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Collins, Phil – I Don’t Care Anymore

Im März 1980 veröffentlichten Genesis ihr Album „Duke“, 1 ½ Jahre später, im September 1981, folgte „Abacab“. Zwischen beiden Alben hatte Phil Collins, immerhin bei Genesis längst

Workaholic

Schlagzeuger u n d Sänger, genügend Zeit, sein erstes Soloalbum einzuspielen und zu veröffentlichen: „Face Value“ erschien im Februar 1981. Kein Wunder, dass Collins als Workaholic galt – ein inoffizieller Titel, den der spätere Buchautor, Produzent und Schauspieler spätestens beim Live-Aid-Charity-Konzert unter Beweis stellte:

Collins bei Live Aid

Collins performte im (alten) Londoner Wembley-Stadion eigene Stücke und begleitete Sting in seinem Set, bestieg anschließend in Windeseile eine Concorde und gehörte – der Zeitverschiebung sei Dank – als einziger Musiker zusätzlich im John F Kennedy-Stadium im Philadelphia ebenfalls zum Line-Up. Ach ja, auch dort konnte es Collins nicht lassen, spielte „Against All Odds“ sowie seinen damalige Superhit „In The Air Tonight“, trat zudem mit den verbliebenen Mitgliedern von Led Zeppelin auf, also Robert Plant, Jimmy Page und John Paul Jones, um außerdem Eric Clapton bei „White Room“, „She’s Waiting“ und den Dauerbrenner „Layla“ am Schlagzeug zu begleiten. Aber das nur am Rande…

Eheprobleme und Scheidung

Collins Gattin, Andrea Bertorelli, hatte schon vorher genug. 1980 reichte sie die Scheidung ein. Auf die Probe gestellt worden war die Ehe schon vorher: Phil habe eine kurze Zündschnur, erklärte Bertorelli später. Den ersten großen Knacks gab es aber wohl, als Phil Collins 1976, unmittelbar nach der Geburt des zweiten Kindes, sofort wieder auf Tour ging, statt Zeit bei seiner Familie zu verbringen. Irgendwann füllte dann eben jemand anderes die entstandene Lücke. Bertorelli wies die Vorwürfe, ihre Affäre sei Grund für die Scheidung gewesen, später zurück: Tatsächlich habe Phil Collins bereits damals eine Beziehung zu Jill Tavelman, seiner späteren zweiten Ehefrau, unterhalten. Rosenkrieg as it’s best!

Trauerbewältigung durch Songs

Und was macht ein Musiker? Er verarbeitet seinen Schmerz, seine Trauer und seine Wut in Songs. „In The Air Tonight“ war so ein Song, der den Schmerz während der Phase der Entfremdung zum Ausdruck brachte. Und auch „If Leaving Me Is Easy“, ebenfalls vom ersten Soloalbum „Face Value“, stand dem erstgenannten ins nichts nach.

Große Fallhöhe

Für Phil Collins eine mehr als schwierige Phase: Auf der einen Seite ein gefeierter Musiker, der sich dazu anschickte, für die nächsten Jahre nahezu omnipräsent zu sein und von einem kreativen Höhepunkt zum nächsten zu eilen, auf der anderen Seite ein Mann, dessen Ehe in Scherben lag und der sich eingestehen musste (und das später auch tat), dass die Beziehung zu seiner Frau und seinen Kindern gewaltig unter seiner Karriere litt. Kann ein Gegensatz größer sein?

