19. Februar – Gleiches Recht für alle. Der Kampf um mehr Rechte für Frauen
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
19. Februar – Gleiches Recht für alle. Der Kampf um mehr Rechte für Frauen
„Junge Frauen sexuell belästigt“; „japanische Regierungspartei will Frauen bei Spitzentreffen zusehen lassen“; „Reiseverbot der iranischen Skitrainerin durch ihren Ehemann“; „Frustrierte Männer und ihr Kampf gegen Frauen“; „Gewalt gegen Frauen war für ihn wohl normal“ – die Schlagzeilen in diesen Tagen sind reißerisch. Und vor allem: schlimm! Das liegt aber nicht an denen, die darüber berichten. Sondern daran, was zurzeit bei uns und draußen in der großen, weiten Welt passiert und Aufsehen erregt. Denn all die Schlagzeilen zeigen: Männer und Frauen stehen gesellschaftlich noch lange nicht auf derselben Stufe.
Nun sollte man nicht in den Fehler verfallen, erst einmal ins Ausland zu zeigen. Japan und Iran sind in den Schlagzeilen oben ausdrücklich genannt. Und wenn in den Medien von sexuellen Belästigungen die Rede ist, denkt man schnell an den Karneval der letzten Jahre zurück: Da waren es Männer aus fremden Kulturen, die ihren Gewohnheiten und Ansichten gegenüber Frauen nicht nur auf der Kölner Domplatte nachkommen wollten. Und zu Recht angezeigt wurden. Nur: Zu glauben, dass es bei Deutschen besser sei, ist ein Trugschluss.
Tief drin in den Bewohnern dieses Landes, um das einmal frei von jeder Nationalität zu formulieren, steckt eine über Generationen anerzogene Mentalität, die es zu ändern gilt. Über Jahrhunderte wurden Frauen auf die drei „K“s reduziert, auf Küche, Kinder und Kirche. Oder auf Körpermaße wie 90 – 60 – 90. (Und gelegentlich stellte man dieselbe Frage wie beim Fleischer: Darf es ein bisschen mehr sein?) Sagen Sie nicht, das alles sei ferne Vergangenheit. Noch unser vorletzter Kanzler, den ein amerikanischer Professor vergnüglich als „Gas-Gerd“ bezeichnete, sprach vom „Ministerium für Familie und Gedöns“. Das war 1998. Und Schröder meinte das „Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Glück hat er gehabt, dass die „Grauen Panther“ sich, damals schon ziemlich zahnlos, dahinsiechend auf ihre Auflösung vorbereiteten; dass Jugend sich viel zu wenig für Politik interessierte, um sich hier zu empören; und dass Frauen… in großer Zahl genau diesen Kanzler wählten. Ähnlich wie viele, viele Frauen in den USA genau den Mann wählten, der noch im Wahlkampf 2016 sagte, was er von Frauen hielt und wie man als Mann am besten mit Frauen umgeht: „Grab them by the pussy!“ Verstehen kann ich das nicht!
Szenenwechsel: An einem 19. Februar sprach zum ersten Mal eine Frau in einem deutschen Parlament. 102 Jahre ist das her. Das Parlament war die verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung in Weimar. Marie Juchacz hieß die Frau. Und das Entscheidende brachte sie in ihrer Rede deutlich auf den Punkt: „Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“ Gemeint war das Wahlrecht – für Frauen eine neue Errungenschaft.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Erst am 19. Januar 1919 durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen. Eine Zulassung zum Studium in Deutschland übrigens gibt es erst ab 1986 in Preußen – als Gasthörerinnen! Und gleich noch ein paar Zahlen: Erst seit 1958 dürfen Frauen ihr eigenes Vermögen selbst verwalten und z.B. ein eigenes Konto eröffnen. Bis 1958 entscheidet in Deutschland der Ehemann, ob seine Frau arbeiten gehen darf oder nicht. Und nicht zu vergessen: 1955 erlässt der Deutsche Fußball Bund ein Verbot für den Frauenfußball. Aufgehoben wurde dies erst 1970. Alles noch gar nicht so lange her!
Bis dahin hatte sich die Politik an das gehalten, was 2000 Jahre vorher der Apostel Paulus gefordert hatte, allerdings getreu jüdischer Tradition nur für Gemeindeversammlungen: „Das Weib schweige in der Gemeinde“. Und erst recht in der Politik, so die Meinung mancher Mannsbilder bei uns über Jahrhunderte. Gott-sei-Dank hat sich da eine Menge geändert: Rita Süßmuth, Anne-Marie Renger, Heide Simonis waren mehr als Vorkämpferinnen. Und Angela Merkel schaffte es von „Kohls Mädchen“ hin zum Bundeskanzler mit der längsten Amtszeit in der Geschichte der Bundesrepublik – wenn sie denn bis zur nächsten Bundestagswahl im Amt bleibt. Frauen haben ihre Rolle in der Politik längst gefunden. Sie stehen ihren männlichen Kollegen in nichts nach und – pardon, meine Herren – machen manches vielleicht nicht besser, aber anders. Und das ist gut so!
