Free Nelson Mandela – Musik und das Ende der Apartheid in Südafrika (17. März)
Sagen wir es gleich vorab: Heute ist ein Feiertag. Zumindest in der Theorie. In der Praxis zwar auch. Aber da hapert es leider immer noch. Am 17. März 1992, also heute vor 29 Jahren wurde in Südafrika die Apartheid für beendet erklärt. Vorbei die Zeit, in der farbige Menschen kein Wahlrecht besaßen, es in öffentlichen Gebäuden zwei Eingänge gab, nämlich für Weiße und für Schwarze. Vorbei auch die Zeit, in der
offiziell schwarze und weiße Kinder voneinander getrennt unterrichtet wurden, die schwarzen zumeist die weniger qualifizierten Lehrer hatten und – ganz konsequent – ihnen dadurch die Befähigung für die besseren Jobs vorenthalten wurde. Vorbei endlich auch die Zeit, in der sexueller Kontakt zwischen den Bevölkerungsgruppen nicht nur verboten war, sondern strafrechtlich verfolgt wurde. Vorbei all das, was die britischen Kolonialherren über den Süden Afrikas gebracht hatten, nachdem sie den Niederländern ihren Besitz streitig gemacht hatten.
Jahrzehntelang hatte die schwarze Bevölkerung unter den weißen Machthabern gelitten. Proteste vor allem im Westen Europas halfen nicht direkt. Am meisten Eindruck machte es dann noch, dass der Krügerrand, die südafrikanische Goldwährung, bei uns geächtet war. Wie das aber immer so ist: Diejenigen bei uns, die sich um Moral einen Dreck scheren, verdienten auch damals, eben genau indem sie Krügerrand kauften.
Die Schwarzen in Südafrika lehnen sich anfangs nur vereinzelt gegen die weißen Machthaber auf. Zu groß ist die Angst, zu gewaltig die Antwort des Regimes. Über Jahrzehnte gibt es immer wieder Tote. Allerdings verändert sich ab Ende der 1960er Jahre die Situation im Land: Einflüsse der US-amerikanischen Black-Power-Bewegung schwappen nach Südafrika. Beteiligt daran ist die südafrikanische Künstlerin Zenzile Makeba Qgwashu Nguvama Yiketheli Nxgowa Bantana Balomzi Xa Ufun Ubajabulisa Ubaphekeli Mbiza Yotshwala Sithi Xa Saku Qgiba Ukutja Sithathe Izitsha Sizi Khabe Singama Lawu Singama Qgwashu Singama Nqamla Nqgith, bei uns besser bekannt als Miriam Makeba. Sie gehört zu den Künstlern, die die südafrikanische Apartheidpolitik vom Exil aus bekämpfen.
Bereits die ersten sechs Monate ihres Lebens verbringt Miriam Makeba (mit ihrer Mutter) in einer Gefängniszelle.
Nachdem sie in den 1950er Jahren als Jazzsängerin und Filmschauspielerin erfolgreich ist, erhält sie eine kleine Rolle, in der sie eine Sängerin in einer „illegalen Kneipe“ spielt, also eine Location ohne Lizenz für den Ausschank von Alkohol. „Come Back, Africa“, so der Filmtitel, ist ein Anti-Apartheid-Film. Zur offiziellen Premierenfeier wird Makeba 1960 als erste Schwarze zu den Internationalen Filmfestspielen von Venedig eingeladen, ist danach in den USA.
Als kurze Zeit später ihre Mutter stirbt, verweigert ihr der südafrikanische Staat die Wiedereinreise. Nicht bei der Beerdigung der Mutter anwesend sein zu können – das trifft Makeba hart. Mit der Hilfe von Harry Belafonte gelingt ihr die dauerhafte Übersiedlung in die USA. Zwischenzeitlich ist sie mit dem südafrikanischen Musiker Hugh Masekela verheiratet, 1968 heiratet sie Stokely Carmichael, einen bekannten Bürgerrechtler und Aktivisten der Black Panther. Drei Jahrzehnte lang bekämpft Miriam Makeba das südafrikanische Apartheidsystem aus dem Exil, wird aber selbst von US-amerikanischen Behörden beobachtet.
Nicht zuletzt durch die Einflüsse aus dem Ausland entsteht in
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In dieser Phase wird Nelson Mandela zum bekanntesten politischen Anführer der Schwarzenbewegung. Mandela lässt sich nicht einschüchtern. Dass er dafür 27 Jahre seines Lebens weggesperrt wird, nimmt er in Kauf. Denn dadurch, dass er sich nicht brechen lässt, wird er zum Symbol des Widerstands, beweist, dass man den Weißen trotzen kann. Seine Inhaftierung zeigt nicht nur unter den Schwarzen Südafrikas Wirkung. Auch in Westeuropa wurde der Ruf nach der Freilassung des politischen Gefangenen Nelson Mandela immer lauter.
