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Adventskalender – wieso, weshalb, warum? (1. Dezember)

Erster Dezember – solange ich denken kann, für mich ein besonderes Datum! Vor allem als Kind konnte ich diesen Tag kaum erwarten. Am Vorabend, kurz vor dem Zubettgehen, hängten meine Eltern einen Adventskalender ins Zimmer. 24 Türchen, für jeden Tag eines. Bis Weihnachten! Öffnen durfte ich die immer morgens, sofort nach dem Aufstehen. Aber wirklich immer nur eins! Zwei an einem Tag – sofort hätten meine Eltern den Adventskalender abgehängt und die süße Vorfreude auf Weihnachten beendet! Also: Jeden Tag wirklich nur eins. Hinter jedem Türchen ein Stückchen Schokolade. Mal in Form einer Glocke, mal als Stern. Und sobald man die kleine Köstlichkeit herausgenommen hatte, konnte man auf ein farbiges Bild gucken. Schön war das! Und natürlich lecker.

Moderne Adventskalender

Längst hat sich das Angebot an Adventskalendern erweitert. Ein längst Verflossener schenkte mir vor ein paar Jahren einen Adventskalender, mit dem ich 24 Sorten Tee entdecken konnte. Versprach zumindest die Werbung. Am Ende waren fünf oder sechs Sorten doppelt. Natürlich ausgerechnet die, die mir am wenigsten schmeckten. Irgendwann gönnte ich mir einen Adventskalender mit Wellnessartikeln. Duftkerzen, Aromaöle, unterschiedliche Aromaöle zum Kochen. Alles bio. Und alles brauchbar, alles sinnvoll und gut, auch wenn ich weder einen Schlüsselanhänger, ein feines und ein grobes Salz und erst recht das Lavendelduftsäckchen nicht brauchen konnte. So ist das eben, wenn man einen wie auch immer deklarierten Koffer mit Proben und Pröbchen aus dem Sortiment einer Firma kauft.

Adventskalender für Frauen?

Zugegeben: Als mir ein Typ mal einen Adventkalender mit Kosmetikartikeln schenkte, war ich schon etwas angesäuert. Wollte der mir sagen, dass ich mehr für mein Äußeres tun müsse und dass ein paar Düfte immer noch besser röchen als ich selbst? Napoleon war es, wenn ich mich recht besinne, der einer seiner Mätressen mal mitteilen ließ, er käme demnächst vorbei. Bis dahin solle sie sich nicht waschen und parfümieren. Er wolle ihren Geruch in sich aufnehmen. Irgendwie etwas in dieser Richtung war es wohl. Und was das Verschenken von Cremes und Parfüms anbelangt: Frauen können da manchmal ganz empfindlich sein.

Adventskalender für Männer

Männer sind da eher plump. Ein Adventskalender mit 24 verschiedenen Sorten Schnaps, vom Whisky bis hin zum Kräuterschnaps passt immer. Außer natürlich bei Anti-Alkoholikern. Da ist auch der Kalender mit 24 Biersorten tabu. Seit eine Kollegin im letzten Jahr davon schwärmte, für

ihren Mann einen Adventskalender gekauft zu haben, der ihm an jedem Tag einen neuen Schraubendreheraufsatz präsentierte, weiß ich, was Torx, BTZ und Innensechskant sind.

Kann teuer werden

Besagte Kollegin hat in diesem Jahr so richtig investiert: Ihre Mutter bekam einen Adventskalender mit 24 verschiedenen Sorten Biosaatgut, ihre Schwester darf sich ab heute über 24 verschiedene Gewürze aus aller Welt freuen. Für ihren Sohn hat die Kollegin einen 24teiligen Escape-Room-Adventskalender erstanden. Den Vogel abgeschossen aber hat sie mit einem Adventskalender für sich und ihren Mann: einen erotischen Adventskalender für „Paare, die mehr wollen“, garantiert neutral verpackt. Das sagt schon alles. Übrigens auch über meine Kollegin und ihren Mann. Über 400 Euronen, so die Kollegin stolz, habe sie in diesem Jahr allein für individuelle, auf jeden Beschenkten zugeschnittene Adventskalender ausgegeben. Kann man machen. Für dieses Geld könnte ich mit meinem Freund ein paar Mal nett essen gehen… (Ja, ja, den Corona-Einschränkungs-Satz verkneife ich mir!) Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen, wie meine Oma zu sagen pflegt. Koste es, was es wolle. Geld spielt keine Rolex!

