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Eltern im Knast – Strafe für Kinder (4. August)

Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn zwei Menschen ein Kind in die Welt setzen, kommen auf beide gleichermaßen Rechte und Pflichten zu. So müssen sich die Eltern zum Beispiel darauf einigen, ab welchem Alter ein Kind in die KiTa oder Schule kommt, welche KiTa, und später, welche Schule es besucht – natürlich alles im Rahmen der rechtlichen Vorgaben, die der Staat, ggf. auch die Kommunen machen. Noch weiter gehen die Elternrechte zum Beispiel beim Umgang des eigenen Kindes mit anderen Kindern: Hier können Eltern den Umgang mit einem anderen Kind verbieten. Maßstab ist dabei nicht etwa, ob die Eltern Streit mit den Eltern eines anderen Kindes haben. Alleiniger Maßstab für die Wahrnehmung von Elternrechten ist immer das geistige, körperliche und seelische Wohl des Kindes, wie sich das in etwa im Amtsdeutsch liest.

Rosenkrieg und Kinderleid

Was eigentlich also ganz klar geregelt und daher auch eigentlich ganz einfach sein sollte, ist es eben nicht immer. Wenn die Liebe zwischen den Eltern erkaltet, wenn eine Beziehung vor der Trennung steht und sich Elternteile einen neuen Partner suchen oder bereits gefunden haben, wird es schwierig. Vor allem, wenn die Trennung in Uneinigkeit verläuft. Immer dann, wenn sich die einstmals bis über beide Ohren Verliebten in einem Rosenkrieg die Hölle heiß machen, sind die Hauptleidtragenden oft die Kinder. Diejenigen Partner, die sich verraten und verkauft fühlen, reagieren meist entsprechend emotional. Viele versuchen unbewusst oder sogar bewusst, das Kind gegen den Partner aufzuhetzen, einen Keil zwischen Partner und Kind zu treiben. Dass das soweit geht, dem Partner per Gericht den Umgang mit dem Kind verbieten zu lassen, ist keine Seltenheit. Aber das kennen Sie ja. Wenn nicht aus der eigenen Erfahrung, aus dem Bekannten- oder Freundeskreis, dann aus einem der vielen Filme, in denen diese Problematik zum Thema wird. Denn schließlich handelt es sich um alles andere als eine Seltenheit.

Elternteil im Knast

Eine Art Sonderfall tritt ein, wenn ein Elternteil straffällig wird und für eine gewisse Zeit hinter schwedischen Gardinen verschwindet. Auch hier gilt: Die Pflichten und Rechte beider Elternteile werden durch eine Straffälligkeit vom Grundsatz her nicht berührt. Ein inhaftierter Elternteil hat also dieselben Pflichten wie der Elternteil, der in Freiheit lebt. Und dieselben Rechte. Eine Inhaftierung schließt nicht automatisch ein Recht auf Umgang aus, wie es fachsprachlich heißt.
Allerdings kommen manche Elternteile auf die Idee: Wer so sehr gegen Gesetze verstößt, dass er im Knast landet, ist kein gutes Vorbild für das eigene Kind. Er könnte einen schlechten Einfluss auf das Kind haben. Und wer will das schon? Kein Wunder also, dass immer wieder Gerichte mit dem Antrag beschäftigt werden, den rechtlich verbrieften Umgang eines Elternteils mit seinem Kind einzuschränken oder gar zu verbieten. Für die Gerichte aber stehen ausschließlich das geistige, körperliche und seelische Wohl des Kindes im Vordergrund.

Wohl des Kindes

Was nicht immer leicht zu entscheiden ist: Ist es schlimmer für das Kind, ihm den Umgang mit dem Vater oder der Mutter zu verwehren oder ihn aber mit dem straffällig gewordenen Elternteil zusammenkommen zu lassen? Noch größer werden die Probleme, wenn die Beziehung der Eltern wackelt. Denn auch die Entscheidung, mit dem Kind in eine andere Stadt oder gar in ein anderes Bundesland zu ziehen, ist normalerweise eine Entscheidung, die beide Eltern betrifft.

Aber auch dann, wenn dies alles nicht geschieht, ist die Beziehung eines Kindes mit einem inhaftierten Elternteil stark beeinträchtigt. Wie muss man sich das vorstellen? Sitzt zum Beispiel der Vater eine Haftstrafe ab, so kommt die Mutter samstagnachmittags zu Kaffee und Kuchen, anschließend spielen Vater und Kind mit Legosteinen oder Playmobil oder quatschen einfach miteinander? Die Antwort lautet: Ja, so ähnlich. Bereits im Jahr 2004 richtete die Justizvollzugsanstalt Nürnberg eine monatliche

Vater-Kind-Gruppe ein. Die ermöglicht unter Federführung des Anstaltsseelsorgers die Begegnung von Vätern mit ihren Kindern Allerdings nur für Kinder bis 15 Jahren. Und vor allem: nur für Väter in Untersuchungshaft.

