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Papst Paul VI. gegen die Pille – Aufbruch in die Moderne? (25. Juli)

„Pillen-Paul“ nannten ihn jahrelang die Spötter und waren der Meinung, er habe sich diesen herabsetzenden Namen mehr als verdient: Am 25. Juli 1968 wandte sich Papst Paul VI. gegen eine Erfindung, die mittlerweile die moderne Welt verändert hat: die Antibabypille. Periodische Enthaltsamkeit sei den Katholiken erlaubt, so der Papst in seiner Enzyklika „Humanae vitae“; die Verwendung von Verhütungsmitteln jedoch sei für Katholiken streng tabu.

Umstrittene „Verfügung“

Was für die einen einem Rückfall ins Mittelalter gleichkam, macht aus Sicht der katholischen Kirche durchaus Sinn: Wenn man davon überzeugt ist, die Verantwortung dafür zu tragen, den Menschen einen guten Weg zu Gott zu weisen, muss man sich eindeutig positionieren – egal, was der Zeitgeist und jeglicher Pragmatismus dazu sagen. Ansonsten kann, nein, muss man den Job lassen! Wenn man weiterhin davon ausgeht, dass Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung zusammengehören, wenn man ferner davon ausgeht, dass die Fortpflanzung gottgewollt ist – wachset und mehret euch! – , dann darf der Mensch nicht in den Willen Gottes hineinpfuschen. Weder durch Kondome, noch durch künstliche Eingriffe in den Hormonspiegel der Frau, die eine Befruchtung unmöglich werden lassen. Über viele dieser Punkte kann man streiten, was „Humanae vitae“ auch zu einer der meistumstrittenen Enzykliken machte. Dem Papst seine geglaubte Verantwortung abnehmen, kann man jedoch nicht. Papst Paul VI. entschied sich zum Verbot der Pille – gegen den Rat eines Gremiums aus 16 Kardinälen und Bischöfen, gegen den Rat von Experten. Die sahen Hunger und Armut in der damals so genannten Dritten Welt durch eine Bevölkerungsexplosion angeheizt an.

Wen interessiert‘s?

Was ist von der päpstlichen Enzyklika geblieben? In 2014 und 2015 und damit rund 50 Jahre später fanden im Vatikan zwei Bischofssynoden statt – also Versammlungen von Bischöfen aus aller Welt – , die sich mit Fragen von Ehe und Familie beschäftigten. Befragungen im Vorfeld der Familiensynode zeigten: Vor allem junge Menschen sehen bei uns über dieses Gebot des Papstes vielfach geflissentlich hinweg. Durch den Gebrauch von Verhütungsmitteln eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, gehört für viele junge Menschen zum Alltag. Das Gebot von „Pillen Paul“ ist für viele Menschen einfach nicht existent.
Mit Blick auf Afrika und Lateinamerika hauen Kritiker der katholischen Kirche das generelle Verhütungsgebot genauso um die Ohren wie die Kreuzzüge, Inquisition und aktuell die Missbrauchsdebatte. Sorry, aber Totschlagargumente helfen nicht weiter. Zumindest nicht, wenn man ernsthaft über Probleme diskutieren will. Gewicht haben die seinerzeit geäußerten Bedenken allerdings schon: Kinder in die Welt setzen, die doch sofort wieder sterben müssen? Darin liegt augenscheinlich kein Sinn. Und das bei der Überbevölkerung? Wie sollen denn all die Menschen noch satt werden?

Überbevölkerung und sonstiges Leid

Auch wer bei uns an mehr oder weniger reife Kinder denkt, die sich plötzlich in der Elternrolle wiederfinden, schlägt die Hände über den Kopf zusammen. So reif sind sie dann eben doch nicht. Und zu viel steht auf dem Spiel: Die „schulische Laufbahn“ bekommt einen Knick, die gesamte Lebensplanung einen empfindlichen Dämpfer. Eine ungewollte Schwangerschaft gerade von extrem jungen Frauen wird vielfach als Ende ihres Lebens empfunden. Da ist es doch besser, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, so die Argumentation. Dass da etwas dran ist, ist kaum von der Hand zu weisen. Ob das die einzige Seite der Medaille ist, eine andere Frage.

