Blut ist im Schuh – Märchen der Gebrüder Grimm aktuell (3. Juli)
Was ist das nur für eine verrückte Welt? Eine alte Frau verbrennt in einem Backofen, ein Tier, das unter Artenschutz steht, wird brutal ertränkt und eine junge Frau hat jede Menge Blut im Schuh. Wenn es im Tatort am Sonntag solche Szenen gäbe, müsste der bestimmt auf 22.00 Uhr verschoben werden. Schließlich gilt: Erst müssen alle Kinder im Bett sein! Trotzdem gäbe es noch eine Einblendung und eine Stimme, die monoton den Inhalt der Texttafel
verlesen würde: „Die nachfolgende Sendung ist für Zuschauer unter 16 Jahren nicht geeignet!“
Angst im Kinderzimmer
Falls Sie sich als alte Tatort-Hasen jetzt fragen: „Wovon redet die denn? Solche Szenen kamen doch im Tatort gar nicht vor“, dann haben Sie recht. Derartige Szenen stammen aus keinem Fernsehkrimi. Tatsächlich stammen sie von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm. Sprachwissenschaftler und Volkskundler waren die beiden. In dieser Funktion sammelten sie Märchen, die sich die Menschen ihrer Zeit erzählten: Hänsel und Gretel, Rotkäppchen und Aschenputtel, alles Märchen, die sich in den Sammlungen der Gebrüder Grimm befinden. Sie erinnern sich: die Hexe verbrennt im Backofen, der Wolf ertrinkt im Brunnen und Rucke-di-kuh, Blut ist im Schuh! Märchen, die in der Vergangenheit Erwachsene ihren Kindern vorgelesen haben. Geschichten, in denen es vom Bösen in immer neuen Gestalten nur so wimmelt. Geschichten, die kleinen Kinderseelen Angst machen.
Das Gute besiegt das Böse
Längst wissen wir: Das alles ist viel zu grausam fürs Kinderzimmer. Allerdings stehen wir damit nicht allein. Schon die Zeitgenossen der Grimms empfanden so. Und das immerhin vor 200 Jahren. Konsequent waren die Texte auch anfangs keine Kassenknüller, sondern Flops. Niemand wollte sie kaufen. Also schrieben die Grimms ihre Märchen so um, dass sie in die Kinderstuben des Biedermeier passten: mit zuckersüßer Märchensprache, Fantasie und christlichen Wertvorstellungen. Aschenputtels Mutter zum Beispiel rät ihrer Tochter auf dem Sterbebett, sie solle immer schön zum lieben Gott beten! Dann wird der auch helfen. Und wenn die Hexe im Ofen landet, der Wolf in den Brunnen fällt und das Blut im Schuh die falsche Braut entlarvt, dann gibt das sogar Hoffnung. Frei nach dem Motto: Wenn du aus schweren Verhältnissen kommst – mit ehrlichem Bemühen und einer Portion Gottvertrauen
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Märchenfestspiele in Hanau
Wenn Sie jetzt Lust auf Grimms Märchen bekommen haben: Bis Ende August könnten Sie in die Geburtsstadt der Brüder Grimm fahren, nach Hanau. Dort ist es seit vielen Jahren Tradition, die beliebtesten Märchen der beiden Grimms auf die Bühne zu bringen. Brüder Grimm Festspiele, eben. In diesem Jahr zum 37. Mal. Respekt! Das Ganze findet zwar noch unter Corona-Vorzeichen statt, also mit Abstand, aber immerhin: Es geht wieder. Für mich die Highlights des Jahres: „Schneeweißchen und Rosenrot“. „Der Rattenfänger von Hameln“ und natürlich „Das tapfere Schneiderlein“. Das alles in einer atemberaubenden Kulisse, nämlich dem Amphitheater in Hanau. Keines aus römischer Zeit, aber dafür überdacht. Hat ja auch etwas.
Botschaft für Erwachsene
Wem der Weg nach Hanau zu weit ist, hat eine Alternative: einfach wieder mal lesen. Spannend sind die Märchen allemal – vor allem wenn man sie mit den Augen eines Erwachsenen noch einmal ganz anders liest als in der eigenen Kindheit. Das Spannende, ja Dramatische wird auch nicht dadurch geschmälert, dass das Ende zumeist vorhersehbar ist: dass nämlich das Gute am Ende über das Böse siegt. Eine Hoffnung, die nicht nur märchenhaft ist, sondern auch großartig für das Leben außerhalb von Märchen. Eben nicht nur für Kinder, sondern auch für die Welt von uns Erwachsenen. Sie wissen ja: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann wirken sie noch heute.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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