Hessisches Pilotprojekt 2009

Im August vor einem Dutzend Jahren startete das Justizministerium in Hessen ein Pilotprojekt: Danach dürfen strafgefangene Väter einmal im Monat drei Stunden mit ihren Kindern verbringen. Unter Aufsicht können sie mit ihnen in einem Mehrzweckraum essen, basteln oder malen. Trotz Knast haben die Kinder ihre Väter auf diese Weise ganz für sich. Vorausgesetzt, Mutti hat keine Einwände. Aber das hatten wir ja schon…

Letztlich erwies sich das Pilotprojekt als eine gute Idee! Denn wer im Knast sitzt, verliert schnell den Kontakt zu seiner Familie verlieren. So leidet vor allem das Verhältnis von inhaftierten Elternteilen zu ihren Kindern. Das aber wiederum erweist sich oft als Problem für die Zeit nach der Haftentlastung. „Entfremdung“ ist das Zauberwort, was dem Haftentlassenen die Rückkehr in das normale Leben erschwert. Und oft die Wiederaufnahme zur Beziehung zum eigenen Kind erschwert, oft genug sogar unmöglich macht.

Preisgekrönt: Vater-Kind-Gruppe in JVA Billwerder

Das seinerzeit auf ein halbes Jahr befristete hessische Pilotprojekt fand unterschiedliche Fortsetzungen. So gibt es in der Hamburger Justizvollzugsanstalt Billwerder seit 2014 alle vierzehn Tage eine Vater-Kind-Gruppe: Mütter oder Großeltern bringen die Kinder zum Vater in den Knast. Der hat in einer von Ehrenamtlichen begleiteten Gruppe die Möglichkeit, über gemeinsames Spielen und Basteln den Kontakt zum eigenen Kind aufrechtzuerhalten. In Billwerder findet die Begegnung in einer Cafeteria der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter statt, zu der die Inhaftierten normalerweise keinen Zugang haben. Aber hier ist es gemütlicher als in einer Gefängniszelle. Erfreulich, dass die Erfahrungen zwar vielfältig sind, aber immer positiv: Vor allem kleinere Kinder gehen wohl mit dem Eindruck nach Hause, dass sich der Vater in einer Art Krankenhaus befinde. Und so sprudeln sie während der „Besuchszeit“ hervor, was sie dem Vater alles schon die gesamte Woche über sagen wollten. Dass der Vater wegen Raub, Betrug oder schlimmerer Delikte einsitzt, wird nicht zum Thema. Das kann höchstens bei älteren Kindern passieren, die mit dem Vater „einfach nur reden“ wollen.
Die Hamburger Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Eimsbüttel zeichnete das Projekt bereits 2016 mit dem Helmut-Frenz-Preis aus – ein mit 3.000 Euro dotierter Preis, der an Organisationen oder Einzelpersonen vergeben wird, die „der Menschlichkeit ein mutiges Beispiel geben“.

Selbst schuld oder was?

Natürlich kann man diesen und ähnlichen Projekten mit Skepsis begegnen. Vielleicht entbehrt die harte Haltung „selbst schuld“ noch nicht einmal einer gewissen Berechtigung. Aber Menschen machen nun einmal Fehler. Auch solche, die sie kaum oder gar nicht mehr gut machen können. Die Trennung eines Elternteils von seinem Kind würde aber nicht nur den Täter bestrafen, sondern auch ein Kind, das durch einen inhaftierten Elternteil schon genügend Belastung erfährt. Und darüber hinaus geht es beim Strafvollzug in Deutschland nicht um Rache. Stattdessen geht es um die uralten Mechanismen von Schuld und Sühne: Jemand hat einen Fehler gemacht – in der Haft soll er sein Verhalten als falsch erkennen und bereuen. Und vor allem die Gründe verstehen, warum er diesen Fehler nie wieder machen wird. Eine so verstandene Inhaftierung bedeutet, Häftlinge fit zu machen. Fit für ein Leben danach, wieder in der Gesellschaft – und zwar ohne erneut straffällig zu werden. Insofern mögen die Initiativen, einem Elternteil trotz Inhaftierung den Kontakt zu seinem Kind zu ermöglichen, gewagte und mutige Entscheidungen sein. Aber sie sind Entscheidungen für die Menschlichkeit in unserem Land.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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