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Baumschubser oder Hausfrau? Beruf des Vaters oder etwas Anderes? (28. Juni)

„Solange du deine Beine unter meinen Tisch stellst…“ Wenn gar nichts mehr hilft, dann kommen Eltern oftmals mit der autoritären Kiste daher. So mancher familiäre Streit ist durch das Totschlagargument von den „Beinen unter dem Tisch“ entschieden worden. „Du machst gefälligst das, was ich will, was ich dir sage!“ Nichts signalisiert mehr die Abhängigkeit von den Eltern. Das gilt auch Fragen der Berufswahl. Einer meiner Onkel erzählte, dass er als Schüler
ein begeisterter Mathematiker war. Auch wenn ich das nie verstehen werde, galt für ihn: Wenn er in Zahlen und Formeln schwelgte, hatte er die Ergebnisse schneller berechnet als andere die Aufgabenstellung verstanden. Klar, dass sein Berufswunsch Nummer eins etwas mit der Mathematik zu tun hatte. Arzt musste er werden. Weil er die Praxis des Vaters übernehmen sollte. Im Laufe der Jahre hat er sich hineingefunden. „Damals“, so sagt er gelegentlich, „damals war alles anders. Damals herrschten andere Sitten! Da hast du getan, was die Eltern von dir verlangt haben.“

Nur kein Abstieg auf der Prestigeleiter

Und das war nicht immer gut. Die Kinder mussten das werden, was die Eltern waren. Da hingen sogar ganz praktische Zwänge dran: Wer sonst soll die Praxis, den Betrieb weiterführen, was würde aus dem Lebenswerk der Eltern werden, wenn nicht die Kinder es fortsetzten? Schließlich hatten die Eltern ihr Leben lang geschuftet und sogar etwas erreicht. Quasi eine Basis geschaffen, um dem hoffnungsvollen Nachwuchs einen guten Start ins eigene Leben zu ermöglichen. Klar, da hing auch Prestige dran: War der Vater Arzt und der Sohn oder die Tochter wollten unbedingt Koch werden, galt das als sozialer Abstieg. Oft genug setzten sich dann die Eltern durch. „Ein Arzt im weißen Kittel in seiner Praxis war eben weitaus angesehener als ein Koch mit seiner vollgekleckerten Schürze“, erläutert besagter Onkel.

Wobei mir ein guter Koch allemal lieber ist als ein schlechter Arzt. Aber sei’s drum. Damals mag das so gewesen sein. Ein paar Jahrzehnte früher war ja auch noch Lokführer der Berufstraum vieler Jungen. Lukas der Lokomotivführer – das war ein Idol. Obwohl damals zentnerweise Kohle geschaufelt werden musste, die Arbeit als körperlich sehr anstrengend und alles andere als sauber galt. Und Schichtdienst… na gut, den gibt es in anderen Berufen natürlich auch.

Du sollst es einmal besser haben

Lediglich die Armen, die Arbeiter, die sollten etwas Besseres werden als die Eltern. Weil es ihnen besser gehen sollte. Weniger Kampf, weniger Angst, mehr Prestige, mehr Wohlstand. Und irgendwie ist das ja heute auch noch so: Fast alle Kinder müssen aufs Gymnasium. Auch die, die selber gar nicht wollen. Selbst Eltern, die über Jahre ihren Kindern keinerlei Unterstützung gegeben haben, wollen nicht wahrhaben, dass bei ihrem Nachwuchs ein ganz anderer Bildungs- und Berufsweg weitaus besser wäre. Und einen glücklicheren Menschen hervorbringen würde. Die


Wünsche der Kinder blieben angesichts der Träume ihrer Eltern oft genug auf der Strecke.

Unrealistische Erwartungen

Und nicht nur die Wünsche. Oftmals auch die Kinder als Menschen. Und mit den unrealistischen und deshalb überzogenen Erwartungen auch die Familie. Ein Thema auch in der Literatur, zum Beispiel in Thomas Manns „Buddenbrooks“. Der Untergang einer seit Generationen erfolgreichen Kaufmannsfamilie ist vorprogrammiert, weil die letzte Generation einfach nicht zum Kaufmann taugt. Einfach den Erwartungen der Eltern und den Kreisen, in denen diese verkehren, nicht entspricht.

