Jetzt geht’s los. Fußballfieber und großes Geld (11. Juni)
Heute geht’s los. Zwar erst für die Türkei und Italien, aber am Dienstag auch für unsere deutschen Kicker. Fußball-Europameisterschaft heißt das Zauberwort. 51 Spiele, alle im TV, alle live, alle in Farbe. Was will man mehr? Natürlich dass das deutsche Team möglichst erfolgreich abschneidet. Können die Europameister werden? „Schau’n mer mal“, sagt Hank in Anlehnung an jenen Kaiser, der
nach Skandalen um das deutsche Sommermärchen so krank wurde, dass er völlig aus der Öffentlichkeit abtauchte. Hank ist in unserm Freundeskreis derjenige, der sich am meisten für Fußball interessiert. Hank, der eigentlich Johannes heißt, aber sich seit langem Hank nennt, erinnert gewichtig an die schwierigste Gruppe dieser EM. Erst gegen Frankreich, dann gegen Portugal – wenn es ganz mies läuft, ist das dritte Spiel, dann gegen die Ungarn, bereits völlig bedeutungslos. Oder es geht um alles. Hank bleibt Diplomat.
Fußballweisheiten
Für ihn gelten nach wie vor die drei uralten Fußballweisheiten: „Der nächste Gegner ist der schwerste!“ „Das Runde muss ins Eckige!“ Und: „Ein Spiel dauert 90 Minuten!“ Weil die Geschichte mit den 90 Minuten schon lange nicht mehr stimmt, hat Hank Ersatz auf Lager: „Um zu gewinnen, musst du vorne eins mehr machen als du hinten bekommst!“ Dagegen ist nun wirklich nichts zu sagen. Wobei das ganze Gerede ohnehin unsinnig ist. „Entscheidend ist auf dem Platz“, zitiert Hank wieder einen anderen großen Fußballphilosophen.
Prämien
100.000 Euro Prämie hatte der DFB im Jahr 2004 für jeden Spieler ausgelobt – vorausgesetzt, die Mannschaft gewänne die Europameisterschaft. In diesem Jahr sollen es 400.000 Euro sein – pro Spieler. Auch für die Spieler, die möglicherweise gar nicht zum Einsatz kommen. Damals, 2004, sagte der damalige Torhüter Oliver Kahn: Bei den 100.000 Euro sei man sich sehr schnell einig gewesen. Schließlich würde das Geld woanders verdient.
Was Hank alles weiß! Aber dieses Mal: sogar 400.000 Euro! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie hoch ist Ihr Jahresgehalt? Oder anders gefragt: Wie viele Jahre müssen Sie regulär arbeiten, um mit ihrem ganz normalen Jahresgehalt auf 400.000 Euro zu kommen? Bei den Spielern geht es noch nicht einmal ums Gehalt. Das
bekommen sie ohnehin von ihren Vereinen. Nein, die 400.000 Euro sind ein Zubrot. Ein weiteres neben den Einnahmen aus Werbung für Medienunternehmen, Möbelversendern, Soft Drinks, Pflegemitteln, Nassrasierern, Baumärkten und vieles mehr.
Kein Aufreger
„Der Teufel scheißt halt immer auf den großen Haufen“, sagt Hank gelassen. Hat das auch ein Fußballer gesagt? Hank zuckt nur die Schultern. Ihn juckt das alles nicht. Dass unsere Fußballstars im Erfolgsfall nicht nur ihren Marktwert verbessern, sondern auch noch ein Zubrot erhalten, für dass Otto Normalverbraucher sich Monate oder sogar Jahre abstrampelt, um es über sein reguläres Gehalt zu verdienen? „Was regst du dich auf“, fragt Hank nur. Solange die Arbeitslosen, Hartz 4-Empfänger, Arbeitnehmer, kleinen und mittleren Angestellten, die Gastronomen, Pflegekräfte, Künstler und all diejenigen, die eh schon nur wenig in der Tasche haben und / oder dank Corona um ihre Existenz fürchten müssen, das alles hinnehmen… Solange sie teure Abonnements abschließen, um die Spiele ihrer Mannschaft im Fernsehen sehen zu können… Solange sie Woche für Woche in die Stadien pilgern… Fußball ist eben Fußball. Da gelten andere Regeln.
