Legt viel frei, aber verhüllt das Wesentliche: 75 Jahre Bikini (5. Juli)
Eine Nackttänzerin musste es schließlich sein – kein „normales“ Model wollte sich mit lediglich zwei winzigen Stoffteilchen an ein paar Schnüren und einem sehr knappen Höschen auf dem Laufsteg zeigen. Heute vor 75 Jahren präsentierte der französische Modeschöpfer Louis Réard den Bikini! Ein zweiteiliges Badedress für die Dame. Badezeug, das wahnsinnig viel freilegt, aber das Wesentliche verhüllt.
Wer zeigt, der lässt
Was heute in jedem Freibad, an jedem Badestrand zu sehen ist, sorgte damals für einen Aufschrei der Entrüstung. Manch einer sah endgültig die Moral des gesamten Abendlandes in Gefahr. Denn nicht allzu lange vorher war man noch bis zur Halskrause verhüllt in das erfrischende Nass gestiegen. Was aber letztlich nur zeigt: Gesellschaftliche Moral kann sich im Laufe der Zeit ändern. Deshalb ist zum Beispiel der Bikini heute völlig normal. Vor 75 Jahren dachte wohl manch einer: Was sind das wohl für Frauen, die sich so präsentieren? Wobei nicht wenige der auf diese Weise Denkenden gar keinen Fragesatz in ihrem Kopf hatten, sondern bereits einen Aussagesatz. Kleider machen Leute? Wer so wenig anhat, gehört garantiert zu denen, die auch anderweitig zu einem Wagnis bereit sind. Schließlich gibt es das alte Sprichwort: Frei nach dem Motto: Wer zeigt, der lässt. Aus gutem Grund war es ja wohl eine Nackttänzerin, die dem Bikini seinen ersten Auftritt ermöglichte.
Fremder Kulturkreis
Natürlich ist das Quatsch, natürlich ist das Blödsinn. Aber auch heute noch muss man manchem Mann erklären, dass das Tragen eines Bikinis etwas ganz anderes bedeutet, als er sich da möglicherweise zusammenreimt. Dies gilt vor allem, aber nicht nur, dann, wenn diese Männer aus einem Kulturkreis stammen, in dem die
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Anders formuliert: Als Deutsche muss ich mich in einem anderen Kulturkreis an die Spielregeln halten, die dort für alle, also auch für Fremde, gelten. Und selbstverständlich tue ich das. Schließlich will ich die kulturelle Identität meines jeweiligen Gastlandes respektieren. Ob ich sie auch akzeptiere, ob ich die anderweitig geltenden Spielregeln für gut halte, ob ich sie im Dienst der Menschen sehe, oder aber ob ich der Meinung bin, dass diese Spielregeln eher dazu dienen, die breite Masse zu beherrschen, ist dabei völlig unerheblich. Wenn ich mich außerhalb meines Kulturkreises bewege, passe ich mich den jeweiligen Situationen und Verhältnissen an. Ohne Wenn und Aber. Genauso erwarte ich dies aber auch von Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis zu uns kommen. Und übrigens auch von denen, die mit der Entwicklung unserer Gesellschaft nicht Schritt halten und sich gedanklich in einem vergangenen Jahrhundert befinden. Sie alle dürfen sich gern kritisch äußern, sie dürfen hier auch so leben, wie sie möchten, so lange sie nicht mit den geltenden Gesetzen und Regeln in Konflikt kommen – auch das gehört zu den Freiheiten unseres Kulturkreises. Aber sie dürfen nicht ihre Minderheitenmeinung zum Non plus ultra erheben, an das sich die Mehrheit zu halten hat.
Der Gedanke versaut das Wort
Als religiös sozialisierte Frau weiß ich: Adam und Eva waren anfangs nackt im Paradies. Lendenschurz und vielleicht auch ein Bikini kommen erst ins Spiel, nachdem der Mensch Erfahrungen mit der Sünde gemacht hat. Mach biblischer Lesart ist nicht das Nacktsein sündig, sondern erst die Entdeckung der Sünde führt dazu, dass das Nacktsein zu etwas wird, was mit Scham zu tun hat. Was mich direkt zum Bikini führt. Und zu der geflügelten Aussage: Der Gedanke versaut das Wort. Etwas abgewandelt macht dies durchaus auch hier Sinn: Es sind die Gedanken – und meinetwegen auch, ganz biblisch, „sündigen Gedanken“ – desjenigen, der sich mehr denkt, als er sieht, die dem Bikini eine negative Note zuordnen. Nicht der Bikini selbst, sondern die Gedanken. Denn der Bikini zeigt viel, verhüllt aber das Wesentliche, wie ich oben bereits angemerkt habe. Obwohl ich fairerweise zugeben muss: Ein besonderer Reiz modisch-knapper Kleidung, natürlich auch entsprechender Badekleidung, liegt ja gerade darin, bei einem anderen Menschen Reize auszulösen. Aber nur in den von unserer Gesellschaft klar vorgegebenen Grenzen.
Grundsätzlich lautet die Faustregel für ein gutes Miteinander: Persönliche Grenzen, persönliche Freiheiten enden immer da, wo die Freiheiten, die Grenzen anderer beginnen. Und diese Freiheiten bestimmt nun einmal der Kulturkreis, in dem ich mich befinde, nicht der Einzelne.
Manchmal besser mehr als weniger
Das gilt auch für das Tragen eines Bikinis. Wobei das mit den Freiheiten dann unter Umständen weiter geht als manch einer denkt. Zu tun hat das etwas damit, dass heute Männlein wie Weiblein weitaus weniger schlank sind als die Menschen vor 75 Jahren. Ein Bikini und eine knappe Badehose legen daher leider viel zu oft mehr frei, was vielleicht besser verborgen bliebe.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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