Morgen, Kinder, wird’s was geben – die letzten Stunden bis Weihnachten (23. Dezember)
Seit Sonntag vier Adventskerzen, ab heute nur noch ein verschlossenes Türchen am Adventskalender. Für Kinder eine nahezu unerträgliche Spannung. Morgen, Kinder, wird’s was geben. Morgen erst. Eine scheinbar unendlich lange Zeit, die es noch abzuwarten gilt. Zumindest aus Kindersicht.
„Weißt du noch, wie wir damals gefiebert haben: Wie oft noch schlafen gehen, wie oft noch aufstehen?’“ Eine liebe Kollegin fragte mich das am Freitag. Und sofort war ich mitten in Kindheitserinnerungen. „Wie oft noch?“ Auch ich habe mir damals die Frage gestellt. Dabei wollte ich nicht wirklich wissen, wie oft ich noch schlafen gehen sollte.
Wie viele Tage noch?
Richtiger hätte die Frage gelautet: „Wie viele Tage noch bis Weihnachten?“ Jeden Tag ein Türchen mehr am Adventskalender, jeden Tag ein Schritt näher zum großen Ereignis. Und jeden Tag zählten wir die geschlossenen Türchen. Instinktiv habe ich am Freitag, als meine Kollegin mich ansprach, sofort auf den Kalender gesehen: Das 17. Türchen hatte ich morgens, noch zu Hause, an meinem Adventskalender geöffnet. 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24. – sieben Tage noch. Aber damit war es noch lange nicht Weihnachten.
Bescherung erst abends
Denn noch musste ja der ganze Tag überstanden werden. Die langersehnte Bescherung gab es nämlich immer erst, wenn es draußen dunkel wurde. Aber auch nur, weil nach alter kirchlicher Vorstellung der Vorabend, in diesem Fall der Heilige Abend, schon zum nächsten Tag gehört. Genaugenommen ist nämlich erst der 25. Dezember Weihnachten. Da war es nur ein kleiner Trost, dass das 24. Türchen am Adventskalender etwas größer war als die anderen. Das galt natürlich auch für das Stückchen Schokolade hinter dem 24. Türchen. Die Vorfreude ist die schönste Freude? Das kann nur ein Spruch von Erwachsenen sein, die gegenüber ihren Kindern grausam und empathielos sind. So kam es mir damals vor, als ich Kind war.
Nüchterne Erwachsene
Als Erwachsener ist man da viel nüchterner: Ich habe sogar schon einmal darüber nachgedacht, ob man die Türchen am Adventskalender nicht von hinten nach vorn öffnen sollte: Wenn ich mit Türchen 24 beginne, danach die 23 und so weiter – dann spare ich mir das Rechnen, kann immer gleich
ablesen, wie viele Tage es noch sind. Das ist so unglaublich erwachsen, dass ich mich fast schon schäme! Zumal ich dann mit dem größten Türchen anfangen, gleich am ersten Tag das größte Stück Schokolade essen würde…Selbstgemachter Weihnachtsstress
Ja, wir Erwachsenen tun eine ganze Menge, um dem Weihnachtsfest seinen Reiz zu nehmen. Und zwar durch selbergemachten Stress. Sie ja vielleicht nicht, aber ich. Leider! Eine Woche vor dem ersten Advent erinnerte mich mein Handy: Jetzt solltest du so langsam in die Hufe kommen. Was bedeutet: Den Advent- und Weihnachtsschmuck vom Dachboden zu holen, schnell noch die Wohnung durchzuputzen – schließlich hängt man kein illuminiertes Adventsbild in ein dreckiges Fenster.
Advent als Marathonlauf
Statt zur besinnlichen Vorbereitung auf Weihnachten wird der Advent auf diese Weise zu einem Marathonlauf. Denn die restliche Deko muss schließlich auch noch rechtzeitig an die seit mehreren Jahren auserkorenen und erprobten Stellen. Nicht vergessen: rechtzeitig den Adventskranz aufstellen, damit auch ja am 1. Adventssonntag die erste Kerze brennen kann. Und mit ihr dann natürlich auch all die anderen Lichter, die ich in meiner gesamten Bude platziert habe. Richtig gemütlich sieht das immer aus.
Startschuss drei Tage später
Neben all der Deko hängte ich auch einen Adventskalender an seinen angestammten Platz. Marke einfach, aber im Gegensatz zu aller anderen Deko frisch gekauft – schließlich hatte ich aus dem Kalender aus dem letzten Jahr die Schokolade weggegessen. Es musste also ein neuer her. Dann noch drei Tage gewartet und dann endlich das erste Türchen geöffnet. Denn in diesem Jahr folgte der Startschuss für den Adventskalender erst drei Tage nach dem 1. Advent. Gemein, so etwas!
Weihnachtsillumination
Zum Glück geht es mir da besser als meiner Kollegin. Die hat einen riesigen Garten, in dem mehrere hell erleuchtete Rentiere stehen, die einen – ebenso hell erleuchteten – Schlitten vor eine – natürlich auch illuminierte – Krippe gezogen haben. Dazu zig Bäume, die mit Lichterteppichen überzogen sind. Selbst jede Kante des Hauses ist durch eine Lichtschlange abgesetzt. Tage braucht die Kollegin, um gemeinsam mit ihrem Mann das grell leuchtende Weihnachtsspektakel Jahr für Jahr aufzubauen.