I want it all, I want it now

Im Gegensatz zu früheren Generationen gilt für uns: Wir tun alles, was wir wollen. Und wir tun es, wann wir es wollen. „I want it all, I want it now“, brachten schon vor Jahren Freddie Mercury und Queen unsere moderne Lebenshaltung auf den Punkt.

Alles ist uns jederzeit möglich! Das ist per se nicht schlecht. Trotzdem birgt die Freiheit immer die Gefahr, sich genau in dieser Freiheit zu verlieren, als Person verlorenzugehen. Deutlich wird das zum Beispiel bei der Handynutzung: Wir sind jederzeit erreichbar, haben unser Handy stets bei uns. Überlegungen, Minihandys unter die Haut zu implantieren, gehören zu einer längst greifbaren Realität. Ist doch prima. Da kann ich mein Handy nicht mehr verlieren! Ein weiterer Vorteil: Ich bin immer und überall erreichbar.

Der Druck der Erreichbarkeit

„Habe dir heute Morgen bereits geschrieben. Jetzt ist Mittag. Immer noch keine Antwort! Was ist los?“ Jederzeit, immer und überall erreichbar zu sein, löst auch einen hohen Druck aus. Auch dann, wenn wir ihn vielfach gar nicht als solchen wahrnehmen. Vorhanden ist er trotzdem, sagt die Psychologie. Und er hinterlässt Spuren: Was macht das mit meiner Gesundheit, wenn ich nachts aus dem Schlaf geklingelt werde? Was geschieht, wenn mir vor lauter Erreichbarkeit keinerlei Rückzugsorte mehr bleiben? Alles nicht so schlimm? Evident wird dies spätestens dann, wenn Menschen diesem Druck nicht gewachsen sind. Wenn sie ihr Leben nicht mehr ertragen können, nicht mehr weiterleben wollen. Druck wegnehmen, raten Psychologen, in allen Lebensbereichen. Wenn das mal so einfach ginge. Unser modernes Menschenbild verlangt einfach nach ständiger Verfügbarkeit.

Sache der Frau

Immer erreichbar, immer verfügbar zu sein – das gilt auch in Sachen Sexualität. Die Pille macht‘s möglich. Frau hat die gefälligst zu nehmen – dann ist alles gut. Ist das wirklich so? Warum gibt es eigentlich keine Pille für den Mann? Warum wird die Verhütung einseitig auf die Frau abgewälzt. „Ich dachte, du nimmst die Pille…Tust du nicht? Aber warum denn nicht? Völlig verantwortungslos von dir!“ Ach, ja? Längst ist es ungeschriebenes Gesetz, dass sich frau um die Verhütung zu kümmern hat. Es lebe das Patriarchat! [Vorsichtshalber: Ironie aus!]

Befreiung der Frau

Päpste argumentieren in ihren Enzykliken meistens mit dem Willen Gottes. So auch Papst Paul VI. in „Humanae vitae“. Kann man machen, ist aber längst nicht mehr für alle überzeugend. Vor allem weil weder Gott noch der Papst im Normalfall schwanger werden dürften, sprich: irgendwie ein Stückweit außen vor zu sein scheinen. Heute könnte eine Argumentation mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau daherkommen; mit gesellschaftlichem Druck, der durch ständige Verfügbarkeit ausgeübt wird, übrigens meistens vom Mann auf die Frau. Und längst könnten wir generell mit der Gesundheit des Menschen argumentieren. Das wäre dann kein Rückfall ins Mittelalter, sondern eher ein Aufbruch in die Moderne.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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