Mariä Himmelfahrt: Feiertag oder kein Feiertag – das ist hier die Frage (15. August)
Es gibt Jahre, da läuft es für Arbeitnehmer einfach nicht rund. Dieses Jahr ist so eines. Der 1. Mai fiel auf einen Samstag, der Tag der Deutschen Einheit, bekanntermaßen am 3. Oktober, wird auf einen Sonntag fallen. Und auch wenn es Ihnen die Tränen in die Augen treibt: Sowohl der erste, wie auch der zweite Weihnachtsfeiertag fallen nicht in die Arbeitswoche, sondern auf einen Samstag bzw. Sonntag. Vier Feiertage fallen auf ein eh schon arbeitsfreies Wochenende… dazu die Gewissheit, dass das neue Jahr nicht besser startet. Denn der Neujahrstag, immer exakt sieben Tage nach dem 25. Dezember, fällt auch wieder auf das Wochenende. Saarländer und manche Bayern leiden sogar noch ein bisschen mehr. Denn das Fest Maria Himmelfahrt, im Saarland und in Teilen Bayerns ebenfalls arbeitsfrei, fällt in diesem Jahr auch auf einen Sonntag. Genau genommen: auf den heutigen Sonntag. Na, herzlichen Glückwunsch.
Heute Pech für Saarländer und manche Bayern
Immerhin verzichten die Bayern somit heute auf ein typisches Gerangel frei nach dem Motto: Ja, Herrschaftszeiten, in welchen Teilen Bayerns ist denn nun heute arbeitsfrei? Und der Rest Deutschlands stellt sich gleich eine zweite Frage, nämlich die Frage nach dem Warum: „Warum gibt es in Teilen Bayerns an Mariä Himmelfahrt überhaupt einen arbeitsfreien Tag?“ Letztere Frage allerdings ist schnell beantwortet: In Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung ist Mariä Himmelfahrt ein Feiertag. Punkt. So einfach ist das. Zumindest auf dem Papier. Lassen wir einmal außer Acht, dass heute ein Sonntag und damit „arbeitsfrei für alle“ gilt – Schon klar: nur soweit sie nicht in der Gastronomie, im Rettungswesen und ähnlichen Berufen arbeiten.
Wer hat denn nun frei? Ein Fallbeispiel
Was auf dem Papier so einfach aussieht, kann nämlich auch ganz schön problematisch sein: Herr Maier, schön bayerisch mit „ai“, wohnt im Ort a mit überwiegend evangelischer Bevölkerung, Herr Krackslhuber – man hört es schon: auch ein waschechter Bayer – wohnt im Ort b mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Die beiden machen denselben Job, allerdings in zwei unterschiedlichen Rathäusern. Sie arbeiten aber quasi „über Kreuz“: Maier im Ort b, Krackslhuber im Ort a.
Gar nicht so einfach
Jetzt wird es spannend: Für Maier, der also in einem Ort mit überwiegend evangelischer Bevölkerung wohnt, ist demnach Mariä Himmelfahrt kein gesetzlich geschützter Arbeitstag. Also: arbeiten! Eigentlich! Aber Maiers Arbeitsplatz liegt in der Gemeinde b, in der Mariä Himmelfahrt ein Feiertag ist. Also: Das Rathaus der Gemeinde b bleibt dicht. Und Maier bleibt zu Hause. Obwohl er in seinem Wohnort keinen Feiertag hat, hat er arbeitsfrei wegen des Feiertags!
Anders liegt der Fall beim Kollegen Krackslhuber: Der hätte zwar aufgrund seiner Wohnlage in Gemeinde b – überwiegend katholisch – an Mariä Himmelfahrt arbeitsfrei. Leider arbeitet er in Ort a, in dem dieser Feiertag eben kein gesetzlich geschützter Feiertag ist. Und muss deshalb arbeiten. Der Genuss des arbeitsfreien Feiertags, den er aufgrund seines Wohnortes hat, bleibt ihm leider versagt.
Es geht noch schlimmer
Wir könnten das Ganze noch auf die Spitze treiben und Maier mit seiner Familie zum Wandern schicken… wenn nicht Maiers Ehefrau im gleichen Rathaus wie Krackslhuber arbeiten und auch Maiers Kinder ausgerechnet in diesem Ort zur Schule gingen. Die müssten also antraben. Ein typischer Fall von „Maier allein zu Haus“. Das kann zwar auch mal ganz nett sein. Aber letztlich ist es nur irgendwie kompliziert. Also lassen wir diesen Spezialfall lieber weg und freuen uns, dass Mariä Himmelfahrt in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt. Da bleiben all den Maiers, Krackslhubers und sonstigen Bewohnern Bayerns die Überlegungen, wie sie sich verhalten müssen, erspart. So wie im Saarland, wo an Mariä Himmelfahrt alle zu Hause bleiben. Oder in allen anderen, noch nicht genannten Bundesländern, in denen alle Menschen zur Arbeit oder zur Schule gehen. Kein Feiertag! So einfach könnte das sein.