Andere Regeln
Zum Beispiel, dass die Spieler es bis Mitte dreißig schaffen müssen, möglichst viel Geld anzulegen. Nur dann müssen sie nach dem Ende ihrer Karriere nicht mehr arbeiten. Ob ich schon mal einen Fußballer gesehen, der mit 65 Jahren noch seinem Beruf nachgeht und Fußball spielt, fragt Hank. Meinen Einwand, dass es da doch 67 oder aktuell sogar 68 bis 70 heißen müsste, ignoriert er. Ich soll also bis 70 schuften? Aber ein Fußballer soll möglichst mit 35 Jahren ausgesorgt haben? „Augen auf bei der Berufswahl“, brabbelt Hank. Ohnehin gilt das alles nur unter der Voraussetzung, dass man ein Mann ist. Bei Frauen gilt das noch lange nicht. Wenngleich auch da die Zeiten, in denen der DFB ein Kaffeeservice und ein paar Blumen für einen Titel springen ließ, auch schon lange Geschichte sind.
Nur kein Neid
Nein, das ist kein Beitrag zu einer Neiddiskussion! Zumindest soll es das nicht sein. Wenn sich unsere Nationalkicker tatsächlich durchbeißen und tatsächlich sieben Spiele bei dieser Europameisterschaft bestreiten dürfen und dabei auch noch Europameister werden, dann haben sie sich das verdient. Wenn sich der Bundes-Jogi nicht wieder mal verzockt, wenn sich DIE MANNSCHAFT ein Beispiel an der U21 nimmt, tatsächlich als Mannschaft funktioniert und jeder für jeden rennt – dann stehen die Chancen gut. Dann werden auch die 80 Millionen Bundestrainer in unserem Land zufrieden sein. Aber wehe, wenn nicht! Unter Chefcoach Erich Ribbeck schieden unsere Nationalkicker bei der EM 2000 so früh aus, dass es keinen einzigen Pfennig extra gab. Was ja auch etwas für sich hätte: 26 Spieler mal 400.000 Euro – das sind rund 10 ½ Millionen Euro, die sich der DFB sparen würde. Zusatzgratifikationen für Trainer und Betreuer sowie die geringeren Hotelkosten für die Mannschaft mal völlig außen vorgelassen. Würde man dieses Geld zusätzlich in die Nachwuchsarbeit stecken, wäre das ja auch nicht das Schlechteste.
Bescheidenheit und notfalls das Krönchen richten
Aber so weit wollen wir es ja nicht kommen lassen. Deshalb jetzt weg mit den negativen Gedanken. Wir packen das – das ist unsere Devise. Erst Frankreich, dann Portugal. Wenn es ganz besonders rund läuft, ist das dritte Spiel, gegen Ungarn, dann vielleicht schon völlig bedeutungslos. Weil unsere Elitekicker dann bereits längst im Halbfinale stehen. Und danach? Hank gibt wieder den Kaiser: „Schau’n mer mal!“ Aber Hank wäre nicht Hank, wenn er nicht noch eins draufsetzen würde: „Wenn du Europameister werden willst, musst du jeden schlagen!“
Und wenn nicht? „Mein Sohn, bei all deinem Tun, bleibe bescheiden!“ Das ist jetzt kein Fußballerzitat. Das steht in der Bibel im Buch Jesus Sirach. Und im Lukas Evangelium findet sich gleich ein ganzes Kapitel über Bescheidenheit. Sogar der Apostel Paulus wusste schon, damals allerdings mit Blick auf die Rennbahn, dass am Ende nur eines der Pferde der Sieger sein konnte. Was also bedeutet: Werden unsere Elitekicker Europameister, freuen wir uns wie Bolle und lassen die Sau raus. Scheiden sie frühzeitig aus, lautet die Devise: Aufstehen, Krönchen richten und weitermachen! Oder wie Hank das mit einem erneuten Griff in die Zitatenkiste der Fußballphilosophie sagt: „Lebbe geht wieder!“
Recht hat er. Nur dieses Oliver Kahn-Zitat, dass das Geld ja anderswo verdient wird – das hätte Hank nicht aufwärmen sollen. Das hängt mir irgendwie immer noch nach.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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