Lena – Looking For Love
Ist das wirklich schon zwölf Jahre her? Kaum zu glauben! Damals gewann eine unbekümmerte 18jährige nach Nicole zum zweiten Mal den Eurovision Song Contest für Deutschland – ein außergewöhnlicher Erfolg in der ansonsten von Pleiten, Pech und Pannen dominierten deutschen ESC-Geschichte. Genauso sensationell war es, dass dieselbe Göre ein Jahr später erneut bei ESC antrat. Und hätte sie nicht im Jahr zuvor gewonnen, dann wäre ihr zehnter Platz immer noch eine herausragende Platzierung für Popmusik aus unserem Land in der ESC-Welt. „Lena Meyer-Landruth“ stand damals auf dem Plattencover – längst reicht die Verkürzung auf „Lena“ aus, um zu signalisieren: Da kommt gut gemachter Pop aus deutschen Landen, der international durchaus mithalten kann. Vor allem aber handelt es sich zumeist um Songs, die einen tieferen Sinn transportieren. Doch dazu später mehr.
Hetze, Hochzeit, Nachwuchs
Seit Lenas ESC-Sieg vor zwölf Jahren hat sich eine Menge getan: Seit zwei Jahren ist Lena mit ihrem Sangeskollegen Mark Forster verheiratet – noch in diesem Sommer soll eine Mega-Sause in Italien stattfinden. Mit dabei ist dann auch Luca Malaika, das einjährige gemeinsame Töchterchen der beiden. Doch der Blick auf die Vergangenheit ist auch bei Lena nicht rosarot: Bitterböse Anfeindungen im Netz musste sich die Sängerin zwischenzeitlich gefallen lassen – und konterte so, wie eine Musikerin am besten kontern kann: mit Songs, in denen sie ihre Verletzlichkeit beschreibt. Und die Dummheit derjenigen, die sich feige in der Anonymität des Webs verstecken und meinen, dort ungestraft herumpöbeln zu können. Zudem geht es Lena in diesen Songs deutlich erkennbar darum, denjenigen Mut zu machen, die von ähnlichen heimtückischen, dummdreisten Attacken betroffen sind.
Tour abgesagt
Aktueller Nackenschlag: Im April entschloss sich Lena schweren Herzens, ihre für diesen Sommer geplante Tour zu verschieben. Sie fühle eine Verantwortung für die Besucherinnen und Besucher ihrer Konzerte, die sie gar nicht haben wolle und die sie völlig überfordere. Angesichts der aktuellen Corona-Inzidenzen kein Wunder. Insofern scheint die Tour-Absage eine schmerzliche, aber möglicherweise richtige Entscheidung zu sein – auch wenn es uns Konzertbesucher ähnlich schmerzen dürfte wie die Künstlerin.
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Looking For Love
Einen kleinen Ersatz gibt es immerhin in Form eines neuen Songs: „Looking For Love“ heißt der. Und knüpft inhaltlich an Lenas Single „Strip“ aus dem letzten Jahr an. Denn damals bat sie um Akzeptanz und das Recht, authentisch sein zu dürfen – das alles bezogen auf sich selbst. Mit „Looking For Love“ macht sie diese Vorstellungen zu einem universellen Ideal, das für alle Menschen gleichermaßen gilt.
Lena singt:
„Was wäre, wenn wir alle,
so wie wir sind, gut genug wären?
Wir suchen doch alle Liebe!“
Meilenweit von der Wunschvorstellung entfernt
Was wäre – der Konjunktiv macht deutlich, dass es sich um eine Wunschvorstellung handelt. Von der aber sind wir meilenweit entfernt. Das weiß auch Lena:
„Hast du das Gefühl, dass du alles vermasselt hast?
Gerade so, als wäre das Leben zu viel gewesen?
Hast du Angst davor, nach Hause zu kommen,
weil du weißt, dass du alleine sein würdest?