Rosenkrieg

Er habe Briefe von Anwälten erhalten, die unglaubliche Dinge von ihm verlangten, sagte der Musiker später einmal. Und wurde noch frustrierter und verbitterter: Auf seinem zweiten Album „Hello, I Must Be Going!“ findet sich die klare Ansage, wie Collins mit dem Ende des Rosenkriegs umzugehen gedachte: „I Don’t Care Anymore“ – es interessiert mich einfach nicht mehr. Im Song singt er:

I Don’t Care Anymore

„Du kannst allen sagen, dass ich eine Schande bin.
Ziehe meinen Namen überall hin:
Es kümmert mich nicht mehr.
Du kannst jedem erzählen, in welchem Zustand ich bin:
Du wirst mich nicht beim Weinen erwischen.
Denn ich kann einfach nicht gewinnen.
ES kümmert mich nicht mehr
ICH kümmere mich nicht mehr, hörst du?
Es ist mir egal, was du sagst!“

Im weiteren Verlauf des Songs erhebt der Sänger eine Reihe von Vorwürfen gegen seine Frau:

„Ich spiele nicht dieselben Spiele, die du spielst. […]
Wir haben sowieso nie nach denselben Regeln gespielt. […]
Ich habe Besseres mit meiner Zeit anzufangen. […]
Ich erinnere mich an all die Zeiten,
in denen ich es so sehr versuchte.
Aber du hast mir ins Gesicht gelacht,
weil du die Karten in der Hand hattest.“

Verletzt

Dass Collins so sehr um sich schlägt, zeigt vor allem eins: Er ist nicht nur verletzt, sondern fühlt sich vor allem unverstanden und verurteilt. Gleichzeitig schiebt er seiner Frau die Schuld an der gescheiterten Beziehung zu. Seine eigene Schuld am Scherbenhaufen seiner Ehe findet im Song keinerlei Erwähnung. Stattdessen macht sich im Musiker eine innere Leere breit, die er nach außen trägt – sehr zum Leidwesen von Andrea Bertorelli. Die bat den Musiker, doch bitte nicht die inneren Angelegenheiten ihrer gescheiterten Ehe nach außen zu tragen. Collins soll gekontert haben: Er habe die künstlerische Freiheit, über alles zu schreiben, was er wolle.

Erfolgreich, aber schmerzhaft

Wenn der Erfolg ein Gradmesser ist, dann lag Collins richtig: Da die Songs über die Endphase seiner Ehe tief aus seinem Innersten kamen, berührten sie die Gefühle vieler seiner Zuhörer und wurden zu Hits. Für Bertorelli lediglich ein Zeichen, dass Collins das viele Geld, das er mit ihrer Ehescheidung verdiente, wichtiger war als ihre Gefühle und die Gefühle der gemeinsamen Kinder.

17 Wiederholungen

Was bleibt? Phil Collins mimt den starken Mann, der vorgibt, dass ihn Klatsch und Spekulationen um seine Ehe sowie die angeblichen Intrigen seiner Frau nicht mehr interessieren. Gleich 17mal wiederholt er im Outro des Songs die Formel „no more“. Nach NLP, dem Neuro-Linguistischen Programmieren, ist dies ein deutliches Indiz dafür, dass das Gegenteil der Fall ist: Collins verwendet die fast schon mantraartige Wiederholung, um sich darauf einzuschwören, ja, sich regelrecht dazu zu zwingen, keine anderen Gedanken und Gefühle zuzulassen, was ihm aber nicht gelingt. Denn trotz anderslautender Worte fühlt er sich „von allen guten Geistern verlassen“. Ihm ist buchstäblich der Teppich unter den Füßen seines Privatlebens weggezogen worden. Daher befindet sich der Musiker auf der Suche danach, wie sein Privatleben weitergehen kann und wie sich in Zukunft ähnliche Tiefpunkte vermeiden lassen.

Suche nach Sinn

Letztlich sucht Collins nach einer Antwort auf die Frage nach einem tieferen Sinn im Leben. Angesichts von Enttäuschung und Schmerz sucht er nach Trost und Verständnis in einer Welt, die er selbst während des Zerbrechens seiner Ehe als unverständlich und unerbittlich erlebt.
I Don’t Care Anymore“ wird zur Formel bei dem Versuch, den Ballast der Vergangenheit hinter sich zu lassen und anschließend einen neuen Aufbruch zu wagen.

Phil Collins – „I Don’t Care Anymore“
Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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