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Pfarrer Stefan Krönung – „Sozialkirche“ als Dienst am Menschen und an Gott

Kameras sind unerbittlich. Aber sie zeigen nur das, was „vor den Kulissen“ passiert. Was er mit seinen Gästen „hinter den Kulissen“ und „abseits der Kameras“ erlebt hat, erzählt Moderator Klaus Depta hier. Zum Beispiel mit Pfarrer Stefan Krönung und seine Engagement für die „Sozialkirche“

Als ich ihn das erste Mal für eine Rundfunkaufnahme vor mir im Tonstudio habe, bin ich fasziniert und erschrocken zugleich: Der verlangte einmütige Monolog kommt mit unglaublicher Sprechgeschwindigkeit. Aber jede Silbe ist so klar artikuliert, jeder Satz so punktgenau fürs Radio geschrieben, dass das Zuhören völlig problemlos ist. Hinzu kommt das Erzählte selbst: Da ist pralles Leben. Etwas, das den Zuhörer angeht, ihn anspricht. In jedem Wort. Dass der Inhalt des kleinen Monologs mit der Ausrichtung und der Qualität des eigenen Lebens zu tun hat, wird auf unheimlich deutliche Weise spürbar. Dass die Quelle dafür der christliche Glaube des Sprechers ist, auch. Aber da ist nichts Frömmelndes, nichts Salbungsvolles. Auch nichts Aufdringliches, Stattdessen erscheint der Glaube als quasi als dezente Begleitmusik zum Lebensalltag. Vor mir am Mikrophon steht zum ersten Mal – und zum Glück danach viele, viele Male wieder – ein Pfarrer: Stefan Krönung.

Kennengelernt hatte ich Krönung ein paar Monate zuvor. Da besuchte ich ihn in seiner Gemeinde auf dem mittelhessischen Land. Denn der engagierte Pfarrer hatte zur Unterstützung der zum Teil betagten Menschen seiner Pfarrgemeinde in seinem Pfarrhaus eine Poststelle eingerichtet. Was so leicht und locker klingt, war tatsächlich ein hoheitlicher Akt. Aber Krönung hatte es getan, sich auch gegen Widerstände durchgesetzt. Genaueres dazu können Sie im Videoclip nachvollziehen, den Sie unter diesem Text finden.

In den nächsten Jahren sind wir uns immer wieder begegnet, nicht nur im Studio, sondern vor allem in seiner nächsten Gemeinde im nordhessischen Kassel. Mein Eindruck, auf ein – im positiven Sinn – Enfant terrible gestoßen zu sein, bewahrheitete sich mit jeder neuen Begegnung. Da war ein Pfarrer, der den Kindern in seinem Kindergarten Achtung der Schöpfung – andere nennen das Umweltverantwortung – nahebringen wollte. Dafür legte er selbst zupackend am Pfarrhaus einen kleinen Garten an, den die Kindergartenkinder (!) selbst bewirtschafteten, also unter Anleitung Rillen ziehen, Samenkörner einlegen, Erde darüberschieben, wässern, abwarten. Und nach ein paar Monaten dann die kleinen Möhren, Radieschen und Kohlrabi ernten und mit den Erzieherinnen in der Kindergartenküche verarbeiten.

Plötzlich sammelt Krönung Kronkorken, also die Verschlüsse von Bierdeckeln. Er hat einen Abfallentsorger aufgetan, der ihm bei Bedarf einen Container vors Pfarrhaus stellt und einen guten Preis für das Altmetall zahlt, den Transport als Spende übernimmt. Binnen Wochen sammeln Kneipiers und Privatpersonen Kronkorken und schütten sie dem Pfarrer in den Keller. Bekannte und befreundete Pfarrer aus dem gesamten Bistumsgebiet sammeln mit. Und immer dann, wenn sie nach Kassel kommen, laden sie säckeweise Kronkorken aus dem Auto und kippen sie in den Keller. Als der bis zum Rand voll ist, kommt der Container. Und Krönung packt selbst mit an.
Von dem Erlös all seiner Aktionen finanziert Krönung eine kleine Suppenküche für Bedürftige. Und die gibt es in seiner Gemeinde mehr als genug. Hohe Arbeitslosigkeit, enorm viele Herkunftsländer und demzufolge ein buntes Gemisch an Sprachen, Kulturen und Vorstellungen – hier ist die Hilfe dringend notwendig. Materielle Hilfe, aber auch Hilfe bei der Integration. Auch hier ist Krönung Vorbild: Bei ihm können Jugendliche ihre Sozialstunden ableisten. Menschen, die vom Gericht wegen Dingen verdonnert worden sind, von denen du lieber nichts wissen möchtest, so Krönung einmal im Gespräch, stellen sich hier in den Dienst einer guten Sache.