Mitte der 1980er Jahre nimmt unter dem Schlagwort „Free Nelson Mandela“ auch die Verknüpfung von Popkultur und Politik Fahrt auf: Die 1977 gegründete Band „The Specials“ stammt aus Coventry, das zu dieser Zeit stark von Rassismus und Arbeitslosigkeit geprägt ist. In ihren Songs, aber auch durch die Covergestaltung in demonstrativem Schwarz und Weiß stellt sich die Band offen gegen Rassismus. Nachdem die Formation auseinandergebrochen ist, benennt sie Gründungsmitglied Jerry Dammers in „The Special AKA“ um und landet 1984 einen Hit mit dem Titel „(Free) Nelson Mandela“.
Plötzlich entsteht Bewegung in der Musikszene: Eddy Grant, viele Jahre bei den erfolgreichen britischen Equals (Softly, Softly; Baby, Come Back; Michael And The Slippertree u.a.), veröffentlicht 1988 auf seinem Album „File Under Rock“ mit „Gimme Hope Jo’anna“ einen Song, in dem er die Missstände in Südafrika, pars pro toto festgemacht am größten urbanen Zentrum des Landes, Johannesburg, zur Sprache bringt.
Im selben Jahr und zwei Jahre später, also 1988 und 1990, finden im Londoner Wembley-Stadion zwei Konzerte statt, die unter dem Motto „Free Nelson Mandela“ geplant und in bis zu 60 Länder im TV übertragen werden. Ursprünglich sollen beide den Druck auf die südafrikanische Regierung erhöhen. Das Konzert am 11. Juni 1988 nimmt als äußeren Anlass des 70. Geburtstag Mandelas an. Als das zweite Konzert am 16. April 1990 stattfindet, haben die realen Ereignisse die Intentionen der Macher überholt: Mandela wurde bereits am 11. Februar 1990 aus der Haft entlassen. Daher wird das Konzert zu einer Art offizieller internationaler Empfang für den lange Jahre Inhaftierten.
(Weil Stevie Wonders Elektronik beim 1988er Festival Probleme macht, schicken die Veranstalter eine junge Frau, die kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums steht, für ihr zweites, dieses Mal akustisches Set auf die Bühne. „Talkin‘ Bout A Revolution“ und andere Songs werden damit im TV übertragen, geben dem Anliegen, der Befreiung Nelson Mandelas, einen wesentlichen Schub. Und ganz nebenbei machen sie Tracy Chapman über Nacht zum Megastar, auch wenn das eine andere Geschichte ist…)
Der Druck auf Südafrika wird immer größer. Ab 1984 zeichnen sich erste Veränderungen in diesem Land ab, die aber noch nicht durchschlagend sind. Erst als im September 1989 in Südafrika gewählt wird und Frederik Willem de Klerk, der bereits vorher Ministerposten bekleidet hatte, Staatspräsident wird, kommt eine Lawine ins Rollen: Ins Amt eingeführt wird de Klerk am 20. September 1989. Noch im selben Jahr nimmt er Verhandlungen mit dem inhaftierten Oppositionsführer Nelson Mandela auf. Das Ergebnis: Am 11. Februar 1990 wird Nelson Mandela aus der Haft entlassen. Bereits 1991 hebt de Klerks Regierung alle wesentlichen Rassentrennungsgesetze auf. Am 17. März 1992, also heute vor 29 Jahren, sind die Gesetzgebung und die gesellschaftliche Entwicklung so weit fortgeschritten, dass die Rassentrennung offiziell als beendet erklärt werden kann. Ein historischer Tag!
Trotzdem flammt immer wieder politisch motivierte Gewalt auf, bis 1993 eine Übergangsverfassung verabschiedet wird, mit der die Alleinherrschaft der weißen Bevölkerung als beendet gilt. 1994 kommt es zu Neuwahlen. Mit überwältigender Mehrheit wird Nelson Mandela als erster Schwarzer Staatspräsident von Südafrika.
Bereits 1993 erhalten Frederik Willem de Klerk und Nelson Mandela den Friedensnobelpreis.
Dass in all den Jahren internationale Firmen in den schwarzen Arbeitern Südafrikas billige Arbeitskräfte fanden, dass auch europäische Regierungen entweder mit ihrer politischen Haltung oder durch finanzielle Garantien das südafrikanische Unrechtssystem stützten, mag an dieser Stelle nur kurz erwähnt sein. Letztlich kam das Ende der Apartheid in Südafrika durch den Druck westeuropäischer Staaten und Gesellschaften zustande. Ein Druck, der genau das fordert, was Verfassungen wie unser Grundgesetz verbrieft haben, was auch seit langem im Programm der Kirchen zu finden ist: Alle Menschen sind gleichberechtigt, alle haben die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten, egal, welche Hautfarbe sie haben, welches Geschlecht, welche Religion. Oder wie die Kirchen formulieren würden: Alle Menschen sind gleichermaßen Gottes Kinder.
Südafrika hat diese Botschaft nach vielen, vielen Jahren endlich verstanden – deshalb konnte 2010 auch dort die Fußballweltmeisterschaft stattfinden. Dennoch bleibt in Südafrika noch einiges zu tun, damit Theorie und Praxis in Einklang kommen. Aber nicht nur dort. Was in den USA in den letzten Monaten aufgeflammt ist, zeigt, was auf unterschiedlichen Niveaus weltweit gilt: Die Botschaft von der Gleichberechtigung aller Menschen ist noch lange nicht überall angekommen. Daran zu arbeiten, ist auch für die Zukunft ein großes Ziel.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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