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Purple Disco Machine – Honey Boy

Kommen ein Schwede, ein Deutscher, ein Amerikaner und eine Jamaikanerin zusammen – was wie der Anfang eines Witzes klingt, ist ein Volltreffer. Zumindest musikalisch. Schließlich handelt es sich beim Schweden um

Internationale Starbesetzung

den Hitsong-Schreiber Benjamin Ingrosso, dem Deutschen um Tino Piontek, besser bekannt als Purple Disco Machine, und beim Amerikaner um Nile Rodgers. Also dem Mann, der schon in den späten 1970ern für die Hits der Disco-Größen von Chic verantwortlich war. Von ihm stammt der legendäre, treibende Basslauf im ersten weltweit erfolgreichen Rap-Song, nämlich „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang. Und derselbe Lauf wiederum hatte gehörigen Anteil daran, dass Freddie Mercury und Queen mit ihrem „Another One Bites The Dust“ einen Megahit landeten. Was übrigens David Bowie zu einer Zusammenarbeit mit Nile Rodgers veranlasste, die auch durch dessen erstklassige Gitarrenlicks mit „Let’s Dance“ ihren größten Hit abwarf.

Bowie und andere lassen grüßen

Dass Rodgers nicht nur megastarke Grooves liefern kann, sondern auch ein herausragender Produzent ist, bestätigt seine Zusammenarbeit mit Ex-Blondie Debbie Harry, Duran Duran, Grace Jones, Rolling Stones Mastermind Mick Jagger, Madonna, INXS, Daft Punk featuring Pharrell Williams und viele andere. Und jetzt eben Purple Disco Machine. Der mehrfach mit Platin ausgezeichnete und Grammy-prämierte Dresdner ist dermaßen gefragt, dass er unlängst sogar ein Angebot zur Zusammenarbeit mit Taylor Swift ablehnen konnte. Unglaublich, aber wahr!

Namensgeber für Asteroid

Als Benjamin Ingrosso sein „Honey Boy“ in einer Rohfassung nach Dresden schickte, war Purple Disco Machine bereits aus dem Häuschen. Als sich dann noch Wunschpartner Nile Rogers zu seinem Mitwirken bereiterklärte, dürfte der deutsche Produzent die sprichwörtlichen Purzelbäume geschlagen haben. Wie das halt so ist, wenn ein Jugendtraum endlich in Erfüllung geht. Immerhin genießt Nile Rodgers einen derartigen Legendenstatus, dass passend zu seinem 70. Geburtstag am 18. September 2022 ein Asteroid nach ihm benannt wurde. Wer kann das schon von sich behaupten?

Drei Generationen-Song

Herausgekommen ist eine gelungene Kombination klassischer Disco-Funk-Grooves und aktuellem Pop, die durch die Stimme von Shenseea elektrisierend komplettiert. Hinter diesem Bühnennamen verbirgt sich die Jamaikanerin Chinsea Linda Lee, die üblicherweise als Dancehall-Sängerin unterwegs ist. Und, äh, ja, so ist das wohl: Shenseea und der ein Jahr ältere Benjamin Ingrosso könnten locker Niles Enkelkinder sein. Was „Honey Boy“ so ganz nebenbei zu einem Drei-Generationen-Song macht, wenn man Tino Piontek mit viel Augenzudrücken als mittlere Generation einsortieren möchte. Das mag vielleicht interessant sein – wichtig ist es für den Song aber letztlich nicht.

Honey Boy

In „Honey Boy“ heißt es:

„Ich war jung, ich tanzte nie, würde es nie wagen,
weil ich dachte, ich sei nicht gut genug.
Ich habe nie ein einziges Wort zu einem Mädchen gesagt.
Ich hatte Angst, dass ich es vermasseln würde!“

Nicht gut genug zu sein, Fehler zu machen und am Ende ausgelacht zu werden – viele Jugendliche kennen dieses Gefühl. Es ist gar nicht so leicht, sich


in der Welt der Erwachsenen zurechtzufinden, wenn man selbst gerade den Kinderschuhen entwachsen ist. Und als ob alles nicht schon kompliziert genug wäre, geben Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Freundinnen und Freunde auch noch jede Menge Ratschläge. Denn sie alle wissen genau, was du tun musst, unbedingt haben musst und auf jeden Fall lassen solltest. Leider hat das mit den eigenen Gefühlen oft genug nur wenig zu tun. Und wenn es ganz dicke kommt, widersprechen sich die Ratschläge am Ende sogar. Anfangen kannst du damit nicht viel. Denn gut gemeint ist nun mal das Gegenteil von gut, wie der Schriftsteller Kurt Tucholsky einmal gesagt haben soll.

Komplizierte Lebenswirklichkeit

Als Jugendlicher ist die eigene Lebenswirklichkeit oft genug kompliziert: Da stehen sich nämlich zwei Dinge gegenüber: auf der einen Seite die Sehnsucht nach einer tiefen, verbindenden Erfahrung, auf der anderen Seite Ängste und Unsicherheiten, wie man sich verhalten soll. Das im Song immer wiederkehrende „My-my, oh, my-my“ wirkt in diesem Zusammenhang wie eine Beschwörungsformel oder ein Gebet raus aus diesem Konflikt: als Ruf um Hilfe, um die eigenen Unsicherheiten zu überwinden.

Gegen inneren Blockaden

Klar, im Song geht es um Sex, geht es um das berühmt-berüchtigte „erste Mal“. Aber vor allem geht es darum, eine innere Blockade zu überwinden. Die kann als eine „natürliche Sperre“ angesehen werden: Sie dient dazu, sich nicht Hals-über-Kopf in irgendwelche Abenteuer zu stürzen, die man wohlmöglich nicht bestehen kann. Sondern zu warten, bis man sich reif genug fühlt, sich von der Fremdbestimmung anderer befreit hat und sich selbst akzeptieren kann. Und sich selbst und seine eigene persönliche Verletzlichkeit annehmen kann.

Neue Wege gehen

Die magische Tänzerin im Song kann wortwörtlich als eine Frau mit Erfahrung verstanden werden. Im übertragenen Sinn aber wird sie zu einer allgemeinen Erfahrung, die den Anstoß dazu gibt, neue Wege zu gehen und sich auf ein Leben als Erwachsener, ein Leben mit neuen Inhalten und neuer Verantwortung einzulassen.

Sehnsucht, die Welt zu verstehen

Mehrfach verwendet der Text die Formulierung „dive“. Damit ist nicht nur das Eintauchen in die Welt der Erwachsenen gemeint, sondern mehr noch die Sehnsucht danach, sich selbst und die Welt um sich herum besser zu verstehen. Und dabei vielleicht sogar eine höhere Wahrheit zu entdecken, die das eigene Leben bereichert. So betrachtet wird „Honey Boy“ zu einer Aufforderung, sich auf das Leben einzulassen und zu erkennen, dass in der Beziehung zu anderen Menschen neue, bisher unbekannte Dimensionen des Lebens eröffnen kann.

Purple Disco Machine ft Bejamnin Ingrosso, Nile Rogers & Shenseea – Honey Boy

Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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