Ja, einige besuchen auch Krönungs Gottesdienste. Weil es aber weit mehr Kirchenbänke als Gottesdienstbesucher gibt, baut der umtriebige Pfarrer eine Kirchenbank aus und stellt sie auf den Bürgersteig vor der Kirche. Hier, direkt an einer Bergkuppe, kann sich jeder, der will, für einen Moment ausruhen. Hier kann er auch warten, bis Krönung zu bestimmten Zeiten seine Kleiderkammer öffnet. Und neben Kleidung auch Inventar von Haushaltsauflösungen verteilt: Geschirr, Besteck, Kochtöpfe, Möbel, Spielzeug für die Kinder. Alles da, wenn auch meistens nicht lange. Denn viele Menschen, die im Norden Kassels leben, haben Not und Mangel an allem. Auch an geistlicher Betreuung. Natürlich könnte man in ein Besprechungszimmer im Pfarrhaus gehen. Alternativ hat Krönung eine Couch und ein paar Sessel in seine Kirche gestellt. Ganz hinten, da wo es durch die ausgebaute Bank Platz gibt. Ungewohnt wirkt das, ein bisschen kuschelig, anheimelnd, vertrauenerweckend.

Als im gesamten deutschsprachigen Raum neue Gesangbücher eingeführt werden, findet Krönung einen

Abnehmer für das „Spezialpapier“ der alten Gesangbücher. Ein bisschen Mundpropaganda und schon sammeln Pfarrer – einige zumindest – aus allen Regionen des Bistums ihre alten Gesangbücher und geben sie nach Kassel. Dort nimmt Krönung sie mit seinen „Sozialarbeitern“ auseinander, trennt in anstrengender Handarbeit Umschlag – oftmals Kunststoff – vom Papier. In vielen Gesangbüchern befinden sich Andenkenbilder. Irgendwann einmal könnte daraus eine Ausstellung entstehen. Ein Archivar hat schon signalisiert, dass man da etwas machen könnte. Irgendwann, wenn es einmal Zeit dafür gibt. Einige wenige Gesangbücher entgehen dem Altpapiercontainer. Aus ihnen lässt eine handwerklich begabte Bastelgruppe kleine Kunstwerke, die sich tatsächlich beim Weihnachtsbasar verkaufen lassen. So kommt Geld in die Kasse, die für Krönung und seine Sozialkirche dringend gebraucht wird. Sozialkirche, ein Wort, das bei der Bistumsleitung in Fulda lange skeptisch gesehen wird. Denn Kirche soll und will ja immer sozial sein.

Für mich persönlich steht Pfarrer Stefan Krönung in einer Folge mit ganz großen Priestern, die ich selbst nur aus der Literatur kenne: So Pater Johannes Leppich, den sie wegen seiner wortgewaltigen Predigten „das Maschinengewehr Gottes“ nannten, einer, der in den 1950er und 1960er Jahren in die geistige Leere nach dem Zweiten Weltkrieg als Volks- und Straßenprediger auftrat, die Marktplätze füllte und die Menschen bewegte, einer, der selbst dahin ging, wo die Not am größten war. Und der Geld- und Sachspenden organisierte für die, die unbedingt auf Hilfe angewiesen waren. Und er erinnert mich an den Franzosen Abbé Pierre, der der französischen Résistance angehörte, jüdischen Flüchtlingen half, später sein Erbteil – er stammte aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie – an Arme verteilte, Essen und Kleidung besorgte und als „Lumpenpater“ in die Geschichte Frankreichs einging.
Pater Johannes Leppich, Abbé Pierre, Pfarrer Stefan Krönung – wie alle Menschen sicher nicht perfekt, aber drei, die stellvertretend für viele stehen, die auf besondere Weise die Sorge um die Mitmenschen ernstnehmen und mitten unter diesen Menschen Priester sind. Eben nicht nur, sondern auch.

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