Zeit verkürzen oder Herzkaspar

Kaum zu glauben, wie die ersten Adventskalender aussahen. Von Anfang an ging es darum, Kindern die Zeit zu verkürzen, in der sie auf das langersehnte Christkind warten mussten. Wenn man mich fragt: Von wegen verkürzen! Dass es so langsam vorangeht, dass jeden Tag immer noch so viele Türchen zu öffnen bleiben, steigerte die Spannung erst recht. Noch fünf Türchen, noch vier, noch drei… käme ich mich darauf konzentrieren würde, bekäme ich spätestens einen Tag vor Weihnachten mit einem Herzkaspar in die Klinik. Unerträglich, wie die Spannung immer weiter aufgebaut wird. Aber mich fragt ja keiner!

Erste Andventskalender

Zurückverfolgen lassen sich die Ursprünge des Adventskalenders bis ins 19. Jahrhundert. In protestantischen Familien wurde es zum Brauch, Kinder ab dem 1. Dezember einen Kreidestrich an die Wand malen zu lassen. So lernten sie nicht nur das Zählen und Malen, sondern wussten auch: Wenn der 24. Strich gemalt ist, kommt das Christkind. Wer schon damals selbst mit diesen einfachen Formen von Graffiti nichts am Hut hatte, ließ sein Kind jeden Tag einen Strohhalm in die Weihnachtskrippe legen. Wie von Zauberhand lag dann am 24. Dezember abends das Christkind im Futtertrog. Ob und wie dann die normalste Frage der Welt von den Eltern beantwortet wurde, weiß ich nicht. Sie wissen schon, die Frage woher die Babys kommen und wie sie entstehen. Nicht ganz einfach, dass Vier- oder Fünfjährigen zu erklären, erst recht nicht im 19. Jahrhundert.

Himmelsleiter

Vielleicht war diese mit dafür verantwortlich, dass sich der Adventskalender zu einer Leiter wandelte, auf der das Christkind jeden Tag eine Sprosse tiefer aus dem Himmel herabstieg. Was ich mir in meiner Einfalt wiederum ziemlich aufwändig vorstelle: Jeden Abend, wenn die Kinder endlich im Bett sind, muss man an die Leiter gehen, irgendwelche versteckten Halterungen lösen und eine Figur eine Sprosse tiefer platzieren – dazu wohl selbst am Anfang hoch auf die Leiter klettern… Na, ich weiß nicht.

Adventskalender selbst basteln

Quasi eine Revolution gleich kam dann der gedruckte Adventskalender. Ganz am Anfang des 20. Jahrhunderts erblickte der das adventliche Kerzenlicht der Welt. Dieser Adventskalender, der damals übrigens Weihnachtskalender hieß, hatte24 Gedichte und 24 religiöse Bilder. Die Kinder mussten die Bilder ausschneiden, das dazu passende Gedicht auswählen und beide aufeinanderkleben. Während sich die Kinder auf diese Weise ihre eigenen Adventskalendertürchen bastelten, waren die Erwachsenen fein raus: einmal gekauft konnte sie die Kinder getrost sich selbst überlassen.

Noch vor 100 Jahren: eine fromme Angelegenheit

Den Adventskalender mit 24 Türchen gibt es etwa seit 1920. Immer noch war das eine ganz fromme Angelegenheit: Wer nämlich ein Türchen öffnete, erhielt als Gegenleistung einen Bibelvers als Geleit in den Tag. Diese Art von Adventskalender setzte von Deutschland ausgehend dann zu einem Siegeszug um die Welt an. Erst recht natürlich, als sich ab 1958 hinter den Türchen ein winziges Stück Schokolade befand.

