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Alle Jahre wieder: 1. Advent (28. November)

Haben Sie es schon getan? Oder tun Sie es noch. Vorausgesetzt, Sie haben überhaupt noch so ein Ding! Einen Adventskranz, meine ich. Nein? Schade! Ja? Dann gehören Sie dazu. Zu denen, die heute die erste Kerze anzünden. Sie wissen doch: Advent, Advent, ein Lichtlein brennt… Wobei das mit dem Advent so eine Sache ist. Denn schon das Wort klingt irgendwie angestaubt.

Vorbereitung auf Weihnachten

Latein als Fremdsprache, u-Deklination: adventus, adventus maskulinum – die Ankunft, das Eintreffen. Adventszeit also die Zeit, in der man sich auf die Geburt des Gottessohnes vorbereitet. Auf Weihnachten.
So die kirchliche Interpretation für die folgenden vier Wochen. Und während ich an Pfeffernüsse, Schokoprinten, Spekulatius und Glühwein denke, schnallten unsere Vorfahren den Gürtel enger, verzichteten freiwillig auf alles, was „die Seele zusammenhält, aber den Leib auseinandertreibt“. Denn früher galt die Adventszeit nämlich als winterliche Fastenzeit.

Winterliche Langsamkeit

Aber bleiben wir einen Moment in vergangenen Zeiten: Früher saßen die Familien zusammen, entzündeten feierlich die erste Kerze am Adventskranz, sangen Lieder, Eltern und Großeltern lasen oder erzählten vorweihnachtliche Geschichten. Gleichzeitig ergriff eine vorweihnachtliche Langsamkeit die zumeist bäuerlichen Menschen – sicher auch bedingt durch die Jahreszeit.
Ja, wenn man Oma und Opa mal fragt: Die erzählen von der Vorfreude auf Weihnachten. Von den ersten Spekulatius, die es am 1. Advent gab – aber nur vielleicht! Nur wenn man vorher schön lieb war! Oder, und das war vielfach die bittere Wirklichkeit, wenn das Geld dafür reichte. Anders war das mit dem Bratapfelduft, der durchs Haus zog: Äpfel hatte fasst jeder im eigenen Garten. Und Zeit, köstliche Bratäpfel herzustellen, auch.

Anders als früher

Von diesen adventlichen Einstimmungen auf Weihnachten verstehen wir heute kaum noch etwas. Bei Aldi, Lidl und Co. gibt es Dominosteine, Lebkuchen und Spekulatius schon seit Anfang September. Im Gegensatz zu Oma und Opa ist das für uns mit der Adventsstimmung ganz schön schwierig. Die Form, in der der Advent begangen wird, hat sich für die meisten Menschen massiv verändert. Zusammensitzen wie die Alten? Singen? Geschichten vorlesen? Vielleicht sogar noch über sich selbst nachdenken, über sein Verhältnis zu anderen Menschen und zu Gott? Das haben wohl mittlerweile die Wenigsten auf dem Schirm.

Erste Kerze

Wem heutzutage der Advent zu stressig und die Vorbereitung zu hektisch sind – der sollte sich an das Vorbild der Altvorderen erinnern und Advent zu dem machen, was er genaugenommen ist: eine stille Vorbereitung auf das schönste aller Feste, nämlich auf Weihnachten.
Wenn Sie also gleich die erste Kerze an Ihrem Adventskranz anzünden oder bereits angezündet haben: Vielleicht bringt sie das Kerzenflackern ja dazu, wenigstens ein bisschen auf die Bremse zu treten, wenigstens etwas herunterzufahren. Damit Sie Weihnachten ruhig und gelassen und mit ein bisschen Freude feiern können.

Advent seit etwa dem Jahr 500 belegt

Für Eilige ist bis hierhin alles gesagt. Der Rest ist etwas für all die, die mehr wissen wollen. Den Anfang macht eine einfache Information: dass nämlich der Brauch des Advents sich erstmals um das Jahr 500 nachweisen lässt. Und dass der Adventskalender erst im 19. Jahrhundert zum Advent hinzukommt.

Weil der Adventskalender aber nicht mit dem 1. Advent beginnt, sondern immer mit dem 1. Dezember beginnt, erzähle ich Ihnen dazu erst etwas in drei Tagen. Man soll ja auch nichts übertreiben.