Dabei wäre alles ganz einfach, würde man einmal die biblische Schöpfungserzählung genauer lesen: Zwar wird zuerst der Mann von Gott geschaffen. Aber aus seinem Bein, aus seinem Fleisch schafft Gott die Frau. Löst man diese bildhafte Darstellung auf, dann will der biblische Schriftsteller sagen: Die Frau stammt aus dem gleichen Material wie der Mann. Sie ist ihm also ebenbürtig, gleichgestellt, so wie eben alle Menschen vor Gott gleich sind. Die alten Schreiber haben sich etwas dabei gedacht, als sie ihre Überzeugung von der göttlichen Schöpfung in schöne sprachliche Bilder kleideten. Sie wollten nämlich eine glasklare Absage an alle Kulte im Alten Orient, die damals den Mann eindeutig über die Frau stellten.
Zugegeben, durch die Jahrhunderte war diese Sichtweise nicht immer
ungetrübt. Dass jemand seine Macht nur ungern abgibt, ist ein altbekannter Hut. Und so zieht sich der Kampf von Männern gegen Frauen durch die Jahrhunderte. Oder, wie bei der Ablehnung des Priestertums der Frau in der Katholischen Kirche, fußt vor allem auf uralten Traditionen und deren Interpretation. Da sofort wieder nur vom Festhalten weißer, alter Männer an ihrer Macht zu reden, mag zum Teil zutreffen, greift aber dennoch zu kurz. Wer ausschließlich so argumentiert, redet Traditionen und vor allem auch die feinen biologischen Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein – zumeist absichtlich – kleiner als sie sind.
Das Aufbegehren für gleiche Rechte wie Männer – im Vereinigten Königreich traten Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts dabei durchaus auch militant in Erscheinung. So gab es immer wieder Attentate gegen und Angriffe auf Männer – übrigens auch auf Frauen, die den Kampf ihrer Geschlechtsgenossinnen nicht unterstützen wollten. Einer der Höhepunkte ereignete sich zufällig auch an einem 19. Februar, wenn auch bereits im Jahr 1913: Da flog das Haus des britischen Finanzministers kurzerhand in die Luft – ein Anschlag, ausgeführt von Frauen.
In den 1960er Jahren setzte sich dann vornehmlich in den USA „Women’s Lib“ für Frauenrechte ein. Dank sozialer Medien findet diese Bewegung im Riot Grrrl Movement eine aktuelle Wiederkehr. Pussy Riot und #metoo lassen grüßen, auch wenn sich diese Initiativen vornehmlich gegen sexuelle Übergriffe richten – nicht zuletzt auch verstärkt bzw. ausgelöst durch den Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein. Alles, was dazu beiträgt, die Gleichberechtigung von Frauen voranzutreiben, ist gut. Alles, außer Gewalt. Gewalt ist ein Mittel, das niemals akzeptabel ist. Genau so wenig wie Gewalt gegen Frauen, egal ob körperlich, sexuell, seelisch, sprachlich oder wie auch immer, niemals richtig ist. Sie muss massiv bekämpft, bestraft und in einem weitaus höheren Maße als heute gesellschaftlich geächtet werden. Wer „Grab them by the pussy“ denkt, vielleicht sogar ausspricht und im schlimmsten Fall sogar danach handelt, disqualifiziert sich selbst. Selbst wenn ihm 100 mal auch Frauen dafür zujubeln!
Hilft eine zementierte Frauenquote dabei, diese Ziele zu erreichen? Ich persönlich bin skeptisch. Was passiert, wenn diese Quote tatsächlich einmal erreicht ist? Wie lange will man brauchen, um eine Quote, die man jetzt in die Köpfe hämmert, zu erhöhen? Von mir aus können Frauen 100 Prozent aller Führungspositionen besetzen. Mir ist es nämlich völlig egal, ob ich von einer Kanzlerin oder einem Kanzler regiert werde. Hauptsache, die oder der macht einen guten Job. Deshalb sollte die einzige Voraussetzung für die Besetzung einer Führungsposition die Qualifikation der Person sein. Und ganz sicher bin ich nicht der Einzige, der schon unqualifizierte Frauen in Führungspositionen erlebt hat und ebenso unqualifizierte Männer. Das Geschlecht sollte völlig aus den Überlegungen bei der Besetzung von Stellen verschwinden. Eine Frauenquote aber verstärkt den Blick auf das Geschlecht, zementiert also eine Schranke, die sie eigentlich abbauen will. So gesehen hindert eine Frauenquote also möglicherweise mehr, als dass sie nützt.
Gleichberechtigung meint Gleichberechtigung. Sie meint vor allem einen Kampf gegen ein bestimmtes Bewusstsein. Gleichberechtigung bedeutet aber nicht die schlichte Gleichsetzung der Geschlechter. Frauen, die in ihrem Kampf um Gleichberechtigung am Ende doch nur so sein wollen, wie sie Männer in der Gesellschaft sehen, kämpfen in Wahrheit nicht für die Rechte von Frauen. Und konterkarieren genau das, was es zu erreichen gilt: gleiche Möglichkeiten und Chancen, gleiche Rechte und Pflichten, gleich Bezahlung aller Menschen ohne Blick auf das Geschlecht. Und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis! (Übrigens auch ohne Blick auf Herkunft, Religion und Hautfarbe. Aber das ist ein anderes Thema!)
Am 19. Februar 1919 hat Marie Juchacz mit der ersten Rede einer Frau vor einem deutschen Parlament einen mutigen Anfang gemacht. In den Jahrzehnten danach ist zwar einiges passiert. Aber noch lange nicht genug. Frauen und Männer müssen endlich Wege finden, um das, was uns auch unser Grundgesetz vorgibt, umzusetzen. Frauen UND Männer zusammen! Und zwar miteinander, nicht gegeneinander. Bis dahin gibt es noch eine Menge zu tun. Und zwar schnellstens.
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