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10. Februar – 1. Rosenmontagszug in Köln

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

10. Februar – 1. Rosenmontagszug in Köln

Helau oder Alaaf – am Rosenmontag hat der Karneval, der Fasching Hochkonjunktur. Nach dem närrischen Wochenende jetzt die Rosenmontagsumzüge, dann am Faschingsdienstag noch mal Vollgas, bis am Aschermittwoch alles vorbei ist.
Halt, halt, halt! Wenn Sie jetzt sagen: Moment mal, dieser Text kommt ja wohl ein paar Tage zu früh. Und mit Rosenmontagszügen in Corona-Zeiten ist ja wohl nichts – dann haben Sie recht. Aber auch nicht. Recht haben Sie, wenn Sie anmahnen, dass wir heute Mittwoch haben und wir noch Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag hinter uns bringen müssen, bis endlich der Rosenmontag gekommen ist. Unrecht haben Sie insofern, weil genau heute vor 198 Jahren der erste Rosenmontagszug in Köln stattfand. 10. Februar 1823 – das war ein Montag. Rosenmontag. Also: Datum merken! In zwei Jahren feiert der Rosenmontagszug seinen 200. Geburtstag. Und Geburtstag dürfen auch die mitfeiern, die mit Karneval normalerweise wenig am Hut haben.
Eine ganz schön alte Tradition also, die sich da bis heute erhalten hat. Am Rosenmontag fliegen die Kamellen und die Strüssche, wie man im Rheinland so sagt. Die Strüssche – das sind Blümchen, die einfach zum Rosenmontag dazugehören. Das sagt ja schon der Name: Rosenmontag. Auch wenn gar nicht immer nur Rosen von den Wagen geworfen oder von den Fußtruppen verteilt werden. Abgeleitet ist der Name übrigens – kein Quatsch – vom Rosensonntag. Den gab es wirklich. An diesem Tag weihte der jeweilige Papst eine goldene Rose und übergab sie dann einer verdienten Persönlichkeit übergab. Diese Tradition ist noch viel älter als der Rosenmontagszug. Sie geht nämlich bis ins 11. Jahrhundert zurück, ist also rund 1.000 Jahre alt. Da kann der Rosenmontagszug nicht mithalten.

Trotzdem: Damals, am 10. Februar 1823, schickten die Kölner den „Hofnarr(en) des Königs Carneval“ auf die Strecke. Und erfanden so ganz nebenbei den Straßenkarneval. Egal ob Karneval, Fasching oder Fastnacht – immer geht es hoch her. Vielerorts mit bunten Motivwagen, Fußgruppen und viel Musik. Düsseldorfer und Mainzer Karnevalisten müssen jetzt ganz stark sein: In Düsseldorf folgte der 1. Rosenmontagszug erst zwei Jahr später; die Mainzer starteten sogar erst 15 Jahre nach der Kölner Premiere mit ihrem allgemeinen Maskenumzug.

Irgendwo zwischen der Rosenweihe durch den Papst und dem ersten Rosenmontagszug erfanden die Menschen des Mittelalters die sogenannten Fastnachtsspiele. Los ging es im

