Jubiläum oder nicht – das ist hier die Frage. Zum Krönungstag der Queen (2. Juni)
Da kenne sich einer aus! Krönungstag der Queen ist eindeutig der 2. Juni 1953. Also heute vor 68 Jahren. Aber bereits im nächsten Jahr feiert die Queen ihren 70. Thronjubiläum. Deutsches Fragewort mit zwei Buchstaben: Hä?
Genaugenommen ist die Sache halb so kompliziert. Denn in dem Moment, in dem Papa George VI. starb, war Elizabeth nun mal die Nachfolgerin. Und zwar
beginnend am Todestag des Vaters, dem 6. Februar 1952. Theoretisch hatten die Windsors es auf dem Schirm, das Elizabeth Königin werden könnte. Aber nur theoretisch. Pro forma, so dachte man, sollte Elizabeth Aufgaben in der Öffentlichkeit übernehmen. Noch vor ihrem 15. Geburtstag wurde sie zum Ehrenoberst der Grenadier Guards, eines der Leibregimenter des jeweiligen Königs. Der Besuch bei dieser Truppe an ihrem 16. Geburtstag war das erste offizielle Auftreten in der Öffentlichkeit. Und natürlich diente sie im Britischen Heer in einer speziellen Abteilung für Frauen. Den Krieg erlebte sie als junge Frau, die allerdings damals schon an die Sitten und Gebräuche bei Hofe angepasst war.
Plötzlich Königin
Aber Thronfolgerin? Als Elizabeth geboren wurde, war ihr Großvater George V. auf dem Thron. Der starb 1936, wurde durch Elizabeths Onkel Edward VIII. ersetzt. Der aber dankte nach nur elf Monaten ab, weil er lieber eine geschiedene Amerikanerin heiraten wollte als König zu sein. So eine Ehe vertrug sich nach damaligen Vorstellungen nicht mit den Aufgaben eines Königs. Und siehe da: Elizabeths Vater wurde als George VI. der nächste König. Und als der starb… Gut, er war krank, irgendwie wohl auch ausgezehrt. Aber davon stirbt man nicht gleich. Vor allem nicht mit 56 Jahren! George VI. tat das – er wurde einfach am nächsten Morgen nicht mehr wach. Elizabeth befand sich gerade in Afrika. Als Vertretung für ihren erkrankten Vater hatte sie die Reise angetreten. Und schlagartig hatte sie nicht nur den Verlust des Vaters zu verkraften. Schlagartig war sie auch Königin des Vereinigten Königreichs und Oberhaupt des Commonwealth. Eine ganze Menge für eine 25jährige! Aber hallo!
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Die übrigens als Königin zwar offiziell regiert, aber nicht herrscht. Was bedeutet: Andere machen die Politik. Der Königin verliest die Regierungserklärung des Premierministers – ob ihr die Inhalte gefallen oder nicht. Auch das gehört zum Dienst an den Mitgliedern der großen Familie des Empires, den sich die Königin als Ziel gesetzt hat.
Großer Respekt vor dieser Frau!
Ich bin alles andere als eine Royalistin. Aber ich bewundere diese Frau! Am 21. April wurde die Queen 95 Jahre alt. Was sie alles erlebt hat! Den 2. Weltkrieg, Ministerpräsidenten wie Churchill, Harold Wilson und Edward Heath, die eiserne Lady Maggie Thatcher, John Major und Tony Blair, Theresa May und ein paar zwischendurch. Und jetzt diesen Boris Johnson. Keine Frage, die Frau hat schwer an ihrem Amt zu tragen. Oder dann die mehr oder weniger privaten Dinge: diese Märchenhochzeit von Prinz Charles und Lady Diana, das unappetitliche Ende von deren Ehe, der Unfalltod Dianas, um den Attentatsgerüchte nie ganz verstummten, jetzt die anscheinend never ending story rund um Harry und Meghan. Ach ja, klar, und natürlich der Tod von Prinz Philip kurz vor ihren 95. Geburtstag. Ganz schön viel für ein einziges Menschenleben. Das alles auszuhalten – dazu gehört eine Menge.
Und dann jetzt die mehr oder weniger aktuellen Spekulationen: Weil Corona es ihr unmöglich mache, Menschen zu treffen und auf diese Weise zu repräsentieren, wolle sie im nächsten Jahr endgültig das Zepter aus der Hand legen. Wäre ja auch lange genug. Wenn bei uns die meisten Menschen mit 66 Jahren in Rente gehen, wird die Queen im nächsten Jahr schließlich schon 96. Irgendwann muss doch mal Schluss sein. Irgendwann sollte eine Zeit kommen zum Ausruhen. Eine Zeit ohne Arbeit und Verpflichtungen. Mit jetzt schon über 95 – da ist es nun wirklich genug.
Charles als Nachfolger?
Schon laufen sich die Gerüchteerfinder warm: Prinz Charles, immerhin seit über 72 Jahren dazu ausgebildet, auf dem englischen Thron zu sitzen, soll den Pachtvertrag für seine Bio-Farm nicht verlängert haben. Man glaubt es kaum: Da engagiert sich der Mann seit 35 Jahren als eine Art Bio-Bauer und wirft dann hin? Dafür kann es nur einen Grund geben: Als König hat er keine Zeit dafür. Habe ich zumindest vor kurzem bei meiner Friseurin gelesen.