Familientreffen
Weil sie eine große Familie hat, die sich regelmäßig an Weihnachten bei ihr trifft, macht sie Wochen vor dem Fest Essenspläne, rennt sie von Geschäft zu Geschäft auf der Suche nach Geschenken. Checkliste: Sind alle Weihnachtsgeschenke gekauft? Für Oma, Opa, Onkel und Tanten? Alle Zutaten für das Weihnachtsessen? Der Kühlschrank quillt über. Wer hat da noch den Überblick? Funktioniert die Lichterkette am Weihnachtsbaum? Nichts ist schlimmer als „stille Nacht, stockdunkle Nacht“! Und und und!
Es ist jedes Jahr dasselbe: Weihnachten kommt einfach immer so plötzlich! Wie oft hat sie sich schon am Tag vor dem Heiligen Abend noch einmal ins Gewühl der Innenstadt gestürzt, weil sie trotz Checkliste doch vergessen hatte, für ein Familienmitglied ein Geschenk zu besorgen. Nein, diesen Stress möchte ich nicht haben. Gott-sei-Dank trifft sich meine Familie nur im kleinen Kreis, in diesem Corona-Jahr ohnehin die richtige Entscheidung.
Weihnachtsbaum ausleihen
Auch nicht mit der Art und Weise, wie mein Nachbar an das Weihnachtsfest herangeht. Ein netter Mann, aber auch ein sparsamer. Seit ich zurückdenken kann, kauft er keinen Weihnachtsbaum, sondern leiht einen. Ja, Sie haben richtig gelesen: Er leiht seinen Weihnachtsbaum aus. So nennt er das. Was allerdings im Klartext bedeutet: Am Heiligen Abend geht er in den Wald, der direkt hinter unserer Häuserreihe beginnt, und schlägt sich einen Weihnachtsbaum. Ohne Genehmigung, natürlich. „Brauch ich nicht“, sagte er mir mal. „Schließlich leihe ich den Baum nur aus. Spätestens in der ersten Woche des neuen Jahres bringe ich den Baum doch wieder zurück.“ Na ja, das ist schon eine eigenwillige Logik. Schließlich wächst der Baum ja nicht wieder an. Und der Waldbesitzer hat einen Baum weniger. Genau genommen sogar mehrere. Denn längst hat mein Nachbar ein paar weitere Nachbarn mit seiner Leih-Idee infiziert.
Weihnachten feiern ohne Weihnachten?
Morgen also, Kinder, wird’s was geben. Gelegentlich frage ich mich, was die Leute eigentlich feiern, die mit der Geschichte von der Geburt des Gottessohnes nichts anfangen können. Welchen Sinn verbinden diese Menschen mit dem Christbaum, mit den freien Tagen, mit den Geschenken? Können Menschen, die sich selbst als Atheisten bezeichnen, mit Weihnachten eigentlich etwas anfangen? Warum gibt es selbst bei vielen muslimischen Familien in unserem Land einen Weihnachtsbaum? Weihnachten, mittelhochdeutsch noch „ze den wihen nahten“, also „in den geweihten Nächten“ oder eben auch in der Heiligen Nacht – der Name des Festes drückt dem Fest selbst einen religiösen Stempel auf. Wenn ich das Religiöse dieses Festes nicht teile, wie kann ich dann die religiöse Symbolik, das religiöse Brauchtum dieses Festes teilen?
Heidnische Feste
Selbst wenn ich generös sage, dass die Kirche lediglich das Weihnachtsfest auf alte heidnische Feste aufgepropft hat, komme ich davon nicht weg. Egal, ob ich das römische Fest sol invictus, das Fest des unsterblichen Sonnengottes feiere, das auf der Wintersonnenwende basiert, oder ob ich auf germanische Kulte verweise, bei denen an Thingplätzen noch die einen oder anderen verfrorenen Früchte in den Bäumen hingen und die Fackeln der Germanen den Schnee schmelzen und in Eiszapfen von den Bäumen herunterhängen ließen, dargestellt durch allerlei Christbaumschmuck und Lametta. Denn selbst wenn bei den Germanen an Thing Gericht gehalten wurde, waren ihre Götter doch maßgeblich dabei.
Ana-Maria, mach mal halblang!
Wahrscheinlich sitzt Gott „irgendwo da oben auf einer Wolke“ und runzelt bei meinen Gedanken die Stirne. Vielleicht denkt er auch: „Meine liebe Ana-Maria, die Welt ist voller Macken und Probleme. Und da fragst du dich ernsthaft, was die Menschen feiern, die weder an mich noch an meine Menschwerdung glauben? Sind das die Probleme, die du hast? Dann geht es dir doch wirklich gut. Und verkneife dir jetzt bitte diesen abgedroschenen Gag mit „Mary Christmas“ und „Lars Christmas“ – das braucht es nun wirklich nicht mehr!“
Na gut, verkneife ich mir. Und natürlich hätte er recht mit seiner Kritik. Schließlich soll jeder das Weihnachtsfest so feiern und begehen, wie er das gern möchte. Auch wenn er die religiöse Grundlage für dieses Fest komplett ausblendet.
Einmal werden wir noch wach
Sie merken schon: Irgendwie fällt es mir schwer, mit meinem Text noch die Kurve zu bekommen. Aber vielleicht gehört das ja auch zu meinen inneren, seelischen Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest, mir solche Gedanken zu machen. Gucken Sie mal auf Ihren Adventskalender: ein Türchen bleibt noch. Das wird morgen geöffnet. Morgen also, Kinder, wird’s was geben.
Einmal werden wir noch wach! Dann feiern wir Geburtstag. Und sollen versuchen, ein kleines bisschen von der Botschaft des Friedens weiterzugeben. In unseren Familien, in der Nachbarschaft, überall. Morgen, an Weihnachten. Und am besten an jedem nachfolgenden Tag!
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
Kommentare
Hinterlassen Sie ein Kommentar