Wenn es sich so anfühlt, als läge ein Haus voller Lachen eine Weile zurück?“
Lena weiß, dass es viele Menschen gibt, die so oder ähnlich empfinden. Menschen, die am Leben verzweifeln; Menschen, die ihr Leben als Scherbenhaufen ansehen; und Menschen, die aus den verschiedensten Gründen keinen positiven Blick auf ihr Leben hinbekommen. Für diese Menschen formuliert Lena fast schon philosophisch:
Fast schon philosophisch
„Wir werden so langsam müde, Feuer mit Feuer zu bekämpfen,
bis wir (endlich) eine Antwort finden!“
Was nichts anderes bedeutet als: Verbitterung ist manchmal verständlich, hilft aber keinen Schritt weiter. Was allein hilft, ist, sich Menschen anzuvertrauen, die Beistand leisten und dadurch aus dem Tief des Lebens heraushelfen. Bei Lena klingt das so:
„Wenn du irgendeine Art von Hilfe brauchst,
die du nicht in dir selbst finden kannst,
dann wende dich an jemand anderen.“
Religiöse Dimension? Menschen handeln
Religiöse Menschen wenden sich in schwierigen Situationen an Gott. Wer betet, seine Bitten und Wünsche tatsächlich in Worte fasst, wird bereits selbst aktiv und bricht damit schon aus seiner Erstarrung aus – ein erster Schritt, um seine Probleme tatsächlich zu erkennen und gegen sie vorzugehen. „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“, beschreibt dies eine knappe Erfahrung. Eine andere besagt: „Ich habe keine anderen Hände als die euren!“ Was wohl bedeutet: Nur höchst selten greift Gott durch Blitz und Donner in den Weltenlauf ein. Es sind Menschen, die sich an seine Spielregeln halten und dadurch seine Liebe in die Welt tragen – eine Liebe, die letztlich etwas bewirkt, so die Überzeugung der Gläubigen.
Auch bei Lena findet sich dieser Aspekt, wenngleich die Sängerin in ihrem Song dafür keine religiösen Hintergründe erkennen lässt. Aber nach Lenas Überzeugung kann jeder Mensch für einen anderen Menschen zur Hilfe werden. Denn für alle Menschen gilt:
Kerzen im Dunkeln
„Wir sind wie Kerzen im Dunkeln.“
Und ein Ausweg aus den Krisen des Lebens deutet sich an,
„…wenn wir ein Licht in unseren schlagenden Herzen finden können.“
Im Interview unterstreicht Lena, dass aus ihrer Sicht alle Menschen auf der Suche nach denselben Dingen seien. Nämlich nach Liebe, nach etwas Gutem, nach Positivem und Schönem. Und letztlich möchte jeder glücklich sein und geliebt werden.
Das aber fällt nicht vom sprichwörtlichen Himmel. Ein Stückweit liegt es an jedem selbst, ob er in Verbitterung erstarrt und in diesem Zustand verbleibt, oder ob er aus seiner Situation ausbricht. Nur wer sich zumindest ein Stück öffnet und auf einen anderen Menschen zugeht, hat eine reelle Chance, Ähnliches zurückzubekommen. Auch diese Erfahrung verarbeiteten unsere Vorfahren in einem Sprichwort: „Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es zurück.“ Lena formuliert moderner: „Nur wer Liebe gibt, wird auch Liebe empfangen. Wenn wir uns alle danach richten würden, wäre diese Welt ganz sicher ein kleines Stückchen besser.“
Respekt als Weg zum Glück
Ein Ziel, auf das es sich hinzuarbeiten lohnt – erst recht angesichts von weitverbreiteter Zukunftsangst, von Hass und Unsicherheit, die oftmals sogar zu Selbstzweifeln und Vereinsamung führen. Sie erschweren die Suche nach Liebe und Geborgenheit – aber sie machen sie nicht unmöglich.
„Looking For Love“ ist ein Song über Liebe, Verständnis, über ein respektvolles, offenes Miteinander und damit auch über Glück. Eine ganze Menge dafür, was ein kurzer Popsong in weniger als drei Minuten transportieren kann. Lena und „Looking For Love“.
Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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