Klares Bild in den Großstädten
Zugegeben, die Praxis ist für die meisten Menschen etwas übersichtlicher: In den großen Städten Augsburg, Ingolstadt, München, Regensburg und Würzburg ist Mariä Himmelfahrt ein gesetzlich geschützter Feiertag. In Erlangen, Fürth und Nürnberg ist er grundsätzlich ein Arbeitstag. Also: Augen auf bei der Wohnsitzwahl. Was aber „auf dem platten Land“ nicht unbedingt dauerhaften Vorteil bringt. Etwas über 2000 Gemeinden gibt es in Bayern – gut 1700 davon gelten als überwiegend katholisch. Fazit: Feiertag! Ich mag mir gar nicht vorstellen, welch ein großes Hallo es gab, als
vor einigen Jahren aufgrund einer Gebietsreform, vor allem aber aufgrund der Volkszählung von 2011 aus Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung plötzlich protestantisch dominierte Gemeinden wurden und umgekehrt. Wer hätte gedacht, dass das den Ausspruch „Feiertag oder kein Feiertag – das ist hier die Frage“ derartig aktualisieren würde…Mariä Himmelfahrt – Bedeutung
Sie merken schon: Dieser Text spiegelt das richtige Leben. Auch dort dominiert die Frage nach dem freien Tag, während die Frage nach den Inhalten, den Gründen für den freien Tag vollständig zurücktreten. Und das umso mehr, als es sich um einen kaum bekannten Feiertag handelt. Dagegen allerdings kann ich etwas tun.
Marienfeiertage im weitesten Sinne gibt es eine ganze Menge. Traditionell sind die Monate Mai und Oktober in ihrer Gesamtheit der Gottesmutter geweiht. Im Jahr 431 kam im Osten die Idee auf, ein Fest zu feiern, an dem man der Aufnahme Mariens in den Himmel gedenkt. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass die Gottesmutter Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Eine absolute Besonderheit. Denn während die Seele nach christlicher Vorstellung nach dem Tod weiterlebt, gibt es für den Leib erst mit dem Tag des Jüngsten Gerichts ein – wie auch immer geartetes – Weiterleben. Im Gegensatz zu allen anderen Menschen muss Maria auf diesen Tag nicht warten. Da die Kirche seit alter Zeit davon ausgeht, dass Jesus Christus „zur Rechten des Vaters sitzt“, wie es im Glaubensbekenntnis so schön bildlich heißt, war es irgendwann logisch:
Wie der Sohn, so die Mutter…
Was dem Sohn recht ist, gilt auch für die Mutter. Denn schließlich gäbe es ohne die Mutter den Sohn überhaupt nicht. Schritt für Schritt setzte sich die Idee durch und verfestigte sich: Aus dem 6. Jahrhundert sind legendarische Darstellungen bekannt, im 7. Jahrhundert verbreitet sich die Vorstellung vom Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel immer mehr. Bei uns in Deutschland setzt sich dieses Fest im 9. Jahrhundert durch. Fester Bestandteil der katholischen Lehre wird das Fest Mariä Himmelfahrt mit dem Konzil von Trient im 16. Jahrhundert – ein Reflex auf die neue Lehre durch Martin Luther, dem der Streit um die Jungfrauenschaft Mariens ziemlich egal war. Hauptsache, Maria war die Mutter Gottes. Das sah die Katholische Kirche anders und kam per Konzilsbeschluss zu dem Ergebnis, genau das nun einmal festzuzurren, was man ja eh schon lange glaubte. Eine erneute Bekräftigung, dass Maria mit Leib und Seele schon vor dem Jüngsten Tag im Himmel weile, erfolgte im Jahr 1950: Da erhob die Katholische Kirche die Aufnahme Mariens sogar zum Dogma, sprich: zum von Gott geoffenbarten, unabänderlichen Lehrsatz. Mit anderen Worten: Daran ist nun nicht mehr zu rütteln. Auch wenn in der Bibel kein Wort über die Himmelfahrt Mariens zu finden ist. Aber für die konsequente Weiterentwicklung der Glaubenslehren gibt es ja die Theologie…
In der Nähe Gottes
Bevor Sie lachen: Kernsatz des christlichen Glaubens ist nun einmal, dass Christus den Tod besiegt hat, sprich: von den Toten auferstanden ist. Irgendwie dann nur konsequent, dass er seine Mutter nicht im Tod lässt, sondern dass diese, wie Papst Benedikt XVI. einmal formulierte, den Tod ebenfalls besiegt hat. Damit wäre sie eben bereits jetzt schon endgültig in der Nähe Gottes, wie „im Himmel sein“ am besten „übersetzt“ wird. Warum auch nicht? Zwar ziemlich anthropomorph gedacht , aber irgendwie auch tröstlich und schön.