Anders als der Vater: Stuntfrau Janina Dall

Im „richtigen Leben“ ist es manchmal aber auch genau umgekehrt: Nehmen Sie nur einmal Karl Dall, den vor einem halben Jahr verstorbenen Komiker. Der machte zwar aus seinem, nun ja, sagen wir „besonderem Aussehen“ eine Marke und avancierte vom Klassenclown letztlich zum Kultstar. Aber seine bildhübsche Tochter Janina wollte den Beruf des Vaters nie als Sprungbrett benutzen. Und Karl Dall ließ sie, als sie zu einer gefragten Stuntfrau wurde. Heute lebt sie als „Stuntwoman“ und Fotografin in Kanada. Weit weg von zu Hause, ein ganzes Stück abseits der Spuren des Vaters, wenn auch irgendwie im Showgeschäft.

Die Dinos: Baumschubser der Hausfrau?

Werden, was die Eltern wurden! Für mich heute ein merkwürdiger Gedanke. Irgendwie archaisch. Und schon fällt mir die Fernsehserie „Die Dinos“ ein. Erinnern Sie sich noch an Vater Earl, Mutter Frances, und Baby Sinclair, das immer forderte: „Ihr müsst mich liebhaben“? Als Sohn Robbie langsam erwachsen wird, ist für den Mann bei der Berufsberatung klar: „Du wirst Baumschubser!“ Genau der Beruf also, den auch Vater Earl ausübt. Robbie ist entsetzt. Nein, Baumschubser will er auf keinen Fall werden“ Jetzt ist der Berufsberater entsetzt: „Ja willst du etwa Hausfrau werden?“ Andere Berufe gibt es nicht in der Welt dieser vermenschlichten Saurier. Na ja, wenn man genau hinschaut, gibt es schon den einen oder anderen Beruf. Aber den hat niemand im Blick. Ganz logisch, dass der Nachwuchs den Beruf des Vaters oder der Mutter erlernen soll. Gut, dass das heute anders ist. Es gibt nahezu unendlich viele Berufe. Und jeden Tag kommen quasi ein paar neue hinzu. Berufe, deren Namen zum Beispiel meine Eltern noch nie gehört haben.

Was wäre, wenn?

Einmal ein verwegener Gedanke: Wie hätten sich wohl die letzten 2000 Jahre entwickelt, wenn Jesus damals die Familientradition folgsam fortgesetzt hätte? Denn wahrscheinlich hat sogar der alte Joseph damals verlangt, dass Jesus Zimmermann auf dem Bau würde. „Junge, du musst doch die Firma übernehmen“, hat er möglicherweise gesagt. Und am Ende vielleicht: „Solange du deine Beine unter meinen Tisch stellst…”. Doch dieser Jesus wird Rabbi, also eine Art „Religionslehrer“. Und setzt sich damit über den Wunsch seines Vaters hinweg. Joseph wird anfangs alles andere begeistert gewesen sein. Aber Jesus wird zu einer der spannendsten Figuren der Weltgeschichte, zu einer Person, die die nächsten 2000 Jahre prägt. Unglaublich. Was bleibt, sind zwei spannende Fragen, die wohl kaum zu beantworten sind: Wie hätte sich die Welt entwickelt, wenn Jesus tatsächlich Zimmermann auf dem Bau geworden wäre? Und wie würde sich die Welt entwickeln, wenn sich alle, auch seine Anhänger, endlich einmal vollständig an seine Lehre hielten?
Beantworten kann man diese Frage nicht. Dazu ist sie zu hypothetisch. Aber darüber nachdenken – das kann man schon. Für mich gilt: Ich bin froh, weder Hausfrau noch Baumschubser geworden zu sein. Und das ist auch gut so!

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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