Gegen Krawall auf den Straßen – Die Zehn Gebote für Autofahrer (16. August)
„Du sollst nicht töten, nicht die Ehe brechen, kein falsches Zeugnis geben“ – irgendwann haben die meisten von uns diese drei Gebote einmal in der Schule gelernt. Die anderen sieben natürlich auch. Denn üblicherweise werden sie im Paket gelehrt: die Zehn Gebote, aufgeschrieben schon vor rund 3000 Jahren. Lang her ist es also. Und auch geographisch kommen sie aus einer Region weitab von unserer Lebenswirklichkeit. Trotzdem: Mein Religionslehrer bestand darauf, sie „die Zehn Angebote Gottes für ein gelingendes Leben“ zu nennen. Warum auch nicht?
Zehn Gebote für Autofahrer
Vor einigen Jahren gab der Vatikan zehn neue Gebote heraus. Mit neuer Zielrichtung. Zehn Gebote für Autofahrer. Nicht von Gott also, aber immerhin vom damaligen Papst Benedikt XVI. verkündet. „Fühle dich für andere verantwortlich“, heißt es darin zum Beispiel. Oder: „Unterstütze die Familien von Unfallopfern!“ Nun gut, könnte man meinen, der Papst, die Kardinäle und Bischöfe in Rom wissen nur allzu genau, wie man in Italien Auto fährt. Aber weit gefehlt. In Wirklichkeit geht es um weltweit 1,2 Millionen Verkehrsopfer pro Jahr. Das Leben ist zu kostbar, um es aufgrund von Rücksichtslosigkeit zu verlieren, sagte Papst Benedikt XVI. damals sinngemäß bei der Vorstellung dieses neuen christlichen Verhaltenscodexes. „Schütze die Schwächeren auf der Straße“, fordert Gebot Nummer 9. Das macht Sinn, denn allzu oft herrscht auf den Straßen Kampf, wird gerast, gedrängelt und genötigt, was das Zeug hält. Fuß vom Gas, Beten statt Fluchen, aber bitte die Hände immer schön am Steuer lassen – so sieht der Kerngedanke der neuen päpstlichen Leitlinien aus. Sie sagen dem Götzen Auto, das vielfach als Waffe verwendet wird, den Kampf an.
Krieg auf den Straßen
Früher hieß es: Wenn jemand eine Reise tut, dann kann was erzählen. Heute reicht eine ganz normale Fahrt über die Autobahn schon aus. Da sind die Wahnsinnigen, die bis zur Stoßstange auffahren und am liebsten den Vordermann von der Straße schieben würden; die Idioten, die ihre Handys
zücken, um sich auch zu Hause noch am Leid von Unfallopfern aufzugeilen; die Vollpfosten, die sich auf öffentlichen Straßen Autorennen liefern; die Geisteskranken, die für ein Hochzeitsfoto mal eben den Verkehr auf einer Autobahn lahmlegen; die Penner, die einfach zu dämlich sind, eine Rettungsgasse zu bilden; die Dumpfbacken, die einfach immer noch nicht begriffen haben, dass die Handynutzung am Steuer Menschenleben gefährdet. Selbst mathematische Leichtmatrosen können ausrechnen, dass ein Fahrzeug bei Tempo 100 rund 28 Meter zurücklegt. Pro Sekunde. Ein kurzes Wort ins Handy getippt und das Auto befindet sich mindestens 100 Meter im Blindflug. Lebensgefährlich. Denn immer noch gilt der Rat, den ein Rettungsdienst einmal per Aufkleber verteilte: „Fahre nie schneller als dein Schutzengel fliegen kann.“ Und erst recht nicht im Blindflug.Die primitive Seite des Menschen
Oder wie der Papst das seinerzeit so ausgedrückt: „Autos neigen dazu, die primitive Seite des Menschen hervorzubringen und dadurch eher unschöne Ergebnisse zu erzeugen.“ Für den Papst, der ja normalerweise seinem Amt entsprechend eher vornehm formuliert, ist das eine ziemlich heftige Zusammenfassung. Die primitive Seite des Menschen – das trifft es. Oder hätte der Papst hier sogar besser von „primitiven Menschen“ sprechen müssen? Ohnehin hat der Papst in einem unrecht: Nicht die Autos neigen zu etwas – das sind seelenlose, ungelebte, vom Menschen geschaffene Gegenstände. Der Mensch ist es, der schreckliche Unfälle herbeiführt. Und er ist auch dafür verantwortlich, ob seine „primitive Seite“ zum Vorschein kommt oder nicht.
Wer am Steuer sitzt, müsse sich selbst unter Kontrolle haben, den Sinn der Verkehrsordnung einsehen und sich der Risiken des Fahrens bewusst sein, forderte der Papst seinerzeit. Damit sagt der Papst nicht viel Anderes, als schon der zweite Satz von § 1 der Straßenverkehrsordnung klar und deutlich verlangt: „Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Verantwortung für andere? Für viele längst ein Fremdwort. Und jenseits ihrer geringen Vorstellungskraft.
Zu viele Verkehrstote
Als der Vatikan seinerzeit die „Zehn Gebote für Autofahrer“ veröffentlichte, spekulierten manche Kritiker sofort, in Rom sei es wohl zu heiß gewesen. Rund 3000 Tote im Straßenverkehr pro Jahr allein bei uns in Deutschland sprechen eine andere Sprache. Dank zunehmender Assistenzsysteme sinken diese Zahlen zwar stetig. Aber jeder einzelne Verkehrstote, jeder einzelne Verletzte im Straßenverkehr ist einer zu viel. Insofern stehen die „Zehn Gebote für Autofahrer“ für mich auf derselben Stufe wie die Zehn Gebote aus der Bibel: Sie sind Zehn Angebote für ein gelingendes, für ein unfallfreies Leben. Sich ein bisschen für seine Mitmenschen verantwortlich zu fühlen, besonnen im Straßenverkehr zu agieren und vor allem niemanden in Gefahr zu bringen – das sind Maßstäbe, an denen sich jeder Autofahrer orientieren sollte. Und obwohl die „Zehn Gebote für Autofahrer“ mittlerweile ein paar Jährchen auf dem Buckel haben – wie ihre große Vorlage sind sie aktueller denn je. Nicht nur während der Hauptreisezeit. Sondern an jedem Tag.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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