Unterschiedlich langer Advent

Wenn wir auf die winterliche Fastenzeit schauen, wird es schon kompliziert genug. Aber da sie ja noch weiterlesen, kann ich nur sagen: Sie haben es so gewollt.
Also: Weihnachten fällt immer auf dasselbe Datum, nämlich den 24. bzw. 25. Dezember. Der Advent beginnt aber immer an einem Sonntag. Dadurch ist die Adventszeit unterschiedlich lang: Fallen Weihnachten und 4. Advent auf denselben Tag, dann beginnt die Adventszeit erst am 3. Dezember und dauert somit nur 22 Tage. Fällt aber Weihnachten auf einen Samstag, wird auch die Adventszeit länger: Der erste Adventssonntag liegt dann nämlich schon am 27. November, die Adventszeit dauert dann 28 Tage.

Beginn immer am Vorabend

Wollen Sie es noch einen Tick komplizierter? Können Sie haben! Üblicherweise nämlich beginnt nach alter jüdischer Zeitrechnung der Tag mit dem Sonnenuntergang am Vortag. Nur weil die Katholische Kirche diese rituelle Form der Zeitrechnung übernommen hat, können Katholiken am Samstagabend eine gültige Sonntagsmesse feiern: Denn die Wandlung, der Herzstück des katholischen Gottesdienstes, findet – rituell betrachtet – erst am Sonntag statt. Deshalb konnte die erste Kerze am Adventskranz, die für den ersten Adventssonntag steht, in den katholischen Gottesdiensten auch schon gestern Abend entzündet werden. Und bei frommen Katholiken zu Hause natürlich auch.

40 als heilige Zahl

Wo wir gerade dabei sind, lege ich noch einen drauf. Es geht nämlich immer noch komplizierter. Zumindest was die Dauer der Fastenzeit betrifft. Lassen Sie uns deshalb einen Moment auf die österliche Fastenzeit blicken: „40 Tage“ dauert die. Bevor Sie nachzählen: Von Aschermittwoch bis zum Osterfest sind es nur dann 40 Tage, wenn Sie die Sonntage abziehen. Der Tag, an dem nach christlicher Lehre Christus von den Toten auferstanden ist, ist natürlich kein Fasttag. Jetzt zurück zur winterlichen Fastenzeit. Da gilt Ähnliches. Nur viel komplizierter.

Symbolzahlen 4 und 10

Das hat etwas mit der 40 zu tun. In der Gematrie, also der uralten jüdischen Lehre, nach der „Zahlen erzählen“ und Sprache von der Bedeutung der Zahlen durchdrungen ist, steht die Vier für die Welt: Himmelsrichtungen, die vier Elemente, die vier Lebensphasen Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter. Die Zehn ist die Zahl der Vollendung. Addieren Sie mal die ersten vier Zahlen zusammen – 1 + 2 + 3 + 4 – und Sie erhalten die Zehn. Und damit die Zahl der Finger an Ihren Händen, das alte Symbol für den Kreis und damit auch die Symbolzahl für das Ganzheitliche. Was meinen Sie wohl, warum die Angebote Gottes für ein friedliches, sinnerfülltes Leben in genau zehn Geboten formuliert sind? Richtig!

Produkt der Zahlen 4 und 10

Das Produkt aus den Zahlen 4 und 10, also die 40, ist etwas ganz Besonderes. Deshalb dauert die Sintflut 40 Tage und 40 Nächte, weitere 40 Tage lässt Noah einen Raben fliegen (und erst später die Taube, die die meisten im Kopf haben). 40 Tage ist Moses auf dem Berg Sinai, 40 Jahre führt er die Israeliten durch die Wüste, weg aus Ägypten, ab ins „Gelobte Land“. Immer wieder findet sich in der Bibel die Symbolzahl 40, sei es in der Lehrerzählung von Jona und dem Wal, bei der Größe des von König Salomon erbauten Tempels und anderen Angaben. Ja, ganz konsequent dauert die Zeit, die Jesus mit Fasten und Gebet in der Wüste zubringt, 40 Tage. Wer mag, darf an historische Zahlen glauben. Wer es nicht mag, nimmt die Zahlenangaben als Metaphern. Und zwar für das Wirken in der Welt.