Ascensio vs. Assumptio
Falls Sie theologische Spitzfindigkeiten mögen: Einen Unterschied zwischen der Himmelfahrt Jesu Christi und der Mariens gibt es dann aber doch: Während die Katholische Kirche bei Christus von der „Ascensio Christi“ spricht, heißt es bei Maria „Assumptio Mariae“. Hier, im lateinischen Genetiv, finden Sie auch den Grund, warum das Fest in eingedeutschter Form „Himmelfahrt Mariens“, in älterer Lesart „Mariä Himmelfahrt“ heißt. Entscheidend aber die Bedeutung der bewusst gewählten lateinischen Formulierung: Dank göttlicher Kraft stieg Christus quasi allein in den Himmel auf. Maria, zwar Mutter Gottes, aber zu 100 Prozent Mensch, benötigte dazu dann schon die göttliche Hilfe. Denn schließlich ist sie nicht göttlich, auch wenn manch einem Schüler die Reihung „Vater, Sohn und Mutter“ für die Erklärung der Dreifaltigkeit Gottes näherliegt als „Vater, Sohn und Heiliger Geist“. Aber das ist eine andere Geschichte.
Kräutersegnung
Dass der Volksglaube aus der Aufnahme Mariens in den Himmel einen besonderen Tag macht, ist nur allzu verständlich. Eine Frau und Mutter erreicht eher als jeder irdische Mann das Paradies mit Leib und Seele – das hat was. Maria ist ja ohnehin das große Vorbild. Ihre Himmelfahrt wird zu einer Art besonderem Frauenfest. Und weil Frauen sich mit Kräuter- und Heilkunde seit Jahrtausenden besser auskennen als Männer, ist es kein Wunder, dass zum Fest Mariä Himmelfahrt auch Kräuter eine große Rolle spielen. Bis zu 77 verschiedene Kräuter, zu kleinen Bündeln zusammengebunden, sollen gegen alle möglichen Krankheiten helfen – und tun dies auch zuverlässig. Vor allem dann, wenn man weiß, ob man sie äußerlich oder innerlich anwenden muss, ob man Auszüge oder Tinkturen herstellt oder, wie vielfach bei Tieren praktiziert, sie einfach unter das Futter mischt. Alles keine Hexerei, sondern Arzneimittelkunde und schulmedizinisches Grundlagenwissen, vor allem von Frauen traditionell beherrscht.
Gewitter und Blitzschlag?
Wie bei allem in der christlichen Kirche gilt allerdings die Voraussetzung, dass Gott die Heilung auch will. Dessen Zustimmung und positive Begleitung versichert man sich traditionell durch den Segen, durch das „Gutsprechen“, wie was lateinische Wort für segnen, „benedicere“, wörtlich übersetzt heißt. Dass die meisten Kräuter nun einmal im Sommer und nicht im Winter wachsen und gedeihen, ist einer der Hauptgründe, warum sich die Kräutersegnung mit dem Fest Mariä Himmelfahrt verbindet. Praktisch war man immer schon.
(Dass schon der römische Kaiser Augustus seinen Untertanen am 15. August einen arbeitsfreien Tag schenkte, und die Kirche ja immer schon clever genug, heidnische Feiertage durch eigene Feste vergessen zu machen, ist ein anderer.)
Ob die in der Wohnung aufgehängten Bündel mit getrockneten Kräutern allerdings auch zuverlässigen Schutz vor Gewitter, Blitzschlag und Feuer bieten, wird kaum evaluierbar sein. Lassen Sie es mich so sagen: Einem allmächtigen Gott ist sicherlich nichts unmöglich. Ich persönliche gebrauche aber lieber den mir von ihm geschenkten Verstand und hoffe darauf, dass der von Menschen ersonnene Blitzableiter auf dem Dach des Hauses seine Arbeit tut.
Traditionelle Lichterprozessionen
Vor allem im südlichen Teil Deutschlands, wo sich die Marientraditionen stärker erhalten haben als in anderen Teilen der Republik, gibt es an Mariä Himmelfahrt gut besuchte Lichterprozessionen. Soweit Corona das zulässt, auch in diesem Jahr.
In „Maria Vesperbild“, das sich selbst „schwäbische Hauptstadt Mariens“ nennt und zum Bistum Augsburg gehört, gibt es üblicherweise mehrere Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Auch in Lindau am Bodensee nehmen mehrere Tausend Menschen an der so genannten Schiffsprozession teil.
Rund um den Fuldaer Dom findet am Festtag Mariä Himmelfahrt mit einbrechender Dunkelheit eine große Lichterprozession statt, an der üblicherweise deutlich über 1000 Menschen teilnehmen. Die Prozession geht auf eine Prozession mit Armenspeisung aus der Zeit nach der schweren Pestepidemie von 1350 zurück, hat aber heute ihr Zentrum rund um den Fuldaer Dom. Der ist zwar wie die Vorgängerkirche an gleicher Stelle Christus als Heilsbringer und Erlöser geweiht. Der Hochaltar aber zeigt ein beeindruckendes Bildwerk der Gottesmutter, wie sie von jubilierenden Engeln in den Himmel getragen wird. Eindrucksvoller kann man Mariä Himmelfahrt kaum darstellen.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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