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8. Februar, God bless you! So niesen Sie richtig

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

8. Februar, God bless you! So niesen Sie richtig

Hatschi! Gesundheit! Eigentlich ist es jedes Jahr dasselbe: Mit den Tagen, die seit dem 22. Dezember wieder länger werden, hält die Hoffnung Einzug, dass der Frühling bald kommt. Und dass sich der Winter spätestens mit Beginn der „heißen Phase der Karnevalszeit“ auf dem Rückzug befindet. Schnee zu Weihnachten – das wäre schön gewesen. Aber von da an kann es meinetwegen langsam, aber stetig, freundlicher und vor allem wärmer werden. Genau das ist mal wieder nicht der Fall. Und wie meistens im Februar hält erst jetzt der Winter so richtig Einzug. Zumindest in vielen Teilen des Landes. Drei Komponenten, die nicht zusammenpassen, kommen gerade jetzt zusammen: die trügerische Hoffnung und Vorfreude darauf, dass wir in Sachen Kälte das Schlimmste überstanden haben; die mehr oder weniger durch Heizungsluft und zu wenig Aufenthalt an der frischen Luft aufgebrauchten Abwehrkräfte; und jetzt das harte Zuschlagen des Winters, ähnlich wie beim Boxen genau auf die Zwölf. Die Folge: genau, hatschi! Und: Gesundheit. Es fehlt nicht mehr viel, dann laufen landauf – landab die Nasen, schniefen ihre Besitzer und… tja, manchmal löst sich das Kribbeln in den Riechorganen nahezu explosionsartig: Die Nase befreit sich von allem, was sie stört. Und dazu gehören auch die pathogenen Mikroorganismen, die sich in der Nasenflüssigkeit und auf den Schleimhäuten befinden. Und das in Corona-Zeiten!

Nun soll ja zurzeit, immer wenn wir uns in Gesellschaft befinden, die obligatorische Maske dazu beitragen, dass wir möglichst niemand anderen anstecken. Falls wir selbst infiziert sind, werden wir durch die Maske daran gehindert, unkontrolliert zur Virenschleuder zu werden. Trotzdem schnell noch eine Lektion in „Niesen für Anfänger“.
Maßnahme Nummer eins: Wenn es eben noch geht, drücken Sie die Nase mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Das hilft oft, um den Niesreiz doch noch zu unterdrücken. In Zeiten wie diesen kann das ja schon helfen, um das Leben des einen oder anderen Hypochonders, der gerade mit Ihnen in der Schlange im Supermarkt ansteht, zu entlasten. Falls Sie übrigens merken, dass diese Maßnahme nichts mehr rettet, lassen Sie den Dingen unbedingt ihren Lauf. Bloß nicht weiterhin zuhalten und den Druck in den eigenen Kopf ablassen! Noch aus der Schulzeit wissen Sie, dass zu viel Druck nie besonders gut ist. Denken Sie nur an Ihre Schulzeit zurück, wenn Ihr Lehrer Sie vor Ihren Klassenkameraden durch das Abfragen des Lernstoffs gepiesackt hat… Na gut, ein anderer Druck. Aber das Ergebnis bleibt: Zu viel Druck im Kopf ist nicht gut.
Also folgt Maßnahme Nummer zwei: Niesen Sie in

Ihre eigene Armbeuge! Ja, jetzt zahlt sich aus, dass Sie tatsächlich eine Maske aufgesetzt hatten. Die schont Jacke oder Mantel! Und Ihr Gegenüber wird auch nicht geduscht. Wer will das schon? Erst recht, aber das hatten wir schon, in Corona-Zeiten? Und keine Angst: Auch wenn Sie nun weiter durch Ihre Maske einatmen, können Sie sich gar nicht selbst anstecken, weder mit Erkältungsbazillen oder Grippeerregern oder Coronaviren. Wenn Sie nämlich erst so weit sind, dass Sie diese mit einem Nieser von sich schleudern würden, sind die Eindringlinge eh schon in Ihrem Körper. Trotzdem kann es nicht schaden, die Maske bei nächster Gelegenheit zu wechseln.
Und jetzt sehen Sie mal, wie sich die Zeiten ändern: Früher, als wir noch keine Masken trugen, gab man den Tipp, die Hand vor Mund und Nase zu halten. Das war nicht gut. Besser war da der Rat, ein Taschentuch vor die Nase zu halten. Der Vorteil: Die Hand bleibt trocken und zumindest einige Bakterien bei uns. Zeitgenossen, denen Sie im Laufe des Tages noch die Hand schütteln, werden es uns danken, hieß es damals lakonisch.
Wobei das mit dem Taschentuch meistens nicht geklappt hat: Kurz bevor sich der Zinken mit gewaltigem Donnern des aufdringlichen Kitzelns entledigt, schnell noch die Packung mit den Papiertüchern aus der Handtasche zu fingern, verzweifelt zu versuchen, möglichst nur ein einziges Tuch aus der viel zu engen Folienöffnung zu friemeln, dieses dann auch noch zu entfalten und rechtzeitig, vor Ausbruch der Explosion, vor die Nase zu bringen, ist Überforderung pur. Völlig praxisfern! Sogar ohne Handtasche in der Hand und ohne den Druck durch die anderen in der Schlange Stehenden im Supermarkt. Also blieb am Ende doch nur die Möglichkeit, sich wenigstens schnell noch die Hand vor den Mund zu halten. Sie sehen, wie froh wir sein können, dass wir heute eine Maske tragen!

