtet ist der Verlust eines Data-Sticks keine große Sache. Mittlerweile kosten die Dinger ja nur noch ein paar Euro. Aber was ich da alles „nur mal schnell“ zwischengespeichert hatte… Manche Dateien waren unwichtig, aber manche hätte ich schon noch ganz gern verwendet. Dazu die Zeit, die ich auf der Rückfahrt sinnlos verbraten hatte… Mal ganz davon abgesehen, dass ich die Arbeit der gesamten Zugfahrt noch einmal erledigen musste. Da Zeit bekanntlich Geld ist, … Alles ein ganz großer Mist. Selbstverschuldet. Aus eigener Dusseligkeit. Wie kann man nur so dämlich sein? Einfach nur ärgerlich!

Unerwartete Post

Wer mich kennt, weiß: Ich bin nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit. Deshalb war wenige Tage später die ganze Geschichte nahezu vergessen. Bis ein Umschlag auf meinem Büroschreibtisch landete. Inhalt: mein Data-Stick. Kein Anschreiben, lediglich eine Visitenkarte und, wie ich erst später erfuhr, vorab eine Art Kontrollanruf bei einer Kollegin. Ob Frau Ana-Maria Behlberg wirklich noch in unserer Redaktion arbeite? Er habe mich zwar im Internet gefunden, wolle aber ganz sicher gehen…
Irgendwo in dem Wust der Dateien war mein Name gespeichert. So war es leicht, zumindest meine Redaktionsadresse zu googlen. Aber da man dem Web nie ganz vertraut, hatte er sich per Telefon noch einmal schlau gemacht. Vorbildlich! So stand ann schließlich mein Name fein säuberlich mit der Hand geschrieben auf dem Umschlag, der nun vor mir lag, darunter das übliche „c/o“ und die Adresse der Redaktion.
Wie ich der Visitenkarte entnehmen konnte: geschrieben von einem IT-Mann, der vielleicht schon mal am eigenen Leib erfahren hat, wie schmerzlich ein Datenverlust sein kann. Der hatte meinen Stick in der Bahn gefunden, kurz recherchiert und mir das letztlich das gute Stück zugeschickt. Sicherlich wäre es für ihn viel einfacher gewesen, die Dateien zu löschen und den Stick einzusacken.

Kleiner Held des Alltags

Hat er aber nicht. Und deshalb ist er mein aktueller „kleiner Held des Alltags“. Einer, der ehrlich ist, einer, der mit anderen mitfühlt, einer, der mich nicht hängen lässt, und dafür sogar noch Geld für Umschlag und Porto investiert. Und ein bisschen von seiner Zeit. Zeit, die viel wertvoller ist als das wenige Geld, das ihn die ganze Angelegenheit gekostet hat. Auf solche Menschen trifft man nicht mehr allzu oft. Das habe ich ihm auch gesagt, als ich ihn angerufen und mich herzlich bedankt habe. Er hat nur gelacht und gemeint, dass das doch nichts Besonderes sei. Und dass ich doch sicher ebenso gehandelt hätte. Hätte ich. Denke ich zumindest. Und hoffe, dass wir beide damit Recht haben.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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