ersten Drittel des 15. Jahrhunderts. Bei der einfachen Form zogen jungen Burschen mit einer Verkleidung von Haus zu Haus und belustigten ihre Freunde, Bekannten und Verwandten. Etwas später gab es richtige Vorstellungen. Requisiten oder eine Bühne gar es allerdings nicht. Hauptsache das, was vorgetragen wurde, war lustig. Und damit das auch klappte, war der Inhalt meist ziemlich derb und, für heutige Verhältnisse zotig, sprachlich also sexuell ziemlich übergriffig. Von bösen, weißen und alten Männern sprach damals noch niemand! Da packte man vor dem Beginn der Fastenzeit noch mal alles aus, was man auspacken konnte…
Überall, wo sich beginnend ab 1517 Reformation durchsetzte, fiel die Fastenzeit ins Wasser. Die Fastnachtsspiele aber blieben. Im Grund erreichten sie jetzt erst ihre künstlerische Hochphase. Wenn Sie Lust haben, lesen Sie einmal die Texte von Hans Rosenplüt, Hans Folz, Hans Sachs und Jakob Ayrer. Die sind zwar in Mittelhochdeutsch geschrieben, aber in einem so späten Mittelhochdeutsch, dass sie nahezu jedes Wort verstehen. Für viele Texte in dieser Zeit gilt: Man versteht eigentlich alles. Und wenn man etwas nicht versteht, ist das auch besser so. Man würde beim Lesen nämlich eh nur rot…
Weil man sich in dieser Zeit auf Geist und Seele konzentrieren soll, darf man es vorher noch einmal so richtig krachen lassen. Quasi als Spiel, wie verführerisch das Leben sein kann
In der mittelalterlichen Fastnacht wurden Dinge geduldet, die ansonsten das ganze Jahr über streng verboten waren. Da durchbrach man gesellschaftliche Schranken, feierte auch damals schon, bis der Arzt kam, und gab noch einmal richtig Vollgas. Quasi als Spiel, wie verführerisch das Leben sein kann. Die Zeit, in der man sich ausschließlich auf Geist und Seele konzentrieren soll, kommt danach, ab Aschermittwoch. Da ist das gesamte Narrentreiben vorbei. Voll und ganz.

Für dieses absolute „Schluss mit lustig“ gibt es eine alte Tradition, die das deutlich unterstreichen soll: Im Ruhrgebiet, möglicherweise auch anderswo, beerdigen Karnevalisten am Aschermittwoch den Bacchus. Eine lebensgroße Puppe, die nach dem Beinamen des Gottes des Weines genannt wird, wird in einer großen Prozession durchs Dorf oder durch den Stadtteil feierlich zu Grabe getragen. „Schnaps – das war sein letztes Wort“ – so sagt es auch die Überlieferung über den Bacchus. Der Leichenzug ist übrigens nie traurig: Meist spielt ein als Frau verkleideter Mann die laut lamentierende Witwe, die natürlich – trotz Aschermittwoch – zum Tröster einlädt. Den gibt es aber erst, nachdem Bacchus auf einem freien Platz verbrannt wird. Was aber nicht ganz so schlimm ist. Dieser Bacchus ersteht spätestens ab 11. November wieder von den Toten auf.

Auferstehung – das ist auch das Stichwort für die mit dem Aschermittwoch beginnende Fastenzeit. Die Katholische Kirche sieht darin eine 40tägige Vorbereitungszeit auf Ostern, an dem nach christlicher Vorstellung die Auferstehung Christi gefeiert wird.

So weit, so schlecht. Denn in Corona-Zeiten ist natürlich alles anders. Wie am 11. Februar 1991, als die Rosenmontagszüge wegen des Golfkrieges abgesagt wurden, heißt es in diesem Jahr: Nichts ist mit Straßenkarneval. Nichts ist mit Rosenmontagsumzügen. Und weil die Innenstädte sogar in den Karnevalshochburgen gut zu erreichen sind, haben vielerorts die politisch Verantwortlichen bereits klargemacht: In diesem Jahr ist der Rosenmontag ein ganz normaler Arbeitstag. Das gilt auch für’s Homeoffice…

Da müssen wir wohl durch. Und das ist alles andere als prima. Aber immerhin wissen Sie: Im nächsten Jahr am 10. Februar feiert der Kölner Rosenmontagszug seinen 199. Geburtstag. Bis zum Rosenmontag dauert es allerdings dann noch ein paar Tage länger als in diesem Jahr: In 2022 ist er Rosenmontag nämlich erst am 28. Februar. Und wenn bis dahin in Sachen Corona das Schlimmste überwunden ist, heißt es dann auch wieder auf den Straßen der Karnevalshochburgen: Helau und Alaaf!

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