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Neuer US-Feiertag zum Ende der Sklaverei, Black Lives Matter und die Freiheitsstatue (19. Juni)

Kennen Sie diesen Text?

„Gebt mir Eure müden, Eure armen, Eure kauernden Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen. Das elende Strandgut Eurer vor Menschen wimmelnden Küste. Schickt diese, die Heimatlosen, Schicksalsgebeutelten zu mir. Ich erhebe mein Licht an der goldenen Tür!“

Die Freiheitsstatue

Na, erkannt? Falls Sie keine Idee haben: Macht nichts! Im Original ist der Text ohnehin auf Englisch, eingemeißelt in den Sockel der amerikanischen Freiheitsstatue. Aber was für ein Text! Er lässt erahnen, wie sich die Menschen gefühlt haben, die früher nicht im alten Europa bleiben konnten und ihr Heil in Amerika suchten: Wochenlange Überfahrten, Stürme, das Gefühl, auf einem endlosen Meer in einer winzigen Nussschale zu schwimmen – und dann erhebt sich im Dunst die Freiheitsstatue. Wer das sah, wusste: Jetzt bin ich Amerika, jetzt sind wir in der neuen, vor allem in der freien Welt.

Die Freiheitsstatue hatte denselben Weg hinter sich. Als Geschenk der Franzosen zum 100sten Geburtstag der USA kam sie am 19. Juni 1885 per Schiff nach New York. Dass sie mit zehn Jahren Verspätung eingeweiht wurde – egal! Viel wichtiger: Bis heute ist die Freiheitsstatue ein Symbol der Freiheit… und des Trostes.

Ende der Sklaverei

Ein zweites Ereignis am selben Tag beschäftigt die USA allerdings weitaus mehr: Am 19. Juni 1865 teilte ein General der Unionstruppen in Texas einer Gruppe von Sklaven mit, dass der amerikanische Bürgerkrieg beendet sei und sie nun freie Menschen wären. Nach langem Hin und Her, das an heftige Bauchkrämpfe erinnert, bei denen die US-Republikaner mal wieder die Rolle der „quälenden Winde“ übernahmen, konnten die Demokraten unter US-Präsident jetzt einen neuen Feiertag auf den Weg bringen: Ab sofort – und das heißt ab heute – wird nun alljährlich der


„Juneteenth National Independence Day“ begangen. Am Donnerstag dieser Woche verkündet, heute bereits umgesetzt – na gut, da es ein Samstag ist und insofern für die meisten Menschen in den USA, ähnlich wie bei uns, ein arbeitsfreier Tag ansteht, war das machbar. Trotzdem: Es ist erst der elfte Feiertag, der alle US-Bundesstaaten betrifft. Und es ist der erste Feiertag, der geschaffen wurde, seit die USA 1983 den „Martin Luther King Jr. Day“ einführten.

Amerikas Erbsünde

Nun könnte man sagen: Das geht uns im alten Europa gar nichts an. Stimmt. Und ist trotzdem falsch. Natürlich ist es für uns unerheblich, wann die US-Amerikaner einen Feiertag begehen. Aber die Einführung ausgerechnet dieses Feiertags darf uns schon ein wenig aufmerksamer hinschauen lassen. Denn an diesem Tag geht es nicht etwa um das Ende des amerikanischen Bürgerkriegs – das fand bereits am 9. April (1865) statt. Nein, es geht um die Befreiung von schwarzen Menschen aus der Gefangenschaft, aus der Zwangsarbeit, aus der Sklaverei. Das Ziel dieses Feiertags sei es, sich an „Amerikas Erbsünde“ zu erinnern, so US-Präsident Joe Biden zur Begründung dieses neuen Feiertags. Womit er wohl sagen will: Die Sklaverei ist etwas, deren Auswirkungen das Land bis heute verfolgen. Ganz bewusst nannte er sie einen „moralischen Schandfleck“, dessen Auswirkungen es zu heilen gelte.

Insofern steht die Einführung dieses Feiertags genau in der politischen Linie, die Joe Biden bereits mit dem Beginn seiner Präsidentschaft verkündete: versöhnen und heilen. Die Macht des Hasses, die scheinbar unüberwindlichen Gräben, die sein spaltender Vorgänger im Amt vertieft und zum Teil erst geschaffen hatte, so gut es geht zu schließen. Und so forderte auch Vizepräsidentin Kamala Harris, dass man aus der Geschichte lernen solle. Dazu sei es notwendig, als Nation innezuhalten und Bilanz zu ziehen. Als Nation. Also im Sinne Bidens eben nicht als gespaltene Gesellschaft, sondern als Einheit. Ein großes Ziel. Eines, von dem Kamala Harris bewusst sagt, man habe noch einen weiten Weg vor sich. Aber immerhin!

Glücklicher Zufall?

Natürlich ist es ein Zufall, dass die Ankunft der Freiheitsstatue und die sogenannte Emanzipationsproklamation zur Befreiung der Sklaven auf denselben Tag, nämlich den 19. Juni fallen. Aber es ist ein glücklicher Zufall. Wie war das noch gleich?

„Gebt mir Eure müden, Eure armen, Eure kauernden Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen. Das elende Strandgut Eurer vor Menschen wimmelnden Küste. Schickt diese, die Heimatlosen, Schicksalsgebeutelten zu mir. Ich erhebe mein Licht an der goldenen Tür!“

Die müden, armen, kauernden Massen, die sich danach sehen, frei zu atmen – für die Nachfahren schwarzer Sklaven, die sich bis heute als Bürger zweiter Klasse behandelt sehen, muss die Einführung des „Juneteenth National Independence Day“ Balsam für die Seele sein. Nicht der 4. Juli ist der Tag, an dem Schwarze in den USA ihre Unabhängigkeit feiern, sondern der Juneteenth, der nun zu einem nationalen Gedenktag wird.

Balsam für die Seele

Denn er setzt ein Signal, das in der sogenannten freien Welt mit dem Versprechen, das in die Freiheitsstatue eingemeißelt ist, einhergeht: gegen Knechtschaft und Sklaverei, ungerechtfertigte Zwänge und Unterjochung durch andere aufzustehen. Und letztlich diese menschenverachtende Form des Umgangs mit Menschen als ein Relikt aus einer fernen, überwundenen Vergangenheit anzusehen. Das von Joe Biden bereits mehrfach geäußerte „Die USA sind wieder zurück“ heißt dann vor allem eines: sich für die Rechte aller Menschen, egal welcher Hautfarbe, Religion, welchen Geschlechts und welcher Herkunft auch immer, einzusetzen. Angesichts der skandalösen Ermordung von George Floyd und anderen schwarzen Menschen und der daraus resultierenden Black Lives Matter-Bewegung ein ganz wichtiger Schritt hin zu einer friedlichen Gesellschaft mit gleichberechtigen Menschen. Grund genug also auch für uns, diesen neuen US-amerikanischen Feiertag doch etwas näher in den Blick zu nehmen.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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