Soweit die Pflicht. Jetzt kommt die Kür. Denn wenn heute jemand niest, brav und höflich mit „Gesundheit“ zu reagieren, ist nach dem aktuellen Knigge völlig out! Gut, vermutlich werden Sie eh keine Zeit haben, irgendetwas zu sagen, weil Sie vermutlich erschreckt zur Seite springen. Und da das die anderen in der Schlange vor der Supermarktkasse auch tun, müssen Sie sich darauf konzentrieren, den Mindestabstand einzuhalten, aufgrund Ihres unfreiwilligen Seitensprungs möglichst keine Regale umzuwerfen und halbwegs auf den Beinen zu bleiben. Aber keine Sorge: Heute schweigt man eh besser. Denn, es lebe der Fortschritt, die „Bringeschuld“ liegt seit geraumer Zeit beim Niesenden. Der sollte nämlich dann das Wörtchen „Entschuldigung“ vor sich hinmurmeln. Was ja das Mindeste ist, wenn man bedenkt, dass auch die beste Maske bei zu viel Druck… Nur gut, wenn der Schuldige, also der Nieser, dann wenigstens Tipp zwei befolgt hat und sein Nasenkitzeln in seine Armbeuge entladen hat.

Und obwohl ich das alles nachvollziehen kann und auch für richtig halte, bin ich zwiegespalten, habe eine ambivalente Haltung, wie man heute so sagt. Mir kommt es unwirklich vor, anerzogen, konditioniert, wenn ein Niesender reflexartig eine Entschuldigung von sich gibt. Das ist auch nicht besser, als ihm als Reflex auf seine Verbreitung von Bakterien und Viren ein „Gesundheit“ zurückzuschleudern. Irgendwie finde ich dieses „Entschuldigung“ blöd! Ich weiß ja nicht einmal, ob er sich für den Lärm entschuldigt oder weil eben doch ein paar Bakterien durch die vorgehaltenen Finger geschlüpft sind. Ich gebe zu: Das macht die ganze Sache tatsächlich zu einer schlüpfrigen Angelegenheit…

Anders als die Herrschaften, die regelmäßig die Benimmregeln des Freiherrn Knigge auf den neusten Stand bringen, schiele ich ein wenig ins Vereinigte Königreich. „To sneeze“, „niesen“ heißt da der entsprechende Vorgang. Wenn nun bei wechselhaftem, nasskaltem Wetter jemand sein Niesen nicht mehr unterdrücken kann, dann ruft der britische Gentleman formvollendet: „Bless you!“ Auf deutsch: „Sei gesegnet!“

Ja, ich weiß, ich weiß, das wäre schon eine merkwürdige Geschichte, wenn im rappelvoll besetzten Bus jedes Niesen mit einem „Sei gesegnet“ beantwortet würde, möglicherweise noch aus ganz vielen Mündern. Aber der Sinn dahinter gefällt mir: Gesegnet sein heißt auf Latein „benedicere“ – wörtlich übersetzt: gut sagen. Wenn mir also jemand wünscht, sei gesegnet, dann sagt er damit: Gott sei mit dir. Der Gott, der es gut mit dir meint, der dein Bestes will. Er sei ein Segen für dich.
Egal, ob man als Niesender gläubig ist oder nicht – ein schöner Wunsch ist es allemal. Zumindest ist mir der lieber als ein verklemmtes Schweigen… oder wenn ich beim Niesen auch noch um Entschuldigung bitten soll.
Und jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich brauche unbedingt ein Papiertaschentuch. Jetzt, sofort! Sonst…

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