Endlich Schokolade

Am 24. Dezember waren Türchen und Schokolade dann ein bisschen größer. Und die Warterei hatte endlich ein Ende. Jetzt musste nur noch die Zeit zwischen Öffnen des letzten Türchens am Morgen und der Bescherung am Abend überbrückt werden. Wer da von einem der kürzesten Tage im Jahr redet, ist nie Kind gewesen. Der 24. Dezember ist mit Abstand der längste Tag im Jahr. Kein Tag zieht sich mehr als der so genannte Heilige Abend. Aber das ist eine andere Geschichte.

Feuergefahr

Fast vergessen: Als transparenter Kunststoff erfunden wurde, fand der natürlich auch im Adventskalender Verwendung: Sobald nämlich die Schokolade aus dem Fach hinter dem Türchen entfernt war, konnte man auf Plastik gucken, das mit einem weihnachtlichen Motiv bedruckt war. Bei dieser Art von Adventskalender ließ sich die Rückwand entfernen. Hielt man den Kalender gegen Licht, waren die kleinen Bildchen im inneren des Kalenders weitaus besser zu sehen. Erst recht, wenn man eine Kerze dahinter stellte. Wovor aber ihre Eltern zurückschreckten, erinnert sich meine Oma lebhaft. Seit in ihrer Kindheit der Adventskalender mal auf eine brennende Wachskerze gefallen war, war es damit vorbei. Der Kalender hatte zwar die Kerze sofort gelöscht. Aber dieses „Wer weiß, was da alles hätte passieren können“ wurde wohl zum Lieblingswort meiner Urgroßmutter. So dass es mit der brennenden Kerze als Beleuchtung hinter dem Adventskalender vorbei war, so meine Oma.

Durchhalten!

Seit heute also gilt wieder: schrittweise dem Weihnachtsfest näherkommen, Türchen für Türchen sich an Weihnachten annähern. Aber jeden Tag nur eins! Dann kann man sich am 24. Dezember sagen: durchgehalten! Jetzt hat die Warterei endlich ein Ende. Jetzt kann Weihnachten kommen! Was natürlich nur gilt, wenn man auch wirklich jeden Tag nur ein Türchen aufmacht. Wenn ich an einen Bekannten denke, kann ich nur sagen: Egal, ob er einen Adventskalender mit 24 Bieren oder mit 24 Schnäpsen zu Hause hat – bei ihm funktioniert die ganze Geschichte mit Warten und dem Verkürzen der Wartezeit maximal vier, fünf Tage. Dann ist der Adventskalender geplündert. Mit Warten hat er nichts am Hut. So wie er auch nicht mit der Botschaft von der Menschwerdung Gottes anfangen kann, auf die ja das ganze Hinfiebern auf Weihnachten hinauslaufen soll. Weshalb er Weihnachten feiert? Volksfest, Tradition, das Fest des heiligen Baumes? Keine Ahnung.

Mein Adventskalender

Die Entscheidung, welcher Adventskalender der richtige für mich ist, fiel mir leicht. In diesem Jahr, wie auch in den letzten Jahren, wenn ich nicht von einem meiner Freunde einen speziellen Adventskalender geschenkt bekam, sondern mir – wie immer auf den letzten Drücker – einen selbst kaufte: In meinem Wohnzimmer hängt ein ganz einfacher Adventskalender mit Schokolade, günstig erstanden beim Discounter. Der reicht mir, um mich dem Weihnachtsfest zu nähern, ganz gleichmäßig, in 24 Schritten, jeden Tag ein bisschen mehr. Dass ich heute Morgen den ersten Schritt hin auf das diesjährige Weihnachtsfest getan habe, können Sie sich denken. Noch 23 weitere Türchen – dann ist Weihnachten. Klasse!

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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