Auch im Winter: 40tägige Fastenzeit

Sorry, aber manchmal dauert ein Exkurs etwas länger. Wichtig ist, dass anschließend der Bogen zum Ausgangspunkt gespannt wird. Und das passiert jetzt: Wie bereits gesagt, schwankt die Dauer der Adventszeit zwischen 22 und 28 Tagen, wobei Sie vier Sonntag abziehen müssen. Wie kommt man da auf ein 40tägiges Fasten? Klare Antwort: gar nicht. Es sei denn, sie machen das so, wie es die Kirche wohl schon seit dem vierten Jahrhundert getan hat: Sie lassen die winterliche Fastenzeit nach dem Martinstag beginnen. Bevor Sie nachrechnen:

Nach St. Martin, bis zu den heiligen drei Königen

Auch vom 12. November – am 11. November feiert die Katholische Kirche den heiligen Martin – bis Weihnachten kommen Sie abzüglich der Sonntage auch nicht auf 40 Tage. Das klappt erst, wenn Sie nicht nur die Sonntage herausrechnen, sondern auch die Samstage. Und vor allem, wenn Sie den ursprünglichen Termin für das Weihnachtsfest in Ihre Rechnung einbeziehen: den 6. Januar. Auch wenn sie jetzt sagen sollten: „Ist das nicht am Festtag der heiligen drei Könige?“ Ja, stimmt. Aber kirchlich heißt dieser Tag „Epiphanias“, was Sie mit „Erscheinung des Herrn“ übersetzen können. Also: der ursprüngliche Termin von Weihnachten. Deshalb bekommen Kinder in Spanien vielfach auch heute noch am 6. Januar Geschenke.

Weihnachten in den Ostkirchen

Zu weit gehen würde es, wenn ich Ihnen jetzt noch erklären würde, dass die Ostkirchen einen anderen Kalender nutzen als die christlichen Kirchen im Westen und dass deshalb die orthodoxen Kirchen in Osteuropa und die koptische Kirche im Nahen Osten Weihnachten am 6. Januar feiern. Hier entwickelt sich auch die Idee der 40tägigen Vorbereitungszeit, zumal in den östlichen Kirchen „Erscheinung des Herrn“ aus alter Zeit ein Termin für Taufen war. Aber wie gesagt: Das noch anzuführen, würde hier viel zu weit führen. Deshalb erwähne ich das hier auch gar nicht.

Im Blick: Weihnachten als Fest der Geschenke

Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, wie wir heutzutage die Adventszeit erleben: vor allem mit Entscheidungen, die Weihnachten im Blick haben. Was gibt es da nicht alles vorzubereiten: Geschenke müssen gekauft werden. Wer um alles in der Welt wird in diesem Jahr beschenkt? Und: Was um Himmels Willen bekommt wer? Die durchschnittlichen Ausgaben für Weihnachtsgeschenke lagen im letzten Jahr bei über 499 Euro. In diesem Jahr schätzt man die Ausgaben auf über 522 Euro. Pro Kopf, wohlgemerkt. Was angesichts von Kindern und finanziell schwächer Gestellten bedeutet, dass wohl etliche Menschen deutlich mehr Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Einzelne Branchen wie Buchhandel und Spielwaren erwirtschaften zum Weihnachtsfest 25 Prozent ihres gesamten Jahresumsatzes. Wahnsinn! Wahnsinn aber auch, welch ein Kraftakt – sowohl finanziell, wie auch von der Planung her – das für jeden Einzelnen bedeutet. Zumindest als Fest der Geschenke macht Weihnachten seinem Namen alle Ehre.

Weihnachtsessen

Aber das ist längst nicht alles. Die Frage nach dem Weihnachtsessen kann ganze Familien spalten. Glücklich, wer traditionell jedes Jahr dasselbe auf den Tisch bringt. Bei den meisten Deutschen sollen das Würstchen und Kartoffelsalat, behauptet eine Kollegin steif und fest. Irgendwo hat sie das gelesen. Ich dachte immer, dass die Entscheidung zwischen Karpfen und Truthahn fiele. Egal, das muss jeder selbst entscheiden. Wobei in meinem Bekanntenkreis vor allem ein Trend zu beobachten ist: der Trend hin zu Gerichten, die die Vorbereitungszeit in Grenzen halten. Fondue und Raclette gehören zu den Spitzenreitern: verhältnismäßig wenig Zeit in der Küche für die Vorbereitung, aber langes Zusammensitzen und ganz viel Miteinander… Längst auch das Ideal in meiner Familie.
Vielleicht machen wir damit nicht die vorweihnachtlichen Erfahrungen unserer Vorfahren. Aber wir kommen ziemlich nah an sie heran. Und das ist ja nicht der schlechteste Umgang mit Weihnachten.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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