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18. Januar, „Die Sünderin“ (Hildegard Knef, Uraufführung 1951)

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

18. Januar, „Die Sünderin“ (Uraufführung 1951)

Um das vorab gleich zu sagen: Ich war gar nicht dabei, war noch lange nicht geboren! Aber ich kann mir in etwa vorstellen, was das für ein Skandal war, damals, 1951, am jenem 18. Januar und in den folgenden Tagen: Stinkbomben in den Kinosälen, Flugblätter, die zur Verteidigung des „gesunden Ehrgefühls des Volkes“ aufriefen. „Gesundes Ehrgefühl“ – was für eine Sprache! 1950er Jahre eben! Ein Sturm der Entrüstung fegte über Deutschland hinweg. Wochenlang nur ein Gesprächsthema: jener Film, in dem Hildchen Knef in zwei Einstellungen mit entblößter Brust zu sehen war. In zwei winzigen Sequenzen!

Der damalige Kölner Erzbischof, Josef Kardinal Frings, tobte: Katholische Männer und Frauen und die gesunde katholische Jugend sollten die Lichtspieltheater meiden. Schließlich sei da die Zersetzung der sittlichen Begriffe des Volkes zu sehen.

Kein Vorwurf an den Erzbischof: 70 Jahre später kann man nämlich immer leicht meckern. Im Gegenteil: Kirchliche Würdenträger, die ihre Aufgabe ernst nehmen, nämlich Menschen auf ihrem Weg zu einem gottwohlgefälligen Leben zu begleiten, müssen vor all dem warnen, was diesen Weg gefährdet. Und das ist je nach gesellschaftlichen Umständen, je nach Zeit- und oft genug auch nach Lokalkolorit unterschiedlich.

Heute allerdings, auf den Tag 70 Jahre später nach der Erstaufführung, würde der Film niemanden mehr vom Hocker reißen. Dazu hat sich an der Bewertung der Inhalte viel zu viel verändert. Eine entblößte weibliche Brust? Sehen wir heute im Fernsehen, im Kino, in bestimmten Tageszeitungen. Nur so nebenbei: Gibt es eigentlich eine wissenschaftliche Studie, die der Frage nachgeht, ob das Tabuisieren von Sexualität nicht genau das auslöst, was restriktive Kreise als Begründung für die Tabuisierung angeben? Warum eigentlich hört der ach-so-zivilisierte Mensch, der von der Mutterbrust gestillt wird, sie also von Kindesbeinen vor Augen hat, damit auf, die weibliche Brust als etwas Natürliches, als etwas Normales anzusehen? Aber das nur so nebenbei.
Viel wichtiger: Obwohl die entblößte Brust der Knef in Erinnerung geblieben ist,

war das zentrale Thema des Films ein ganz Anderes: Denn eine der Hauptfiguren, ein Maler, hat einen unheilbaren Hirntumor, erblindet langsam. Er und seine Geliebte, natürlich nicht verheiratet, greifen am Ende zum Gift. Genaugenommen also ein dreifacher Skandal, zumindest für die frühen 1950er Jahre: wilde Ehe, Prostitution und Suizid eines Todkranken und seiner Geliebten.

Dass Menschen ohne kirchlichen Trauschein zusammenleben, gilt längst als Alltag. Auch sogenannte käufliche Liebe hat ihren Platz in der heutigen Gesellschaft, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Zwangsprostitution. Was bleibt, ist die Diskussion über den Suizid von Todkranken. Und die ist nach wie vor wichtig. Längst hat sich die Diskussion verlagert, ist zu einem Streit über aktive Sterbehilfe geworden. Darf man oder darf man nicht? Gesellschaftlich ist vieles im Fluss. Lediglich die Katholische Kirche beharrt auf ihrem Standpunkt: Wer im Sterben liegt, brauche Hilfe, keine Frage. Das aber müsse Zuwendung sein, Schmerzlinderung, Beistand – und nicht ein wie auch immer gearteter Giftcocktail. Für die Katholische Kirche ist das Leben als Geschenk Gottes nicht verfügbar. Also darf kein Mensch ein menschliches Leben beenden. Schließlich gelte das Gebot „Du sollst nicht töten“ unverändert weiter, so vielleicht kurz zusammengefasst. Übrigens auch eine Argumentation der Katholischen Kirche, die bei Abtreibung und Todesstrafe auf gleiche Weise greift.

Meine Meinung: Gut, dass wir über Sterbehilfe, Tod auf Verlangen und Suizid diskutieren. Der Staat gibt Rahmenbedingungen vor. Die können sich ändern, können sich aktuelleren Vorstellungen und Erkenntnissen anpassen. Das kann man begrüßen, damit kann man hadern. Ganz wichtig aber ist mir, dass man unaufgeregt über die Problematik diskutiert. Und dabei auch die Positionen Andersdenkender ernst nimmt. Ernst nimmt und mit in sein eigenes Denken einbezieht. Denn nur an unterschiedlichen Positionen kann man sich reiben, sich an ihnen messen und seine eigene Position schärfen. Und dann – und das ist das Wesentliche – wohl begründet auch seine eigenen Entscheidungen treffen.

Übrigens: Die Attacken der Kirche damals haben nicht das erreicht, was sie sollten. Die Produzenten von „Die Sünderin“ verdienten sich nämlich dumm und doof, so Hildegard Knef später in einem Interview. Schlangen an den Kinokassen bewiesen: Das, was lauthals als negativ gebrandmarkt wird, wird erst recht interessant. Das war damals so – das ist heute so. Schlimm allerdings war der gesellschaftliche Aufschrei für Hildegard Knef: Die wurde tatsächlich abgestempelt, galt selbst als „Die Sünderin“ und wurde lange in Deutschland geschasst. Das war vielleicht die größte, kaum verzeihbare Sünde im Zusammenhang mit diesem Film!

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