In einer anderen dieser Zeitschriften, die immer alles lange vorher wissen, auch wenn es hinterher ganz anders kommt, stand: Die Queen wolle Charles übergehen und gleich Harry zum König machen. Und Kate zur Königin. Was ja wiederum Quatsch ist. Wenn Harry König würde, würde Kate doch nur „die Frau des Königs“. Aber doch nicht Königin. Oder irre ich mich?
Der Handtaschencode
Schließlich war Prinz Philip ja auch „nur der Mann der Königin“, und nicht etwa König. Apropos Prinz Philip: Schöne Geschichten gibt es über Elizabeth, wie sie sich korrekt schreibt, und Philip. Dass er sie gerne mal „Würstchen“ und „Kohlkopf“ nannte… während selbst die Schwiegerkinder sie korrekt mit „Majesty“, also „Majestät“ ansprechen. Oder denken Sie nur an die Hüte der Queen. Ohne Hut, das weiß man, verlässt sie nie den Palast. Und immer mit Handtasche. Inhalt: Minzbonbons, Hundekekse, Kreuzworträtsel und Lippenstift. Gefürchtet ist der Handtaschencode: Tasche links – alles okay. Tasche rechts – Alarmstufe rot. Bloß weg hier!
Plant a Tree for the Jubilee
So Gott will, wird die Queen im nächsten Jahr also 70 Jahre lang auf dem Thron sitzen – so lange wie noch keine andere Königin. Und auch kein anderer König. Das muss gefeiert werden. Boris Johnson hat die Bürger schon dazu aufgerufen, möglichst viele Bäume zu pflanzen und der Königin ein grüneres Land zu schenken. „Plant a Tree for the Jubilee“ heißt die Aktion. Gut, die Queen wird mehr nicht allzu viel von den kleinen Bäumchen haben, vermutlich auch nicht jedem Baumpflanzer eine Dankeskarte schreiben. Aber für die nachfolgenden Generationen wäre es ja nicht das Schlechteste, wenn Great Britain wieder grüner würde. Wobei ja immer noch die Frage im Raum steht, wie „great“ Britain denn auf Dauer sein wird. Auch etwas, worunter die Queen wohl leiden dürfte. Mit ansehen zu müssen, wie ein paar Politiker mit vielen Lügen die Briten wieder in die Vergangenheit führen wollen.
Wie toppt man das Maximum?
Egal, zurück zum Jubiläum: Vier Tage lang soll es gefeiert werden. Wie man die Briten kennt: mit viel Musik. 2002 traten Gitarrengott Eric Clapton, Queen-Gitarrist Brian May und Ex-Beatle Paul McCartney, um nur einige wenige zu nennen, zu Ehren der Queen auf. Zehn Jahre später waren es Shirley Bassey, Cliff Richard, Robbie Williams und Stevie Wonder. Und, etwas weniger Rock- und Pop, der chinesische Starpianist Lang Lang. Wer soll das noch toppen?
Zum 90. Geburtstag der Queen hatte die Anglikanische Kirche, deren Oberhaupt die Queen ist, eigene Gebete für die Königin herausgegeben. Mal sehen, was die sich für das „Thronjubiläum in Platin“ einfallen lassen. Von mir aus darf es eine ganze Menge sein. Das wäre nämlich für eine Frau, die Beständigkeit und Verlässlichkeit ausstrahlt. Die immer die Ruhe im Sturm zu sein scheint. Die anderen ihr Vertrauen schenkt. Die also etwas lebt, was man an vielen Mächtigen und an wichtigen Institutionen vermisst.
Charles oder Harry – das ist hier die Frage
Wer weiß, vielleicht hält sie auch deshalb so lange an ihrem Amt fest. Und vielleicht auch, weil die Anglikanische Staatskirche mehr oder weniger deutlich verlangt, dass sie bei der Frage ihrer Nachfolge ihren eigenen Sohn, Prinz Charles, übergeht. Denn seit den Zeiten von Onkel Edward VIII. hat sich nur wenig geändert. Und mit dem Brexit wollen die Briten ja wieder zurück, zurück zu Glanz und Gloria und zu ihren alten Werten. So wundert es wenig, dass wohl nach wie vor viele Briten der Ansicht sind, ein geschiedener Thronfolger, zudem mit einer geschiedenen Frau verheiratet, sei für das Amt des Königs nicht tragbar. Die Anglikanische Kirche, deren Oberhaupt Elizabeth, wie gesagt, ja ist, scheint das ähnlich zu sehen. Dass dann die große Hymne von „God save the Queen“ wieder zu „God save the King“ umgetextet werden müsste, ist dabei das kleinste Problem.
Aber genau in diesem Sinn, nämlich von Beständigkeit und Verlässlichkeit, stimme ich ein in den Ruf, der auch heute vor 68 Jahren erscholl: God save the Queen! Gott segne die Königin. Alles Gute zum Thronjubiläum, lieber Kohlkopf! Und nächsten Sommer – da feiern wir dann so richtig!
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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